Schellnhuber: Diese Frage haben mir führende Politiker öfter gestellt. Nun, die Chance, dass das gesamte Wissenschaftssystem hier irrt, liegt wohl unter einem Prozent. Aber beim Lotto sind die Gewinnaussichten noch geringer.
ZEIT: Die sogenannten Klimaskeptiker werden sich wahrscheinlich freuen, wenn sie hören, dass jemand wie Sie auf den Irrtum der eigenen Forschung hofft.
Schellnhuber: Es gehört zum Grundethos des Wissenschaftlers, die eigenen Ergebnisse und die der Kollegen ständig infrage zu stellen. Diejenigen, die den menschengemachten Klimawandel leugnen, können sich dagegen nicht einmal vorstellen, dass sie irren. Ich kann es nicht mehr hören, wenn sie beispielsweise sagen, früher habe es hier oder dort auch schon Episoden gegeben, in denen es ungewöhnlich warm war.
ZEIT: Antworten Sie doch trotzdem noch mal darauf.
Schellnhuber: Da heißt es dann auch gerne, Hannibal ist im Kampf gegen die Römer mit seinen Elefanten über die Alpen marschiert, als Beweis, dass dieses Gebirge damals schneefrei war. Die Sache ist aber ganz einfach: Es wird global mit regional verwechselt. Es gab natürlich räumlich begrenzte Erwärmungsphänomene, wie etwa das mittelalterliche Klima-Optimum in Europa, das seinen Beitrag zur Blüte der romanischen Kultur geleistet hat. Es gab kleine Eiszeiten, die mit den Aktivitäten der Sonne oder von Vulkanen zusammenhingen. Aber entscheidend ist nun mal die globale Mitteltemperatur. Und da geht der Trend in einer Weise nach oben, dass nur der Mensch als entscheidender Einflussfaktor übrigbleibt.
ZEIT: Und auch vereinfacht gesagt: Je wärmer es wird, desto mehr Energie ist im System?
Schellnhuber: Ja, mit entsprechenden Folgen: Unsere Welt scheint auf fast unheimliche Weise "wohltemperiert" zu sein. Die Durchschnittstemperaturen in Zonen, wo heute tropische Regenwälder existieren, liegen beispielsweise bei 25 bis 26 Grad. Man kann davon ausgehen, dass diese Ökosysteme bei Temperaturen über 28 Grad kollabieren würden. Das heißt: Schon ein relativ geringer Temperaturanstieg würde hier einen Ökozid herbeiführen – mit selbstverstärkenden Rückwirkungen auf das Weltklima, wegen der zusätzlichen Emissionen aus der verrottenden Biomasse. 27 bis 28 Grad ist übrigens auch die Temperatur der Meeresoberfläche, bei der sich Hurrikane bilden, das heißt, wir haben es hier offenbar mit einem wichtigen Grenzbereich im planetarischen System zu tun. Noch bestürzender ist vielleicht die "Globalisierung der Kausalbeziehungen" beim Klimawandel: China kann mit seinen rasant wachsenden CO 2 -Emissionen aus Kohlekraftwerken den Amazonaswald zum Kippen bringen, der europäische Straßenverkehr zum Auftauen der sibirischen Permafrostböden beitragen – und so weiter. Hiermit umzugehen schafft eine in der menschlichen Geschichte einmalige Herausforderung.
ZEIT: Könnte die Atomenergie eine Hoffnung sein?
Schellnhuber: Ich halte die Diskussion um die Atomkraft für eine Scheindiskussion, und zwar von beiden Seiten, von den Gegnern wie den Befürwortern. Die Atomkraft wird sicher keine pauschale Lösung für das weltweite Klimaproblem liefern, dazu sind ihre Möglichkeiten viel zu begrenzt, und ein dramatischer Ausbau von Atommeilern wäre außerordentlich kostspielig. Andererseits kann die Atomenergie, wenn man sie allein aus Klimaschutzsicht betrachtet, eine temporäre Brückenfunktion übernehmen. Ob man allerdings die damit verbundenen Risiken und Nebenwirkungen akzeptieren möchte, ist eine rein politische Entscheidung.
ZEIT: Wir hatten eben von Ihrer persönlichen Grenze gesprochen, wann Sie aussteigen müssten aus der Politikberatung. Wie auch immer, die Wissenschaft hat letztlich in dieser Situation eine Schlüsselposition. Haben Sie manchmal Angst davor, sich schuldig zu machen als Wissenschaftler? Im Stile eines Robert Oppenheimer, des Vaters der Atombombe?
