Selten gibt es in der Bildungspolitik so gute Nachrichten: Innerhalb von vier Jahren erhöhte Bundesbildungsministerin Annette Schavan ( CDU ) die Ausgaben für die Förderung begabter Studenten von rund 80 Millionen Euro jährlich auf stattliche 132 Millionen – eine Steigerung um mehr als 60 Prozent. Das Geld dient einem hehren Ziel: Engagierte junge Menschen werden damit gefördert, sie gehören zu den Besten ihres Fachs.
Nun allerdings wird die Euphorie von einer aktuellen Studie gestört. Erstmals untersuchten Forscher des angesehenen Hochschul-Informations-Systems (HIS) die soziale Herkunft der rund 20.000 Stipendiaten der Begabtenförderungswerke. Das Ergebnis: Die Stipendien bekommen vor allem die Kinder gut verdienender Akademiker. Arbeiterkinder schaffen es selten in den Kreis der Auserwählten. Werden Bildung und Berufsstatus der Eltern berücksichtigt, hat demnach weniger als jeder zehnte Stipendiat in der Studienförderung eine, wie die Forscher sagen, »niedrige soziale Herkunft«, kommt also beispielsweise aus einer Arbeiterfamilie. Die Kinder beruflich erfolgreicher Akademiker Stipendiaten mit »hoher sozialer Herkunft« – machen dagegen mehr als die Hälfte der Geförderten aus.
»Das ist die Selbstreproduktion des deutschen Bildungsbürgertums«
Zum Vergleich: In der Studentenschaft insgesamt werden nur 37 Prozent der Gruppe »hoher sozialer Herkunft« zugeordnet. Damit zeigen die neuen HIS-Zahlen sogar, dass die soziale Selektion bei der Förderung von Begabten noch stärker greift als beim Hochschulzugang.
Die Steuergelder für die Begabtenförderung werden vom Bundesbildungsministerium auf elf Stiftungen verteilt, die durch ihre unterschiedliche Ausrichtung das gesellschaftliche Spektrum in der Bundesrepublik widerspiegeln sollen. Bisher unveröffentlichte Einzelauswertungen aus der Studie weisen nun auf erhebliche Unterschiede zwischen den Förderwerken hin und machen die einseitige soziale Zusammensetzung der Stipendiaten einzelner Stiftungen besonders deutlich.
Während etwa bei der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung nur 43 Prozent der Stipendiaten eine »gehobene« oder »hohe« soziale Herkunft haben, beträgt der Anteil in diesen beiden Kategorien bei der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, dem katholischen Cusanuswerk und der Stiftung der deutschen Wirtschaft zwischen 75 und 80 Prozent. Aus Arbeiterfamilien kommen dort lediglich sechs Prozent.
»Eine solche Studie ist von enormer Bedeutung, denn hier zeigt sich die Heranbildung von Eliten«, sagt Karl Ulrich Mayer, Co-Direktor des Zentrums für Ungleichheitsforschung an der amerikanischen Yale University. »Die Befunde sind ein echter Hammer. Das ist die Selbstreproduktion des deutschen Bildungsbürgertums.«
Denn bei der Förderung begabter Studenten geht es keineswegs nur um Geld. Die Stiftungen bieten den Geförderten Seminare und Sommerakademien an, nicht zuletzt sind sie Karrierenetzwerke, die mit beeinflussen, wer zu den Eliten von morgen gehören wird.
Kommentare
Auf dem Weg nach Indien
Unser Bildungssystem ist auf dem besten Weg, die gesellschaftlichen Schichten Deutschlands in eine Stände- und Kastengesellschaft zu überführen. Diesmal ist es nicht die Hautfarbe oder Religion, sondern "nur" das Geld der Eltern und deren Status. Wir sind also schon dort, wo unsere Bildungseinrichtungen unter Kaiser Wilhelm waren.
Das ist nicht nur faschistoid, es bedeutet einen riesigen Schaden für die Gesellschaft, weil nicht die Begabten gefördert werden, die morgen Ideen haben, mit denen man in Zukunft unseren Staat und unsere Renten finanzieren kann. Und es zerstört den Zusammenhalt der Gesellschaft, ähnlich die wie Ghettobildung in den Städten.
zu "Auf dem Weg nach Indien!"
