Den Rücktritt des Umweltministers fordert er jetzt nicht mehr. Es sind ja auch zu viele Unionspolitiker gegangen in letzter Zeit. In der Sache jedoch – dem Kampf für längere Laufzeiten der Atomkraftwerke – lässt Stefan Mappus nicht locker. Mindestens 15 Jahre länger sollten die Meiler am Netz bleiben, verlangt der CDU-Ministerpräsident von Baden-Württemberg: "Die Union ist dafür, die FDP und die Regierung. Und ich bin es ohnehin." Dumm nur, wenn das Volk dagegen ist.
48 Prozent der Deutschen wollen die Laufzeiten der Kernkraftwerke überhaupt nicht verlängern; 29 Prozent wären für eine Verlängerung um höchstens zehn Jahre, so wie sie auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) anstrebt. Das bedeutet aber: 77 Prozent der Deutschen sind gegen eine Laufzeitverlängerung von 15 Jahren oder mehr, so wie Mappus sie will. Das haben die Meinungsforscher von TNS Emnid für die ZEIT ermittelt.
Für Mappus, gut fünf Monate im Amt und acht Monate vor seiner ersten Landtagswahl als Spitzenkandidat, ist die Atomenergie ein Profilierungsprojekt. Ihm bleibt nicht viel Zeit, sich bekannt zu machen. Für die Wähler dagegen ist die Atomenergie ein Auslaufmodell. Auch in Baden-Württemberg: 47 Prozent sind dort gegen längere Laufzeiten, 27 Prozent plädieren für ein Plus von höchstens zehn Jahren. Und das wiederum heißt: 74 Prozent lehnen die Atompolitik ihres Ministerpräsidenten ab.
Nach geltendem Recht muss der letzte der 17 deutschen Atommeiler um das Jahr 2022 abgeschaltet werden. In ihrem Koalitionsvertrag hat sich die schwarz-gelbe Bundesregierung zwar darauf geeinigt, die Meiler länger am Netz zu lassen; wie lange, ließen CDU/CSU und FDP aber offen.
So ist der unionsinterne Streit um die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke auch bezeichnend für die Richtungsdebatte innerhalb der Partei. Da ist Umweltminister Röttgen, der die grün angehauchte Wählerklientel einfangen will: mit einer moderaten Laufzeitverlängerung, also nur ein paar zusätzlichen Jahren Atomstrom; so lange, bis die erneuerbaren Energien die Nuklearenergie zuverlässig ersetzen können. Und da sind die Atom-Hardliner in der Union – neben Mappus vor allem Bundestagsfraktionschef Volker Kauder und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer –, die auf die konservative Wählerschaft schielen: Atomstrom gilt ihnen als heimische Energiequelle und jedes Kernkraftwerk als Monument deutscher Ingenieurskunst.
Der Streit um die Atomenenergie verläuft nicht nur mitten durch die Regierung. Er trennt auch den konservativen Teil der Union vom Volk.
Ende September will das Bundeskabinett die Eckpunkte des lange angekündigten Energiekonzeptes verabschieden. Dabei geht es um eine Perspektive bis zum Jahr 2050 – und um mehr als um AKW-Laufzeiten. Die Kernenergie steuert nur elf Prozent zum deutschen Energieverbrauch bei.
Kommentare
Herr Mappus ...
... hat womöglich schon die ein oder andere Offerte eines grösseren Energieversorgers in der Tasche.
Da muss er aber natürlich in Vorleistung treten.
Wenn er es durchgekriegt hat folgt er dann Koch und Ole.
Ein Schelm der ....
das wäre zu einfach ...
