Glaubwürdigkeit sei ihr Erfolgsgeheimnis, hat Elke Heidenreich mal stolz behauptet. Wenn es ihr damit wirklich ernst war, hätte sie mit ihrer Literatursendung Lesen! auch ohne das Rauswurf-Tamtam der letzten Tage am 1. Januar 2009 aufhören müssen. Denn im neuen Jahr wird aus der Moderatorin die Verlegerin Elke Heidenreich; unter dem Dach der Verlagsgruppe Random House wird sie im Elke-Heidenreich-Verlag Bücher zum Thema Musik herausbringen. Wie wollte sie da noch unabhängig andere Bücher empfehlen?
Schon bislang hatte die Sendung damit zu kämpfen, dass sie mitunter wie ein Büttel der deutschen Verlage wirkte. Pflichtschuldigst sind denn auch die wichtigsten Verleger ihrer Propagandistin in einem offenen Brief beigesprungen, haben ihre Wiedereinstellung gefordert und in schönster Offenheit geschrieben, was Lesen! eigentlich war: ein "wichtiger Umsatzverstärker" – auf Deutsch also eine kostenlose Werbesendung. Den Brief hat übrigens auch Klaus Eck unterschrieben, der Geschäftsführer von Random House.
Hat Elke Heidenreich das unabwendbare Ende ihrer Sendung also nur vorgezogen und mit einem schönen Feuerwerk in eigener Sache versehen? Was soll man von der Glaubwürdigkeit einer Lautsprecherin halten, die Thomas Gottschalk erst in ihre Weihnachtssendung einlädt und ihn dann öffentlich niedermacht? Die die Gala zur Verleihung des Deutschen Fernsehpreises als "endlosen Unsinn" bezeichnet, nachdem sie dort die wichtigste Rede, nämlich die auf Marcel Reich-Ranicki, nicht halten durfte? Die sich nun als heilige Johanna der Hochkultur inszeniert, in ihrer Sendung und ihren Texten aber oft genug einen veritablen Anti-Intellektualismus pflegte?
Mit starken Worten nimmt Elke Heidenreich für sich in Anspruch, das richtige Fernsehen für intelligente Leute zu machen. Im Namen vieler ernsthafter Leser und guter Autoren muss hier einmal festgestellt werden: Uns kann sie mit ihrer Sendung nicht gemeint haben! Wir wollten uns ihrem Imperativ nie beugen; der Trompetenton, mit dem sie neben vielen Schmökern auch manche echte Entdeckung ankündigte, tut auf Dauer in den Ohren weh. Soll sie weiterhin Lanzen brechen für Bücher, die ihr gefallen – aber bitte nicht so tun, als träte sie für etwas Größeres ein als ihren eigenen Geschmack. Letztlich war auch ihre Sendung nichts anderes als eine jener "Prominentenshows", von denen sie angeblich selbst die Nase so voll hat. Wer aber Campino, Günther Jauch oder Iris Berben zum Gespräch über Bücher einlädt, will bloß den Quoten-Rahm der Prominenz abschöpfen.
Hier liegt der Kern der Debatte: Wie lassen sich Bücher, wie lässt sich Kultur angemessen im Fernsehen präsentieren? Unter dem selbst auferlegten Quoten-Joch versuchen die öffentlich-rechtlichen Sender, Kultur auch jenen schmackhaft zu machen, die sich dafür nicht interessieren. Heraus kommen zwitterhafte Sendungen, die die überschaubare Anzahl überzeugter Theatergänger, Leseratten, Musikliebhaber vor den Kopf stoßen und den Rest trotzdem kaltlassen. Beide Gruppen haben das Recht, auf ihrem Niveau angesprochen zu werden. Es unternimmt ja auch niemand den Versuch, eine Fußballsendung für Fußballverächter zu machen, in der Elke Heidenreich das Abseits erklärt. Nach dem idealen Format für Literatur im Fernsehen wird also noch gesucht. Platz dafür ist ja jetzt da.
Kommentare
Sind Heidenreichs Kollegen nur Feiglinge oder keine Demokraten?
Peter Sodann, der Präsidentschaftskandidat der Linkspartei, erntete kürzlich viel Protest mit seiner Äußerung, in Deutschland herrsche keine echte Meinungsfreiheit: In der DDR habe man seine Vorgesetzten und Chefs kritisieren dürfen, aber nicht die Regierung, in der heutigen Bundesrepublik sei es umgekehrt.
Die Sodann-Kritiker hatten sich noch nicht beruhigt, da gab das ZDF dem linken Schauspieler Recht: Es bürgerte Elke Heidenreich nicht weniger rigoros aus seinem Programm aus als die DDR 1976 Wolf Biermann.
