Der erste Eindruck ist wichtig. Das gilt nicht nur für Menschen, sondern auch für Schulen. An der Firgrove Public School sitzt deshalb Frau No am Eingang. Sie hat sich einen kleinen Sessel neben die Glastür gestellt und wirft jedem, der das Gebäude betritt, ein aufmunterndes »Good morning!« zu. Kommt ein Fremder, geleitet sie ihn zum Schulsekretariat. Frau No, die einst aus Vietnam nach Kanada kam, ist eine »Grüßerin«. Greeter heißen jene Eltern, die an der Firgrove School für den Empfang zuständig sind. Gestern saß eine Mutter aus Somalia auf ihrem Platz, und morgen wird ein Vater aus Haiti dafür sorgen, dass jeder freundlich begrüßt wird und niemand unbefugt die Schule betritt.
Wer Schulen in Toronto besucht, stößt auf Dinge, die es an deutschen Schulen nicht gibt. Die greeters gehören dazu, aber auch die vielen anderen Eltern, die jeden Tag zu Dutzenden im Klassenraum, in der Kantine oder auf dem Schulhof helfen. Schüler, die schlecht Englisch lesen, erhalten über Monate Einzelunterricht. Die Bibliothek an der Firgrove School verfügt über mehr als zehntausend Bände, darunter Kinderbücher in Chinesisch, Spanisch oder Khmer. Und wer hat hierzulande von einer Schule gehört, die aktiv Lehrerinnen mit Kopftuch sucht, um muslimische Kinder besser zu integrieren?
Wenige Nationen kümmern sich in ihren Schulen so systematisch um die Bedürfnisse ihrer Zuwanderer wie Kanada. Toronto treibt dies auf die Spitze: World leader in equity, Weltmeister der Chancengleichheit, will die Hauptstadt der Provinz Ontario sein. Und dafür, dass sie auf diesem Weg ein gutes Stück vorangekommen ist, erhält die Schulbehörde der Stadt in diesem Jahr den Carl-Bertelsmann-Preis .
Drei Monate lang haben Integrationsexperten im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung weltweit nach jenem Schulsystem gefahndet, das Einwandererkindern am wirkungsvollsten den Weg in die Gesellschaft ebnet. Entdeckt haben sie es in Toronto. Nirgendwo sonst fanden die Gutachter Schulen, die ihre Kinder so gut fördern, Eltern und Stadtteil so intensiv beteiligen und gleichzeitig die Heimatkultur so vorbildlich respektieren.
Die Demografie lässt der 2,5-Millionen-Stadt am Ontariosee auch keine andere Wahl. Denn rund die Hälfte ihrer Bewohner ist im Ausland geboren. Die Minderheiten sind hier in der Mehrheit. Und jedes Jahr treffen weitere Zehntausende Neuankömmlinge ein. Anders als in Deutschland sind viele der Neubürger in Kanada gut situiert und bildungsbeflissen. Und weil Kinder von chinesischen Ingenieuren oder polnischen Ärzten leichter lernen als die Nachkommen anatolischer Bauern, fallen die Migrantenschüler in vielen kanadischen Schulen nicht auf.
Dennoch besteht der unaufhaltsame Einwandererstrom keinesfalls nur aus Akademikern, sondern auch aus Asylbewerbern oder einfachen Handwerkern, die das weite Land ebenso benötigt. Auch in Toronto kennt man Quartiere wie Jane-Finch, ein Viertel im Nordwesten mit Jugendgangs, zahlreichen Sozialhilfeempfängern und Flüchtlingen. Aus Jane-Finch kommen viele Sportstars der Nation – und noch mehr Kriminelle.
Kommentare
Auch Kanada hat seine Probleme
Auch wenn Kanada das Glück hat, dass seine Einwanderer hauptsächlich aus der gebildeten Mittelschicht kommen, dennoch ist in dem Land nicht alles so rosig, wie es in dem Artikel beschrieben wird. Auch in Kanada gibt es eine große Diskussion bezüglich Ehrenmorde, usw.Außerdem muss berücksichtigt werden, dass Kanada zwar ein reines Einwanderland ist, aber nur halb so viele moslemische Einwohner wie die Bundesrepublik Deutschland hat.
Thema verfehlt
Thema des Artikels ist das kanadische Schulsystem und nicht Ehrenmorde. Das Schulsystem scheint wesentlich besser zu funktionieren als unseres, ob Ihnen das passt oder nicht. Außerdem hat der Anteil von Menschen muslimischen Glaubens in einem Land nichts mit dem Erfolg seines Schulsystems zu tun.
Stimmt
Viele der Zuwanderer die in D. leben wuerden in Kanada oder USA garnicht akzeptiert und die Migranten die aufgenommen werden haben meistens eine viel bessere Bildung als die Migranten die nach Deutschland kommen.
