Am Abend des 17. Januar 1961 versammelten sich die Amerikaner vor ihren Fernseh- und Radiogeräten, um die Abschiedsworte Präsident Dwight D. Eisenhowers an die Nation zu hören, der nach acht Amtsjahren das Weiße Haus verließ. Doch statt der erwarteten God bless America- Rede vernahmen sie etwas völlig Überraschendes. Zum ersten Mal, so warnte Eisenhower, drohe das Land unter die Dominanz einer mächtigen Allianz aus Militär und Rüstungsindustrie zu geraten. Schon jetzt seien dreieinhalb Millionen Arbeitsplätze von der militärischen Produktion abhängig, und die jährlichen Ausgaben für die nationale Sicherheit überstiegen die Nettoeinnahmen aller amerikanischen Unternehmen. »Der wirtschaftliche, politische, sogar der geistige Einfluss ist in jeder Stadt, in jedem Staatsparlament, in jeder Bundesbehörde zu spüren«, konstatierte der Präsident und mahnte: »Bei unseren politischen Entscheidungen müssen wir vor dem übertriebenen Einfluss des militärisch-industriellen Komplexes auf der Hut sein. Es besteht die Gefahr, dass unkontrollierte Macht desaströse Folgen haben könnte. Wir dürfen nicht zulassen, dass dieser Komplex unsere Freiheit und Demokratie bedroht.«
Was veranlasste Eisenhower zu so drastischen Worten? Immerhin handelte es sich beim 34. Präsidenten der USA um einen ehemaligen Berufssoldaten, der im Zweiten Weltkrieg die alliierten Streitkräfte in Europa kommandiert hatte, danach Stabschef der US-Armee und schließlich Nato-Oberbefehlshaber gewesen war. Seinen überwältigenden Wahlsieg als Kandidat der Republikaner im November 1952 verdankte »Ike«, wie ihn seine Landsleute nannten, vor allem seinem Kriegsruhm; von diesem Präsidenten erhofften sich die Amerikaner Führungsstärke im Kalten Krieg mit der Sowjetunion. Ein solcher Mann wählte seine Worte mit Bedacht, und gern betonte der General, ein Soldat wie er kenne die Schrecken des Krieges und er wisse, dass der nächste Krieg das Ende der Zivilisation bedeuten könne.
In der Tat hatte Eisenhower als Präsident stets eifersüchtig über das Primat der Politik gewacht und, aller antikommunistischen Rhetorik zum Trotz, einen Konfrontationskurs gegen Moskau vermieden. Auch war er fiskalisch ein Konservativer alter Schule, der Haushaltsdefizite verabscheute und übermäßige Verteidigungsausgaben für schädlich hielt. Zu Beginn seiner Amtszeit 1953 hatte er sogar öffentlich geäußert, die Produktion von Waffen sei »Diebstahl an den Hungrigen«. Damals, am Ende des dreijährigen Koreakrieges, verschlang das Militär rund 60 Prozent des Bundeshaushaltes. Im Verlauf seiner Amtszeit gelang es Eisenhower, diese Ausgaben leicht zu senken, vor allem weil die Streitkräfte um mehr als 600000 Soldaten reduziert wurden.
Aber wie war es überhaupt zu der Entwicklung gekommen, vor deren bedrohlichen Folgen Eisenhower so eindringlich warnte? Der Präsident hatte recht, es handelte sich dabei um etwas Neues für Amerika. Denn bis zum Zweiten Weltkrieg – man mag es heute kaum mehr glauben – waren die USA eine zutiefst antimilitaristische Gesellschaft. Zwar wählten die Amerikaner immer wieder höchste Militärs ins höchste Amt, beginnend mit Übervater George Washington, dem im 19. Jahrhundert die Generäle Zachary Taylor (1849 bis 1850) und Ulysses S. Grant (1869 bis 1877) folgten. Doch änderte dies nichts am Primat der Politik und am ausgeprägten Misstrauen gegen ein zu mächtiges Militär.
Bis ins 20. Jahrhundert hinein gelten Militärausgaben als Geldverschwendung
Stehende Heere galten seit den blutigen Gründungstagen der Nation als Werkzeuge königlicher Tyrannen. Die USA unterhielten in Friedenszeiten nie mehr als eine kleine Armee von wenigen Zehntausend Mann und eine Flotte zum Schutz des Überseehandels. Im Kriegsfall wurden die Reihen mit Freiwilligen aufgefüllt. Die Wehrpflicht war ein unpopuläres, letztes Mittel, das vor 1940 nur kurzfristig im Bürgerkrieg und im Ersten Weltkrieg Anwendung fand. Zudem scheuten die Amerikaner die hohen Kosten für das Militär, die als Verschwendung angesehen wurden, weil man keinen äußeren Feind fürchten musste.