Anders als im Fall Biermann, mit dem sich viele Kollegen solidarisch erklärten und damit ihre Karriere riskierten, finden sich bei Elke Heidenreich kaum Journalisten, die sich - gefahrlos - für ihre Meinungsfreiheit einsetzen.
Dabei ist es vollkommen egal, was Elke Heidenreich für eine Sendung macht. Es ist wurscht, ob man sie mag oder nicht. Oder welchen scheinbaren oder echten Zwängen die TV-Sender ausgesetzt sind.
Es geht darum, dass man in diesem Land seine Existenz verliert, wenn man ehrlich seine Meinung sagt. Es geht darum, dass Peter Sodann Recht hat und es keinen interessiert.
Helden, überall!
Man mag über Frau Heidenreichs Sendung denken was man will. Man mag ihren Stil nicht mögen. Die Auswahl ihrer Gäste ist sicher oft fragwürdig gewesen. Ob ihr Verhalten im Rahmen des "MRR-Eklats" sehr glücklich war, das kann man bezweifeln. Aber es ist schon sehr merkwürdig, wie jetzt ein ganzer Haufen "Mutiger" auf sie eindrischt, frei nach Nietzsches Devise "Was fällt , das soll man auch noch stoßen". Während unzählige Möchtegerns sich als "Nachfolger" ins Gespräch bringen möchten, entblöden sich merkwürdig viele durch hämisches Nachtreten. Nicht sehr beeindruckend! Der Zirkus ist vorbei. Die ganze Diskussion um die fernsehmediale Volksverdummung hat das Ende einer Literatursendung zur Folge (oder sie zumindest vorgezogen). Das Fernsehen wird sich deshalb nicht ändern (zum Positiven wenigstens nicht). Damit sollte man es dann auch belassen.
Trompeten
Natürlich ist es nicht nett, jemandem hinterherzutreten, der schon im Fallen ist.
Aber eben jene Trittbrettfahrerei ist mir bei Frau Heidenreich im Zusammenhang mit MRR ziemlich deutlich sauer aufgestoßen.
Insgesamt finde ich sie wirklich nicht sehr glaubwürdig, wenn Sie einen Wimpernschlag nach MRRs großer Fernsehschelte bei TTT mit riesigem Bohei erzählt, dass
a) das ja alles mal ganz dringend gesagt werden musste,
b) sie das sowieso überhaupt alles genauso sieht,
c) das Fernsehen wirklich Mist wäre
und dann noch ein peinlich überzeichnet wagemutiges "auch auf die Gefahr, dass man mich jetzt rauswirft" hinterherschickt.
Das sagt keiner, der um seine Existenz fürchtet.
Irgendwie riecht das tatsächlich mehr nach großer PR. Der Rummel ist beachtlich. Der Zirkus eher nicht vorbei.
Der "Artikel" von Herrn
Der "Artikel" von Herrn Siemes ist leider nicht das Papier/die Bandbreite wert, auf dem er erschienen ist. Ich muß betonen: Leider.
Warum nicht?
Herr Siemes stellt hier (wissentlich?) Behauptungen auf, die einer Verleumdung nahekommen, da sie entweder so nicht zutreffen oder schon seit Monaten (!) veraltet sind: Das ist schlechtester Journalismus und der "Welt" eigentlich nicht gebührend.
Ich führ nur ein Beispiel an. Herr Siemes mokiert sich in dem vorliegenden Beitrag über Frau Heidenreichs Tätigkeit als Verlegerin in der Gruppe "Random House". Diese Pläne allerdings wurden schon seit über einem halben Jahr (!) von Frau Heidenreich selbst aufgegeben, da sie hier einen Konflikt zwischen Ihrer Tätigkeit beim ZDF und ihrer geplanten Tätigkeit als Herausgeberin der Ramdom house Gruppe aufkeimen sah.
Schon damals ging anläßlich der Pressemitteilung zur Aufgabe der geplanten Herausgeber-Tätigkeit ein "Oh" und "Weh" durch die Presse. Herr Siemes muß also damals geschlafen haben, daß er mit solch' ollen Kamellen jetzt hier ankommt.
Es gibt eben immer Trittbrettfahrer, dei sich auf Kosten Dritter versuchen zu profilieren. Auch, wenn ihre Nachrichten schon seit einem halben jahr veraltet sind, gelle, Herr Siemes?
Guter Journalismus, der Sache dienlich, ist dies allemal nicht. Schade.
Ein Insider.
Kleine Korrektur
Naja, dem "Insider" ist die Mitteilung des Börsenblatts vom 09. Juni 2008 bekannt? Das sind gerade einmal 5 Monate und kann daher nicht mit Ihrer Aussage korrespondieren. Ausdrücklich offiziell widersprochen wurde dem übrigens nicht
Im übrigen sind die Verflechtungen von Frau Heidenreich mit Random House auf dessen Webseite zahlreich zu bewundern.