Sicher zeichnet sich bei uns seit langem ein Kastensystem ab.
In dem es offenbar nur noch um Geld-haben geht - aber weder um Intelligenz - Begabung - charakterliche/sittliche Werte - sonstiges.
Es geht um Frechheit - aber nicht um Tüchtigsein - Kompetenz.
Es geht um Lug und Trug und Gewalt - aber nicht um charakterliche Werte und Fähigkeiten und Friedlich.
Es geht um Schizophrenie und Wahnsinn aber nicht um normal und Natürlich
und Emphatie.
Das übliche eben - wie schon seit - langem ...
Mit "Indien" hat das Ganze soviel zu tun ...
als das hier in D. eben seit 1992 schon sofort Viele aus allem
rausgeflogen sind - nun ohne Zähne - fast blind - demnächst auch noch
ohne Krücken auf den Knien herumrutschen.
Das Ganze war Verrat!
Deutschland hat einen eigenen kulturellen Background.
Das was seit der "Sozialen Frage" erarbeitet worden war,
was noch verbessert und verfeinert gehört hätte
verschwindet wieder ...
weil man sich eben doch mit nur wenigen Reichen eben doch besser
verständigen und einigen kann - als mit allen der ganzen Nation.
Für den Hochadel und die Hochfinanz sind es zwar immer noch zuviele
aber dem kann sicher mit der Zeit abgeholfen werden.
Die DDR hatte einen Anspruch gehabt schnellstmöglich gehoben und angeglichen zu werden. - Auch das nicht ...
Lieber trieb man alle in den Wahnsinn und in die Gewalt - in den Suff und 20 Jahre später ist Deutschland noch immer keine Ganzheit.
Leistungsfeindlicher Irrglaube
Kann dem Artikel nicht ganz zustimmen. Es ist einfach nur falsch, wenn man sagt, die Prüfer würden gezielt Kinder aus Ihrer eigenen sozialen Schicht bevorzugen. Zur Teilnahme an einer solchen Prüfung für Hochbegabte gibt es schließlich feste Kriterien. Wer diese erfüllt, kann teilnehmen, wer nicht, darf nicht teilnehmen. Das hat nichts mit sozialer Selektion zu tun, sondern unterstützt nur den Gedanken der Stiftungen, nämlich Hochbegabte zu fördern. Eine Quotenregelung würde diese Absicht konterkarieren. Da kann man Stipendien gleich verlosen.
Außerdem gibt es bei solchen Prüfungen klar festgelegte Themenbereiche, über die der Bewerber geprüft wird. Es ist kaum so, dass dort nur über Kunst und Literatur gefragt wird, sondern es wird das gesamte Spektrum abgedeckt, wobei der Prüfling selbst oft noch Einschränkungen in der Themenwahl machen kann.
Gerade die unabhängigen Stiftungen müssen sich auch in Zukunft auf den Leistungsgedanken bauen, sonst sind sie überflüssig. Wenn manchen Stiftungen andere Schwerpunkte legen, ist dies ja ok, aber sicher nicht bei den unabhängigen Stiftungen.
Und zum Schluss noch etwas zu den sogenannten Akademikerkindern: Es ist auch für eine mittelständische Familie eine große Erleichterung, wenn ein begabtes Kind Studienzuschüsse bekommt. Gerade für Familien mit mehreren kidnern ist es nämlich keine Selbstverständlichkeit, das Studium aller Kinder finanziell zu ermöglichen.
"Da kann man Stipendien gleich verlosen" das wäre...
...vermutlich die gerechteste Variante. Wer sagt denn, daß jemand mit akademischem Elternhaus und besonderer Begabung auch gewillt ist, daraus etwas zu machen, das der Gesellschaft die Finanzierung wert ist ?
Wird jemals geprüft, was aus Stipendiaten später geworden ist ? Ob die Investition sich amortisiert hat ?
andere Ursachen ?
Mal etwas ketzerisch gefragt: Kann es sein dass die Kinder von besserverdienenden Elternhäusern einfach auch begabter sind ?
Vielleicht nicht in dem Maße wie sich das bei den Stipendien widerspiegelt, aber doch in einem so großen Maß dass es statistisch relevant ist, und die Studie weniger dramatisch wirken ließe.
