Rettet die weltweite Wirtschaftskrise die deutsche Schulkultur? Vielleicht – wenn eine Idee des baden-württembergischen Kultusministers Helmut Rau Wirklichkeit wird. Er schlägt vor, die in Aussicht gestellte Konjunkturspritze für die Bildung vornehmlich einem Zweck zu widmen: jedem Lehrer in der Schule einen Arbeitsplatz einzurichten.
Denn daran mangelt es. Unsere Pädagogen dürfen im Schnitt gerade einmal einen Quadratmeter Tischplatte im Lehrerzimmer ihr Eigen nennen. Auf dem Viereck stapeln sich Bücher und Hefte, Elternbriefe und Kopien für die nächste Klausur. An ein ruhiges Arbeiten ist überhaupt nicht zu denken. Im selben Raum sitzen meist zwei Dutzend andere Kollegen, die reden und rascheln, auf Tastaturen hacken oder sich vernehmlich über den neusten Reformvorschlag der Schulbehörden aufregen.
Wer will es Lehrern da verdenken, dass viele von ihnen nach der letzten Stunde das Weite suchen, um den Rest des Arbeitstages zu Hause zu verbringen? Klassenarbeiten korrigieren, den Unterricht vorbereiten, Zeugnisse schreiben: All dies erledigt die Lehrerschaft am liebsten am heimischen Schreibtisch. Doch die Massenflucht nach Unterrichtsschluss hat negative Folgen. Sie erschwert den Kontakt zu Eltern und Schülern, befördert aufseiten der Lehrer Isolation und Einzelkämpfertum und hemmt die Schulentwicklung. Dass der Unterricht selbst in vielen Ganztagsschulen bereits mittags endet, liegt auch daran, dass nur ein Teil der Lehrer freiwillig bis zum späten Nachmittag bleiben will.
Steckte man die für Bildung vorgesehene Summe – Bundesministerin Annette Schavan fordert 100.000 Euro pro Schule – in den Ausbau moderner Lehrerarbeitsplätze, hätte dies viele Vorteile. Zum einen könnte das Geld relativ rasch ausgegeben und so konjunkturwirksam eingesetzt werden. Regale, Schreibtische und Stühle sind schnell gekauft; Computer und eine WLAN-Verbindung ins Internet lassen sich leicht installieren. Auch die Anschaffung einer guten Espressomaschine bedarf keiner europaweiten Ausschreibung. Von den notwendigen Umbauarbeiten profitierten zum anderen die heimischen Handwerker. In der einen Schule würden sie Trennwände ziehen, in der anderen aus mehreren Klassenzimmern Großraumbüros machen. Die zurückgehenden Schülerzahlen eröffnen neue innenarchitektonische Freiheiten.
Den größten Anschub jedoch würden die Investitionen für die pädagogische Qualität liefern. Mehr Lehrer, so steht zu hoffen, würden ihren Unterricht gemeinsam vorbereiten, die Pädagogen fühlten sich stärker verantwortlich für die Schule als Ganzes. Auch Neuerungen lassen sich besser im Schulalltag verankern, wenn sich die Kollegen nicht nur in zu kurzen Pausen oder zu langen Konferenzen sehen.
Allerdings dürfte sich nicht jeder Lehrer über den neuen Arbeitsplatz und den damit verbundenen Präsenzdruck freuen. Viele von ihnen möchten das Privileg nicht missen, den Nachmittag freier als andere Arbeitnehmer gestalten zu dürfen. Doch auf dieses Vorrecht wird man langfristig keine Rücksicht nehmen können. Die Zeit der Halbtagsschule ist endgültig vorbei – für Schüler wie für Lehrer.
Kommentare
Recht auf Ruhe?
Was soll denn diese Überschrift? Lehrer haben einen Anspruch auf einen ordentlichen Arbeitsplatz.
In Berlin hat ein Bundesbeamter die Arbeit mit Erfolg verweigert, dem die Fluchttreppe ein paar Zentimeter zu schmal war. Lehrer arbeiten dagegen in asbestverseuchten, zugigen Bruchbuden in die es hineinregnet, an einem Arbeitsplatz der kleiner ist als ein Kinderschreibtisch.
Ein Umstand der übrigens ein erbärmliches Licht auf ihre Interessenvertretung wirft.
Difficile est satiram scribere
Herr Spiewack gibt sich empathisch, ist in Wirklichkeit aber voller Herablassung. Was will er eigentlich? Was will der Text? Ist es eine Satire? Ist es ein Appell?
Eins will er auf jeden Fall: mal wieder auf die faulen Säcke einschlagen Stärkt die Muskulatur - auch die des Gehirns?