Schellnhuber: Oppenheimer war ein eigenartiger Mensch, dessen Dilemma darin bestand, dass er, im Gegensatz etwa zu Einstein, nur "fast genial" war. Im Manhattan Project…
ZEIT: …dem Atombomben-Projekt im Kampf gegen die Nazis…
Schellnhuber: …fand er auf gewisse Weise seine Erfüllung, weil er ein glänzender Logistiker war und äußerst charismatisch. Über seinen Charakter wird immer noch gerätselt – vielleicht hat er sich in der Rolle als "Zerstörer der Welt" auch irgendwie gefallen. Nein, die wirklich tragische Figur war Albert Einstein, der jeden Rassismus und Nationalismus zutiefst verabscheute, durchdrungen von einer pazifistischen Grundhaltung. Und der dennoch mit seiner Forderung nach dem Manhattan Project der entscheidende Wegbereiter für die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki war. Eine große griechische Tragödie, die die Frage stellt: Wann wird ein Wissenschaftler politisch, und wann übernimmt er eine Verantwortung, die er eigentlich gar nicht schultern kann?
ZEIT: Worin könnte die Tragik eines Klimaforschers liegen?
Kommentare
"planetarische Machinerie"
Ein entscheidender Fehler mechanistisch geprägter Wissenschaftler ist, die Erde nicht als Lebewesen zu begreifen. Es bringt nichts, wenn der einzige emotionale Bezug zur Zukunft des Planeten der kleine eigene Sohn ist und nicht die Mutter Erde selbst - das ist kurzsichtiger und dummer Egoismus. Den Hinweis auf Selbstregulierungs"mechanismen" bringt Schellhuber aber selbst. Inhaltlich möchte ich noch hinzfügen: Wasserdampf ist das bilanzstärkste Treibhausgas - die Wechselwirkungen mit anderen Gasen, vor allem CO2 sollten erhellt und veröffentlicht werden. Schliesslich muss das Nachhaltigketsprinzip wirklich Prinzip werden - es muß alle Lebensbereiche erfassen. Hier insbesondere die Drahtlostechnologien. Die Temperaturanstiege der letzten hundert Jahre korellieren mit den Verbreitungsschüben von drahtloser Technik. Unmengen Energie werden so abgestrahlt ohne daß jemand daran denkt wo und wie diese Energie in unserer Atmosphäre absorbiert wird und was damit geschieht. Abgesehen davon sind Tiere betroffen und nicht zuletzt die Erde selbst. Ich fordere eine Minimierung der Emissionen: räumlich, zeitlich und leistungsbezogen (vgl. russische Grenzwerte).
Fakten
Es geht nicht um Emotionen, sondern um Fakten.
Viele Fakten sind bekannt:
1.) CO2 und noch deutlich stärker Methan sowie einige andere Gase in der Atmosphäre sorgen dafür, dass weniger von der langwelligen Wärmestrahlung, die nach Auftreffen auf der Erdoberfläche aus der Sonneneinstrahlung entsteht, ins Weltall zurückgestrahlt wird, sondern in der Atmosphäre sich verteilt. Ganz ohne diese Gase in der Atmosphäre wäre dieser Planet ziemlich kalt (dafür muss schlicht das Strahlungsgleichgewicht zwischen Sonneneinstrahlung und Erdabstrahlung ausgerechnet werden, die elektromagnetische Strahlung unserer Zivilisation liegt um mindestens 5 bis 6 Zehnergrößenordnungen darunter, das ist vernachlässigbar), mit zuviel davon wird er ziemlich warm, was viele Ökosysteme auf diesem Planeten verändern, den Meeresspiegel steigen und die Wüsten größer werden lässt.
2.) Es gibt Effekte, die das Klima regulieren. Das Weltklima ist zu einem hohen Grad ein selbstregulierendes, sich innerhalb gewisser Grenzen stabilisierendes System (gibt es etwas mehr CO2, wachsen Pflanzen etwas besser und nehmen das zusätzliche CO2 auf usw.). Diese Regulationsmechanismen sind teilweise bekannt, teilweise unvollständig erfasst (da könnte halt die Hoffnung auf Irrtum begründet liegen).
Diese Regelkreisläufe (soweit erforscht) können nur ein begrenztes Maß an Veränderung abfedern und bei zu starker Beanspruchung sogar zerstört werden.
3.) Es gibt andere Effekte, die den Klimawandel verstärken, wenn eine bestimmte Grenztemperatur überschritten wird, so dass sich dann der Wandel beschleunigt. Der bekannteste Effekt ist das auftauen von Permafrostböden, die dann Klimagase, insbesondere Methan, freisetzten.
Soweit die Fakten, ganz ohne Esoterik, Naturreligionen oder was auch immer.
Nun stellt sich die Frage, was daraus gefolgert werden muss:
1.) Die Emissionen an Treibhausgasen müssen schnellst möglich gesenkt werden. Dies verhindert zwar nicht mehr den Klimawandel, dämpft aber den Effekt.
2.) Es müssen aus Gründen der Dringlichkeit alle verfügbaren und zumutbaren (die Rückkehr zur Agrargesellschaft würde zwar recht effektiv die Emissionen begrenzen, aber eine Rückkehr ins Mittelalter wäre wohl keine vermittelbare Lösung) Ansätze zugleich gewählt werden: Energieeffizienz bei Gebäuden, Kühlgeräten, Industrieprozessen, Verkehr,...), CO2-freie Energieträger nutzen, die Landwirtschaft methanärmer gestalten (weniger Fleisch), Renaturierung von Landschaften,... und
3.) Und auch endlich eine effiziente Familienplanung in den Ländern der "Dritten Welt" (leider hat Bendikt XVI. uns hier ja einen Bärendienst erwiesen). Bei rasant steigender Weltbevölkerung ist eine merkliche Reduktion auf Dauer nicht möglich.