Auch die Wirtschaft bevorzugte die zivile Produktion für den Massenkonsum. Nicht einmal die Schwerindustrie zeigte sich sonderlich am Militär interessiert. Der Stahlbaron Andrew Carnegie zum Beispiel war ein erklärter Pazifist und großzügiger Förderer der 1899 gegründeten Antiimperialistischen Liga. Im Ersten Weltkrieg stampfte die Industrie zwar in Windeseile eine gigantische Rüstungsproduktion aus dem Boden, die aber nach dem Krieg sofort wieder eingestellt wurde. In den zwanziger Jahren schritten die USA bei den Bemühungen um eine internationale Abrüstung voraus; zugleich erlebte im Land der Pazifismus eine Blütezeit. Das Misstrauen gegen das Militär und die Industrie war so groß, dass der Kongress Mitte der dreißiger Jahre eine spektakuläre Untersuchung durchführte, ob eine Verschwörung der Waffenproduzenten das Land in den Ersten Weltkrieg getrieben hatte. Obwohl es dafür keine Beweise gab, verabschiedeten die Abgeordneten rigide Neutralitätsgesetze, die Präsident Franklin D. Roosevelt gegenüber Nazideutschland zunächst die Hände banden.
Kommentare
Wer gegen den MI-Komplex demonstriert lebt gefährlich!
Auf einer Massendemonstration gegen den Irak-Krieg in St. Paul wurden 250 Demonstranten in einem Park zusammengepfercht, verprügelt und verhaftet. Die Journalisten gleich mit.http://usacontrol.wordpre..._______________________________________________________
Die Interessen der ZEIT:
http://www.mein-parteibuc...
Was derzeit wirklich passiert:
http://www.pelastop.de/20...
Treffender Satz
"nur noch militärische Antworten auf äußerst komplexe diplomatische und politische Probleme"Sehen wir das nicht im Irak und Afghanistan wo man einen gnadenlosen Bombenkrieg führt und Terror mit noch mehr Terror versucht zu bekämpfen?Man kann nur hoffen das diese exorbitanten Ausgaben der USA den Rücken brechen.
DANKE für diesen Artikel
Danke für diesen schönen Artikel, insbesondere für den Hinweis darauf, daß die USA nicht von Geburt an ein so agressives und bellizistisches Land waren wie heute.
Woraus ich den optimistischen Schluß ziehen würde, daß sich dieser Wandel womöglich auch wieder rückgängig machen läßt. Die Selbstauflösung der Sowjetunion 1991 hätte ja fünf Jahre davor auch noch keiner für möglich gehalten.
Sehr guter Artikel!
Das habe ich nicht gewusst, daß selbst Eisenhower (!) vor den Gefahren des militärisch-industriellen Komplexes gewarnt hat. Was er wohl zu US-Vizepräsident Dick Cheney, dem früheren Vorstandsmitglied bei Halliburton und dem Rest der Verbrecherbande, äh, Administration sagen würde? Immerhin war Eisenhower noch selber im Krieg... Heute sind die Verbindungen der Rüstungsindustrie mit der Politik in den USA so offensichtlich, daß ich mich frage, warum sich so wenig Widerstand dagegen bildet. Vermutlich hat auch hier der Autor Recht, wenn er meint die kulturellen und politischen Auswirkungen dieser Verstrickung seinen schlimmer als als die wirtschaftlichen. Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing!----------------------------------------------------------------
"Die Bürokratie wurde geschaffen, um die Bedürfnisse der Bürokratie zu stillen."
ARTE Dokumentation über die Eisenhover Rede usw..
ARTE und der US Militär Komplex, vor dem der US Präsident Eisenhover schon warnte.http://video.google.com/g...Heute muss man das Ganze noch ergänzen, das es zum Geschäft gehört, das die Politischen Strukturen in Deutschland deshalb so gerne bei den Kriegs Spielen mitmachen, weil man gezielt die Aufbau Hilfe in Milliarden Höhe unterschlägt und umleitet. Wo sind nur die 33 Milliarden € vom Aufbau des Kosovo? usw..