Der große Schiffsmotor nimmt viel Platz weg, wiegt fünf Tonnen, schluckt Treibstoff, verpestet die Umwelt. Und er verschlechtere die Segeleigenschaften, sagt Jorne Langelaan. Deshalb soll er raus aus seinem Schiff. Mit viel Mühe haben die Werftarbeiter das Deck der Tres Hombres aufgeschnitten, einen Kran in Position gebracht und Tausende Verstrebungen losgesägt, um den Motor zu entfernen. Denn der Zweimaster, der gerade in einer Werft im niederländischen Den Helder umgebaut wird, soll im Herbst als Frachtschiff in See stechen und dann ausschließlich mit zwölf Segeln als Antrieb auskommen. Langelaans Kollege Arjen van der Veen, der bei der Jungfernfahrt der Kapitän sein wird, träumt schon von einer ganzen segelnden Handelsflotte. Von einem neuen Zeitalter, in dem die Hälfte aller Schiffe mit einer Kombination aus einem Hilfsmotor und Segelkraft fahren. Vor allem solche, die schwere Flüssig- und Massengüter transportieren.
Vor ein paar Jahren noch hätte man das Projekt der sonnenblonden Seeleute aus Den Helder belächelt. Doch nun kommen in der Weltwirtschaft alte Gewissheiten auf den Prüfstand. Das Modell der vergangenen 25 Jahre scheint erstmals in große Schwierigkeiten zu geraten: der weltweit praktizierte Turbokapitalismus in Kombination mit billigem Öl und großem Geld. Die Containerschiffe wurden schneller und größer, die Frachtflugzeuge riesiger, die Lastwagen dichter gepackt, ohne dass es nennenswerte Kosten verursacht hätte. Das Kapital bahnte sich vielerorts fast ohne staatliche Kontrollen seinen Weg. Die Weltwirtschaft feuerte auf allen Zylindern.
Und nun? Finanzinstitute kollabieren, die Inflation kehrt zurück, das Öl ist teuer, viele Länder erwarten eine Rezession. Die Staatengemeinschaft tüftelt an strengeren Regeln für die Kreditbranche, viele Politiker des Westens entdecken den Protektionismus wieder, natürlich nur zum Schutze der eigenen Bürger. Und am Dienstag sind nun fürs Erste auch die Verhandlungen über die Liberalisierung des Welthandels in Genf gescheitert. Damit ist die vielleicht letzte Hoffnung dahin, in diesem Krisenjahr überhaupt noch ein positives Zeichen für die Globalisierung zu setzen. Die nationalen Egos, allen voran das der USA, waren stärker als der Wunsch nach einem Abkommen, das vor allem den Entwicklungsländern helfen und beweisen sollte: Die Weltwirtschaft ist für alle da (siehe Seite 18).
»Die Globalisierung lässt sich umkehren«, warnen denn auch die Ökonomen Jeff Rubin und Benjamin Tal von der kanadischen Investmentbank CIBC. Zumindest wird sie nun deutlich langsamer werden.
Barack Obama verspricht mehr Schutz für die Bürger der USA
Eines ist schon geschehen: Die Weltwirtschaft ist an eine Fülle von Kapazitätsgrenzen gestoßen. Das ist der tiefere Grund hinter der Wirtschaftskrise, die nach der Jahreswende so plötzlich heraufgezogen ist. Globalisierungsgegner würden sagen, dass dem gefräßigen Weltkapitalismus das Futter ausgegangen sei. Denn die Preise für Treibstoffe sind auf Rekordniveau geklettert, was sich ganz urkapitalistisch daraus ergab, dass die Ölförderländer ihr Angebot nicht mehr rasch genug ausweiten konnten oder wollten. Ähnlich war es bei Grundnahrungsmitteln wie Reis und Weizen, deren Preise nach einer Reihe von Missernten explodierten. Metalle und andere Grundstoffe für die Industrie wurden rar. In rasant gewachsenen Ökonomien wie Indien, Brasilien oder Russland sind viele Häfen, Flughäfen und Straßen überlastet. Solche Knappheiten erhöhen im zweiten Schritt die Preise vieler anderer Produkte, beschwören Inflationsgefahren herauf, verteuern das Leben und damit die Arbeitskosten von Billigarbeitern in fernen Ländern, und sie machen vor allem das Transportieren von schweren, sperrigen Gütern teurer.
Ist das wirklich nur ein vorübergehendes Problem, »bis diese knappen Dinge durch andere ersetzt werden«, wie Michael Bordo sagt? »Ende des 19. Jahrhunderts hatten sich auch alle vor dem Ende der Kohle gefürchtet, doch dann fanden sie das Öl«, argumentiert der Ökonom von der US-Universität Rutgers.
Kommentare
Ein einigermaßen...