Life is complicated, think small.
kb26919:
Frau kb26919, die mexikanischen oder sonstigen mittelamerikanischen Einwanderer in den USA haben natuerlich ein viel hoeheres Bildungsniveau als die polnischen Bauarbeiter oder die tuerkischen Fabrikarbeiter, nicht? Sind Sie sich nicht manchmal selbst peinlich?Life is comlicated. Think! ;)
Peinlich!
"Und weil Kinder von chinesischen Ingenieuren oder polnischen Ärzten
leichter lernen als die Nachkommen anatolischer Bauern, fallen die
Migrantenschüler in vielen kanadischen Schulen nicht auf." Kinder anatolischer Bauern haben es aufgrund solchen Gedankenguts schwer in Deutschland. Auch "auffallen" scheint für Sie im Zusammenhang mit Migranten stets negativ besetzt zu sein. Peinlich!
Erfolgsmodelle übernehmen
ich verstehe nicht waum in Deutschland für solche Maßnahmen kein Geld da ist, obwohl wir viel mehr Steuern und Abgaben zahlen als in Kanada.
Erfolgsmodelle übernehmen ist nicht so einfach in der BRD.
Ich kann Sie verstehen, weswegen Sie maulen, warum Erfolgsmodelle nicht übernommen werden.Es ist ja nicht so, dass es uns an Potential und an Geld fehlt, sondern es fehlt einfach am politischen Willen.Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Für den Nationalen Integrationsplan sind jährlich 750 Mio. vorgesehen. Vergleichen Sie einmal die Summe mit folgenden ZahlenKonfessioneller Religionsunterricht
in doppelter Ausfertigung (katholisch und evangelisch) an allen Schulen
2,45 Milliarden Euro
Ausbildung der
kirchlichen Theologen an den staatlichen Universitäten
0,62 Milliarden Euro
Kirchliche Ersparnis durch staatlichen Einzug der Kirchensteuer
1,0 Milliarden EuroSie erhalten dann eine Vorstellung davon, was man mit einer solchen Summe anstellen kann.Ich wette mit Ihnen, ich stelle Ihnen locker einen Haushalt auf, der die 750 Mio. Grenze übersteigt, wenn die Politik nur gewillt wäre alle Subventionen an die Kirche, die von migrantischen Mitbürgern gezahlt werden in die Bildung zu stecken.Jeder Bürger zahlt Subventionen an die Kirche allein durch den Steuerverzicht gegenüber kirchlichen Unternehmen und Körperschaften.Sagen Sie nicht, dass die Kirchen stark bei Krankenhäusern, Kindergärten und Schulen engagiert sind. Die Kindergärten fressen nur 7% des Budgets, konfessionelle Schulen werden bis zu 90% vom Staat finanziert gegenüber 70% bei Privatschulen. Krankenhäuser werden fast vollständig unabhängig von kirchlichen Geldern betrieben.Wir wären also schnell alle Finanzprobleme los, wenn wir den Willen hätten umzuverteilen.Im Vereinigten Königreich wird die Entwicklung innovativer Sparprodukte vom Staat finanziert, wo Migranten ihr Geld in die Bildung ihrer Kinder investieren können, was eine Möglichkeit wäre, zusätzlich privates Kapital zu mobilisieren für die Bildungsoffensive. Da kann man auch mehr Geld mobilisieren als 750 Mio.Allein der politische Wille fehlt eben. Erinnern Sie sich am Integrationsgipfel. Die größte Migrantengruppe wurde nicht eingeladen, die russichsprachige Einwanderer und Aussiedler stellt die grösste Gruppe in Deutschland. Vor allem verfügt sie über das Wahlrecht !Das Problem ist also nicht in erster Linie bei den Migranten zu suchen.Warum werden die Frauen aus der Mittelschicht bei der Elternzulage bevorzugt ?Stellen Sie sich vor, wir können mit massiven Infrastrukturinvestitionen in Kindergärten und Ganztagsschulen gerade einmal 1 Mio. zusätzlicher weiblicher Arbeitskräfte mobilisieren.Wenn dieses weibliches Arbeitskräftepotential dann vorwiegend in Teilzeit arbeitet, dann laufen wir in die Falle in die die Niederlande gelaufen ist.Wir schenken der Arbeitgeberseite zwei Teilzeitkräfte statt einer Vollzeitstelle. Das Ergebnis ist, dass zwei Teilzeitkräfte mehr Leistung bringen als eine Vollzeitstelle, dadurch werden personalintensive Wirtschaftsbereiche subventioniert. Investitionen in Hochlohnbereiche werden uninteressanter. Die Lohnentwicklung zeigt trotz Wirtschaftwachstum nach unten.Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie in Talkshows dafür agitiert wurde von der Arbeitgeberseite.Die Gründe dafür sind eben keine rein rationalen Erwägungen, sondern dass man die Anspruchsgruppen bauchpinseln will.mit freundlichen GrüßenHerr ZhaoVernunft ist das Gift des Lebens für die Konservativen. Für den gesunden Menschenverstand ist es ein Pestizid gegen Gesinnungstaten.