Der Mann, der den modernen Kapitalismus erfand, war ein Mörder. Er war auch ein Spieler, ein Gefängnisausbrecher, ein Frauenheld. Und natürlich war er ein Geschäftsmann. Vor allem aber war er ein Mensch, der sich seine eigenen Maßstäbe setzte und den es wenig kümmerte, was andere davon hielten. Wahrscheinlich musste das so sein. Wahrscheinlich hätte er sonst nie diesen verrückten Gedanken gehabt.
Geld muss nicht aus Gold sein.
Und auch nicht aus Silber, aus Messing, aus Kupfer oder irgendeinem anderen Material, das für sich genommen einen Wert hat. Nein, sagte John Law, Geld kann auch aus Papier sein, aus wertlosem Zeug. Und dann wird es uns alle reich machen. So reich, dass wir gar kein Gold mehr brauchen.
Das war seine Idee. Und weil diese Idee sich Jahre und Jahrzehnte später in der ganzen Welt verbreitete und inzwischen selbstverständlich ist, kann man sagen, dass der Kapitalismus von heute, die modernen Finanzmärkte, die Börsencrashs und Bankenrettungen, dass all das an jenem 21. April 1671 seinen Ursprung hat, an dem John Law auf die Welt kam.
Geboren wird er in Edinburgh , der Hauptstadt von Schottland, als fünftes von zwölf Kindern. Sein Vater arbeitet als Goldschmied. Ein Goldschmied ist damals ein mächtiger Bürger. Ihm bringen die Geschäftsleute und Zunftvorsteher ihre Münzen. Er bewahrt sie auf, prüft ihren Metallgehalt. Wenn seine Kunden knapp bei Kasse sind, streckt er ihnen ein paar Pfund vor. So kommt sein Sohn John früh mit etwas in Berührung, das der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler John Kenneth Galbraith dreihundert Jahre später als das "Wunder des Bankwesens" bezeichnen wird: dem Kredit.
Dieses Wunder ermöglicht es einem schottischen Kaufmann, indische Gewürze zu erstehen, obwohl er kein Geld hat. Das besitzt er erst, wenn er den Pfeffer oder Ingwer mit Aufschlag weiterverkauft. Dann streicht er den Gewinn ein und begleicht beim Goldschmied William Law seine Schulden – der wiederum den Zins kassiert. Ein Kredit, das mag sein Sohn damals begriffen haben, lässt Wohlstand entstehen, wo vorher keiner war.
Der junge John besucht die Highschool von Edinburgh und wächst zu einem großen, gut aussehenden Mann heran. Zeitgenossen berichten von seiner Vorliebe für modische Kleidung, seinem Hang zu schnellem Geld und schönen Frauen. Edinburgh erscheint ihm klein. Er geht nach London, damals mit 750.000 Einwohnern die größte Stadt Europas . Sein Vater ist früh gestorben und hat ihm ein stattliches Vermögen vererbt, mit dem er sich den Zugang zu Londons Oberschicht erkauft. Law verbringt viel Zeit in Theatern und Kaffeehäusern und am Kartentisch.
Kommentare
Ein guter Artikel
Sehr verständlich geschrieben. Allerdings ist John Laws Unternehmen offensichtlich so sehr avant la lettre, dass die Lektüre sehr bald vorhersehbar wird. - Schön zu wissen, dass Papiergeld erstmalig von einem Zocker, unterstützt von einer Pleite-Nation, in Umlauf gebracht wurde. Die Geldwirtschaft: Vertrauen erweckend von der ersten Minute.
Die wunderliche Welt des Geldes
Die heutigen Banken sind aber noch einen Schritt weiter gegangen.
Sie haben kein Gold als Gegenwert der Einlagen, nein sie haben noch nicht mal genug von dem Papier das wir Geld nennen um alle Anleger auszubezahlen.
Epochales Genie
Im Grunde genommen war Law genial, und seine Vorgeschichte prädestiniert in geradezu dazu.
Persönlicher Lebenswandel und Stabilität sind kein Garant für Genie oder Richtigkeit solcher Ideen. Das möchten wir nur gerne glauben, weil wir ja sonst nichts haben, an das wir uns halten können.
Doch das Wesen eines Genies ist häufig Unberechenbarkeit, besonders in engen gesellschaftlichen Verhältnissen.
Das Problem das hier erstmals auftrat, das Geld und insbesondere Kredit ein Versprechen auf eine erwartete, aber unsichere Zukunft ist, wurde nur erstmals mit den Massen in Berührung gebracht, die wie immer seitdem wie die Schafe blind auf die Erfüllbarkeit der Erwartungen bauen.
Das ist bis heute das Problem geblieben, denn Gläubige Prediger aller Art, auch die des Wohlstandes, sind sehr überzeugend und blenden den gesunden Menschenverstand in allen Gesellschaftsschichten, sie finden immer genügend gläubige Anhänger, das haben Sozialisten und Wirtschaftsvisionäre gemeinsam.
Denn was macht man, wenn die Erwartungen sich als unrealistisch erweisen? Mithin der Wert des Wechsels auf die Zukunft wertlos wird?
Wie man sowohl bei unserem Sozialstaat inkl. Staatsverschuldung, aber auch der amerikanischen Geldpolitik sehen kann ist das ein unausrottbares Phänomen.
Die Mittel, die Art der Euphorie, ändern sich je nach Zeitgeist, die Unvernunft, in Form verkappter Sehnsucht nach dem Paradies, aber nie.
H.
Hammer Story
Liest sich wie eine gelungene Inhaltsangabe zu einem guten
Roman, im Stil Jules Vernes oder Stephen Baxters.
Zu dieser Zeit, zu Beginn der Industrialisierung, handeln
viele gute Geschichten. Diese hier scheint mir eine von
ihnen zu sein. Auch wenn ich dem Kapitalismus gegenüber
skeptisch bin, so fasziniert mich die Möglichkeit, dass ein
einziger Mensch die Welt bewegen kann. Dass er zum
Schluss doch noch tragisch scheitert, macht die ganze
Sache
schon irgendwie literarisch..
Danke für den Artikel, sehr unterhaltsam!