So primitiv funktioniert Politik m.E. nicht. Ich glaube vielmehr schon, dass Mappus ernsthaft glaubt, dass die längere Nutzung der Kernenergie für Baden-Württemberg einen wirtschaftlichen Vorteil bringt. Ferner sieht er in einem entsprechenden persönlichen Einsatz eine gute Profilierungsmöglichkeit innerhalb der CDU, für die das Bekenntnis zur Kernenergie fast so zum Markenkern gehört, wie der Schutz der privaten Krankenversicherung und des bürgerlichen Nationalheiligtums, des deutschen Gymnasiums. Ferner muss er sich, wenn er bei der Landtagswahl überhaupt eine Chance mit Blick auf die Wahlbeteiligung haben will, ein Polarisierungsthema haben, mit dem er "seine" Anhänger möglichst in hohem Maße an die Urnen treiben kann. Ansonsten droht im aufgrund einer extremen Frustration seiner konservativen Klientel über die Schwarz-Gelbe Bundesregierung eine gewaltige Wahlenthaltung. Eine solche könnte, obwohl die SPD in BW ganz schwach ist, doch zu einer ernsthaften Verschiebung der Machtverhältnisse im Landtag führen.
CHILLY
Andersherum wäre mir lieber
Mag ja sein, dass 70% aller Bundebürger 10% mehr für Strom aus erneuerbaren Energien bezahlen wollen. Wie wäre es, wenn 100% der Bürger 10% Energie einsparen würden? Dann brauchen wir keine AKWs und im Geldbeutel bleibt mehr auch was übrig.
Wenn neben der erneuerbaren Stromerzeugung auch die dezentrale Produktion weitergetrieben wird, wird der saubere Strom sogar billiger. Der Hauptgrund für die hohen Strompreise ist nicht die Produktion, sondern der Oligopol. Auch der Rückkauf der Energieversorgung in Gemeindehand ist eine preissenkende Entwicklung. Und irgentwann fällt dann auch die Ökosteuer weg...
Die Atompolitik der schwarz-gelben Koalition ...
ist ganz einfach der Ausdruck einer konservativen Grundhaltung, bei der es nicht um eine mögliche besser Zukunft geht, sondern darum einen althergebrachten Energieversorgungsstatusquo zu bewahren.
Und das funktioniert natürlich dann ganz besonders gut, wenn durch diese rückwärtsgewandte Bewahrungspolitik gleichzeitig das Steuersäckle befüllt und nebenbei Parteispenden fürs nächste Jahrzehnt gesichert werden können.
Oder handelt es sich gar um eine alte Schuld aus der Ära Kohl?
Bisher hat die selbsternannte CDU-Aufklärerin Frau Dr. Merkel ja wenig Erfolg - allerdings ja auch wenig Mühe - bei der Benennung der damaligen Spender gehabt.
Ob der damals beim Lügen ertappte Herr Dr. Schäuble zu diesem Thema wohl noch etwas zu sagen hätte?
Ein politisches Meisterstück der Koalitionäre von CDU/CSU und FDP, welches sich leider nicht am Interesse des Wahlvolkes orientiert.
Atomstrom ist zu teuer
Letztlich ist es kein Geheimnis, dass der Strompreis inkl. des Atomstroms nicht die eigentlichen Kosten beschreibt. Verrechnet man die Subventionen der Atomkraft und die offenen Posten wie die Frage nach der Lagerung, so kann das Märchen vom günstigen Atomstrom nicht mehr bestehen bleiben. Sicherlich hat Atomstrom auf kurzfristige Sicht wirtschaftliche Vorteile, langfristig gesehen ist Kernkraftwerke aber nicht haltbar.
die Subventionen sind doch aber alle schon bezahlt
die meisten der von Ihnen erwähnten Kosten sind ja schon entstanden, bei Planung und Bau der Atomkraftwerke.
Ebenso wird der größte Teil der noch entstehenden Kosten für die Endlagerung unvermeidlich sein, da ja bereits große Mengen Atommüll produziert worden sind. Eine Endlagerungsmöglichkeit muß auf jeden Fall gefunden werden.
Die durch verlängerte Laufzeiten bzw. durch den dabei noch zusätzlich entstehenden Abfall anfallenden Mehrkosten sind vermutlich gar nicht mehr so groß. Da kommt es auf eine mäßig große Zusatzmenge an einzulagerndem Strahlenmüll und die laufenden Wartungskosten der Atommeiler auch nicht mehr an.
Vor 30 Jahren war es richtig, gegen Atomkraft zu sein. Heute bin ich mir da nicht so sicher.