Hierbei kommt den bevölkerungsreichsten Ländern, Indien, China, Brasilien, Indonesien usw. natürlich eine Schlüsselrolle zu. Wir als Industriestaaten können nur einen beschränkten Beitrag leisten.
Wenn wir in Deutschland z.B. unsere Kühlschränke alle um eine Energieeffizienzklasse verbessern, ginge es von irgendwo zwischen Effizienklasse A und B, nach irgendwo zwischen A+ und A. In Indien hätten wir vermutlich zehnmal mehr Geräte und der Effekt pro Gerät wäre selbst bei einem Tausch in die an sich schon sehr schlechte Effizienzklasse B hinein deutlich größer. Anders ausgedrückt: Pro investiertem Euro erreichen wir in Indien fünf- bis zehnmal mehr als in Deutschland.
Das spricht zunächst dafür vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländer zu investieren - solche Ansätze sind im Rahmen des Emissionshandels übrigens als Clean Developement Mechanism anrechenbar.
Aber natürlich müssen wir als Vorbilder auch vorangehen.
Hauptproblem für eine saubere Entwicklung ist freilich, dass irgendwo die Gelder herkommen müssen, indische Unterschichtler können sich kaum einen effizienten Kühlschrank leisten (da muss das 30-jährige Familienerbstück der Effizienzklasse H noch 20 Jahre weiter rattern).
Das war bislang das - scheinbar so triviale - Problem.
Nun, wenn ich mir anschaue, wieviel Geld zu AIG, HypoRealEstate usw. geflossen ist, dann scheint mir das freilich lösbar, wie sagte Greenpeace so schön "Wäre das Klima eine Bank, so hättet ihr es längst gerettet".
Wie gesagt, alles simple Fakten.
Es gibt für die Welt keine Klimakatastrophen.
Es gibt sie nur für die Menschen. Die Erde, so wie ich das glaube zu wissen, hat immer mit den fatalsten Zuständen aus des Menschen Sicht zurechtkommen müssen und sie hat das ohne Wehklagen getan. Mal gab es Eis auf der Erde, dann gab es wieder keines. Zweidrittel der Erdgeschichte war diese Erde absolut eisfrei.
Für die menschen mag es eine Katastrophe sein, wenn das Klima nicht funktioniert wie in der eigenen Wohnung, der Erde selbst ist es schnurzpipelegal.
Herzlichst
Auf ein Wort / Orpheus
PS Diese " Klimakatastrophe wird auch als Knebel benutzt, für den Zugang zu unser aller Geld.
Wenn sie sich mal mehr beschäftigen würden ,
käme vielleicht mal mehr dabei raus ausser Pauschalitäten .
An oberflächlicher Einseitigkeit nicht zu überbieten , recherchieren Sie mal ordentlich , dann würden Sie sich an einige Thesen nicht mehr heranwagen , weil die Unrelevanz einiger Klimaskeptikerargumente (trotz gelegentlicher Zustimmung vor allem hinsichtlich der teilweise peinlichen medialen Stimmungsmache!!) geradezu unglaublich ist .
Leider
wird ein wesentlicher Punkt in dem Interview überhaupt nicht erwähnt, nämlich das nach wie vor ungebremste Wachstum der Weltbevölkerung. Solange man dieses nicht in den Griff bekommt, sind auf Dauer alle Maßnahmen in Punkto Umwelt- und Klimaschutz sinnlos. Leider gilt es in Deutschland nicht als politisch korrekt dieses Thema anzusprechen, da es ja hauptsächlich den außereuropäischen Raum betrifft.
hellseher
immer wieder amüsant, wie die selbsternannten "klimafolgenforscher" sich zu solchen aussagen wie "Man kann davon ausgehen, dass diese Ökosysteme [der Tropen] bei Temperaturen über 28 Grad kollabieren würden." hinreißen lassen. Der studierte Mathematiker und Physiker will uns also weißmachen, dass er nicht nur sämtliche Komponenten des Klimas und deren Funktionsweisen verstanden hat, sondern dass er auch noch ein allwissender Ökowissenschaftler ist. Wer sich mal intensiv mit der Primärliteratur in den einschlägigen wissenschaftlichen Ökologie-Journals befasst wird bemerken, dass die wissenschaftliche Gemeinde hier noch sehr weit von eindeutigen Aussagen entfernt ist. Zumal die meisten intakten Ökosysteme der Tropen sich im vergleich zur postulierten Klimaerwärmung von ein oder zwei °C in den nächsten 50-100 Jahren einer ungleich höheren Gefährdung durch Bevölkerungswachstum in den nächsten 20 oder 30 Jahren ausgesetzt sehen.