... ausgewogener Artikel zur Globalisierung in der ZEIT, ich bin ehrlich erstaunt, es geht offenbar.Auch wenn es wohl eher ein Kommentar zur gefühlten Situation ist, denn mit harten Zahlen hält er sich zurück. Über manche Behauptungen kann man streiten, imho steigt der Ölpreis eher aufgrund von Spekulationen, als aufgrund der Nachfrage, aber was solls.Schade nur, dass diese unfreiwillige Dämpfung des Freihandels kaum, und wenn, dann selten in sinnvollen politischen Bahnen erfolgt, sondern lediglich ein ungewollter Nebeneffekt des unkontrollierten Kapitalmarktes ist. Ironie des Schicksals sozusagen.Ich höre schon die Anhänger der neoliberalen Theorie: "alles reguliert sich von selbst, man muss es nur lassen". Zu dumm nur, dass diese Regulation oft eine schmerzhafte und teure Sache für uns Kostenfaktoren ist, aber wir spielen eh nur eine Nebenrolle, wir sind ja nicht so wichtig für den idealen Markt und müssen uns dementsprechend unterordnen..
Hallo ttob...
...was heißt denn "imho" ? Hab das schon öfter gelesen und weiß nicht, was es bedeutet...
Wachstum der USA
Die Wachstumszahlen von 10% für China mag man glauben oder nicht.
Die USA ist viel wichtiger für die Weltwirtschaft. Wächst die amerikanische Wirtschaft um 3% trägt dies zum Weltwirtschaftswachstum mit 1,4 % bei.
Damit muß es jetzt nicht vorbei sein.
Viele deutsche Firmen werden, wegen des Wechselkurses, Arbeitsplätze in die USA verlagern. Das bringt reale Binnennachfrage in die USA. Dort gehen die Arbeitsplätze hin. nicht nach Osteuropa.
Wir exportieren mehr Waren nach Osteuropa, als wir von dort beziehen.
Sollte die chinesische Währung aufwerten. Und der Dollar abwerten wird es den Chinesen genauso gehen. Diese sitzen dann auf einem Haufen wertloser Fabriken.
Wie sieht es mit dem wichtigsten Handelspartner der Deutschen Frankreich aus.
Komisch Lohnniveau ist ungefähr gleich?
Da werd' i narrisch,
soviel Einsicht bei den Globalplayern. Da hat die WehTeOh gerade eine Schlappe bei der Abstimmung erlitten, da werden Sie schon geholfen. Wie schnell die Stimmung bei einigen ProGlobal Illusionären doch umschlagen kann. Das bedeutet aber noch immer nicht, daß sich an der Ausrichtung kurzfristig etwas ändert. Der Wahlkampf in den VS von Amerika spielt auch hier auf der ganzen Klaviatur.Wer wird sich denn von denen an die OECD wenden wollen, um die Entfaltung des freien Marktes durch die WehTeOh, der von den VS von Amerika dominierten Zweitveranstaltung, zu hintergehen? Wenn keine Öffnung geschieht, wird mit dem Säbel gerasselt. In diesem Kontext sehen Sie bitte auch das Manöver um die Kernenergie im Iran. Wer hat geliefert, richtig Rußland. Und was sagt uns dies, es ist wohl nicht im Interesse der VS von Amerika. Das sind doch die eigentlichen Bedingungen, die den Dritt- oder Schwellenländern auferlegt werden, doch nur zum Wohle der VS von Amerika, einer Gambler-Nation schlechthin.Oder anders herum gesagt, Casino-Capitalismus pur.Es wäre zu schön, wenn die UN sich besser und ohne Druck in der Welt entfalten könnte. Dazu bedarf es aber einer einstimmigen Erfahrung. Wie dies in Europa aussieht? Ein Europa der zwei Geschwindigkeiten, beschwört geradezu das gleiche Malheur herauf.Wer nicht bereit ist, sich an Absprachen zu halten, der gefährdet den Frieden in der Welt, wo auch immer dies sein mag, sonst niemand.debrasseur
immer wieder die Amis...
Im Gegensatz zu piepe glaube ich in der unmittelbaren Zukunft nicht mehr an den Wirtschaftsmotor USA. Die müssen momentan um Ihre Reputation im Ausland kämpfen, der Doller verliert immer mehr an Geltung, Innenpolitisch ist ebenfalls die Kacke am dampfen, Schulden wohin man blickt. Ihre Autos sind wie Ihre Umweltpoliti anno-toback. Die Filetstückchen der amerikanischen Wirtschaft haben sich längst ausländische Investoren unter den Nagel gerissen.Amerika hat im sicherem Gefühl des Siegers des kalten Krieges einfach den Anschluß an die Weltwirtschaft verloren. Idealerweise eine Mauer drum rum bauen und zukacken.Dass Politiker unter diesen Umständen feststellen, daß das Momentum an Ihnen vorbeigeht und bereits ganz andere aus der Wirtschaft und aus aller Welt die Fäden ziehen, fordert geradezu den Aufschrei nach Prodktionismus. Prodektionismus vermittelt wenigstens das Gefühl, alles wieder "unter Kontrolle" zu haben.Ein deutlicheres Anzeichen von Hilflosigkeit und blindem Aktionismus kann ich mir kaum Vorstellen. Selbst das mächtige, streng kontrollierte China muß immer mehr feststellen, daß seine Bürger Verbraucher sind und über den Markt enormen Druck zur Liberalisierung ausgeübt wird.Die Politik kann die Globalisierung bestenfalls hemmen - stoppen und Nationalisierung dürfte bei 6 Milliarden Kunden nur mit brutalsten Mitteln möglich sein.Zetti