Es braucht ja nur - sagen wir mal: 100000 Euro pro Schule (Frau Schawan), ein paar geschickte Handwerker (Technik- und Kunstlehrer?), einen Raumplan (Schulleitung, Kunstlehrer, Mathelehrer für die Statik?), eine gewisse Bereitschaft zur Mitarbeit (Sportlehrer als Konditionstrainer?) - und schon sind die Gipswände aufgestellt, die Böden und die Leitungen verlegt (Physiklehrer?), die Schreibtische gebastelt, die Ikealampen zusammengesteckt und die Computer und Drucker vom Müll geholt (Philosophielehrer?). Die Inauguration lässt sich der Presse verkaufen (Schulleiter, Bezirksdirektor, die Herren Spiewack und Kahl?), und das Lehrpersonal ist endlich ruhig gestellt. Endlich jammern sie nicht mehr, die Pauker!
Alle Pauker? Nein! Es soll noch welche geben, die sich in den Nischen rumdrücken, die tatsächlich meinen, dass ein steuerlich abzusetzendes Arbeitszimmer mit gut ausgestatteter häuslicher Bibliothek den Lehrern und deren Schülern besser bekommt als ein Großraumbüro aus Sperrmüll, die meinen, dass Zusammenarbeit zwar gut und schön ist, aber die einzelnen Lehrern nicht davon dispensiert, selber nachzuforschen und selber zu denken. Wirklich. Soll es geben! Immer noch!Diese Egomanen! Diese faulen Säcke!
Warum so negativ?
Ich finde die Forderung nach Arbeitsplätzen für Lehrer durchaus richtig und sehe in dem Artikel keine Satire. Da meine Mutter Grundschullehrerin ist, weiß ich, dass (aufgrund der ständigen Kritik und seltener Anerkennung) sich Lehrer sehr schnell angegriffen fühlen, manchmal aber eben zu unrecht.
Wie im Artikel erwähnt, ist es Normalzustand in den meisten Schulen, dass nur das Lehrerzimmer mit ständigem Trubel oder Klassenzimmer zur Verfügung stehen. Die gemeinsame Vorbereitung von Lehrern ist aber durchaus sinnvoll und wird durch diese Situation erschwert. Niemand spricht von Sperrmüll-Großraumbüro, es sollte nicht allzu schwierig sein, die Arbeitsplätze ordentlich auszustatten. Wenn man möchte, dass Lehrer sich einige bewährte Arbeitsweisen wie zB Teamarbeit aus der freien Wirtschaft abschauen, dann muss man auch gleiche Gegebenheiten schaffen (in Firmen sitzt niemand auf so alten Holzstühlen, wie man sie in manchen Lehrerzimmern findet).
In England habe ich selbst erlebt, wie der Lehrer in seinem Arbeitsraum an der Schule auch nachmittags für die Schüler erreichbar ist, in Deutschland ist das meist nicht möglich.
Klausuren korrigieren und Zeugnisse schreiben kann ja immer noch zu Hause erledigt werden und es gibt sicherlich viele Lehrer, die dort lieber arbeiten und gute Arbeit leisten.
Alternativ
könnte man auch einmal einen Blick über den großen Teich werfen. Ich gehöre zwar normalerweise nicht zu denjenigen, die das amerikanische Bildungssystem loben, doch habe ich während meines Aufenthaltes als Austauschschüler zumindest eine vorteilhafte Einrichtung beobachten können:
Jeder Lehrer hat einen eigenen, nur ihm zugewiesenen Klassenraum, wo ihm ein Schreibtisch zur Verfügung steht und den er ausgestalten kann, wie er es für richtig hält. Das bedeutete natürlich, dass die Schüler jede Unterrichtsstunde den Klassenraum wechseln müssen, was aber jetzt auch schon fast überall der Fall ist.
Natürlich gäbe es bei stark raumgebundenen Fächern wie Physik oder Chemie möglicherweise Probleme, doch kännte das amerikanische System, wie ich es beschrieben habe, als Denkansatz dienen.
Im Endeffekt kommt es aber insbesondere im Lehrerberuf, und ich spreche nicht als insider, darauf an, dass die Leute motiviert sind und auf die Art und Weise arbeiten können, die ihnen am meisten zusagt, um den jungen Menschen das größtmögliche Wissen zu übermitteln.
Berechtigt
Eine völlig berechtigte Forderung. Insbesondere da ja genug von Mobbing und Frustbewältigung auf KOsten der Kollegen gehört wird. Ich stelle mir das schwer vor, erst die Kinder und dann noch zwischen Tür und Angel Pause machen. In Zeiten wo jeder Sach! bearbeiter hinter Trennwänden oder kleinen Büros arbeiten kann, sollte ein "Menschenbearbeiter" zumindest in Pausen ein wenig Ruhe finden können.