Die besserverdienenden Eltern sind ja in der Regel deshalb besserverdienend weil sie mal studiert haben und danach beruflich erfolgreich waren. Auf Studium und beruflichen Erfolg hat aber auch die Intelligenz einen Einfluß. Die Unis und FHs sind voll mit Studis die nebenbei alles mögliche tun müssen um Geld beizuschaffen, und das war vor 20-30 Jahren nicht anders.
Und da sich die Menschen ja bevorzugt innerhalb ihrer "Sozialen Schicht" paaren, wäre es nicht verwunderlich wenn Kinder von 2 Intelligenten Menschen (z.B. einer Studentin und einem Studenten aus der 80ern) dann ebenfalls leicht überdurchschnittlich intelligent ist - und damit wieder eher für eine Begabtenförderung in Frage kommt. (Hinzu kommt natürlich noch die bildungsbürgerliche erziehung).
Die Begabtenförderung durch Stipendien setzt an einem Punkt ein, an dem ein großer Teil des Erwachsenwerdens schon abgeschlossen ist: Schule, Erziehung, biologische Anlagen, das ist in den 20jährigen Studi alles schon recht fertig reingeschrieben worden. Und da ist es doch nicht verwunderlich wenn selbst eine hyperneutrale Begabtenförderung eher Kinder aus finanziell "besseren" Elternhäusern aufnehmen würde.
Könnte...
... sein, ist aber nicht so, zumindest laut Zwillingsforschung:
http://de.wikipedia.org/w...
Zitat:
"Sehr wichtig ist, das Ergebnis richtig zu interpretieren. Oft liest man Aussagen wie „50 % der Intelligenz sind vererbt“. Das ist ein Trugschluss! Die Untersuchungen zeigen, dass ca. 50 % der Varianz der Intelligenz in einer Population auf erbliche Faktoren zurückgehen, d.h. jeder zweite Unterschied bei der Intelligenz ist erblich bedingt. Die Aussage, dass 50 % der persönlichen Intelligenz auf das Erbgut, welches man von seinen Eltern erhalten hat, zurückzuführen ist, ist falsch."
So richtig einig ist man sich da jedoch nicht, schon deshalb, weil es unheimlich schwer ist "Intelligenz" zu definieren. Der eine hat starke mathematische Fähigkeiten, der andere kann sich gut Fakten merken, wieder jemand anderes besonders gut Instrumente lernen oder sich in andere Menschen hineinversetzen, tolle Bilder malen, besonders gut organisieren, besonders viel Phantasie haben etc. All das hängt irgendwie mit Intelligenz zusammen und ist doch so unterschiedlich...
Das Ergebnis wundert mich kein bisschen - Kinder aus Akademikerhaushalten sehen einfach schon förderungswürdiger aus. Das beginnt in der Grundschule, setzt sich fort bis zum Abitur und natürlich auch danach. Insofern finde ich das Stipdendienwesen mehr als fragwürdig, alleine zwei Stipendiaten der "Studienstiftung des Deutschen Volkes" aus meinem Bekanntenkreis hatten Eltern, die sich die Ausbildung ihrer Kinder ohne weiteres hätten leisten können, d.h. sie hätten ohnehin studiert, und zwar das, was sie studiert haben, ergo keine Lenkungswirkung, kein Effekt - hinausgeworfenes Geld.
Thema verfehlt
Lieber Herr Riddle, leider geht ihr Kommentar am Thema vorbei. Die Kinder aus materiell gut situierten Elternhäusern bekommen nur eine Bücherprämie und nicht das am Bafög angelehnte Stippendium. Bei der Begabtenförderung geht es um wesentlich mehr. Der Stipendiat kann sich im Rahmen der Förderung an Bildungsseminaren beteiligen, Auslandsaufenthalte strukturiet planen, mit Vertrauensdozenten über Studienfragen reden etc. Dies stellt eine persönliche Anerkennung des Stipendiaten in den Vordergrund und stellt an seine Qualifizierung hohe Anforderungen. Jeder, der diese Voraussetzungen erfüllt, sollte die Chance bekommen, sich um eine Förderung zu bewerben.