Fünf Euro wühlen das Land auf. Fünf Euro mehr Hartz-Hilfe im Monat. Für die Linken im Land ist das nur noch zynisch, für die Mehrheit der Deutschen laut einer Umfrage schon zu viel. Sie meinen, es reicht auch so.
Eigentlich meint das auch die Regierung. Das Hartz-IV-System sei ohnehin dazu gedacht, dass man schnell wieder herauskomme, erklärt Arbeitsministerin Ursula von der Leyen. Jeder Euro mehr, warnen Koalitionspolitiker, lasse die Arbeitslosen eher zurücksinken auf die heimische Couch. Das karge Hartz-Geld soll deshalb genau das sein: karg und unbequem – selbst wenn das manchen trifft, der sich redlich bemüht und dennoch keine Arbeit findet.
So denken viele. Doch dahinter steckt ein Irrtum. Ein falsches Verständnis von Hartz IV und eine falsche Vorstellung vom Sozialstaat. Die Hartz-Leistungen könnten – und sollten – großzügiger sein, ohne dass sich deshalb mehr Hilfsempfänger in die Hängematte legen.
Vordergründig geht es um Statistik. Um die Frage, was sich Geringverdiener in Deutschland leisten können und was davon existenznotwendig ist. Nach einem Urteil aus Karlsruhe musste die Regierung das neu berechnen. Danach hat ein Alleinstehender aus dem ärmsten Fünftel der Gesellschaft für seinen Lebensunterhalt (ohne Miete und Heizung) durchschnittlich 503 Euro im Monat. Das ist wenig. Aber noch 40 Prozent mehr als den Hartz-IV-Empfängern zustehen soll. Die Berechnungen zeigen auch: Der Single aus dem ärmsten Fünftel verfügt heute über rund 50 Euro mehr als bei der Hartz-Berechnung vor fünf Jahren. Der Hilfsempfänger dagegen nur über 17 Euro mehr. Der Abstand wird also größer. Die Regierung nutzt alle Spielräume, um den Regelsatz niedrig zu halten – als sozialpolitisches Nagelbrett sozusagen.
Die Sorge, sonst drohe Missbrauch, wird durch die große Zahl der Hartz-Empfänger genährt: 6,7 Millionen. In Talkshows heißt es gern: Es werden immer mehr. Musterrechnungen scheinen zu belegen, dass Familien mit Hartz IV besser dastehen als solche mit einem Niedriglohn-Papa. Dabei ist das falsch. Geringverdienern bietet der Staat Zuschüsse an (Kinderzuschlag, Wohngeld), damit sie immer mehr haben als ohne Job. Ebenso falsch: Die Zahl der Hartz-IV-Empfänger steigt nicht, sie sinkt. Seit 2007 um fast eine Million. Und viele, die von staatlicher Hilfe leben, brauchen keineswegs Druck. Sie sind mit voller Billigung der Behörden gar nicht auf Arbeitssuche: fast zwei Millionen Minderjährige, bis zu eine Million Mütter oder Väter, die wegen eines kleinen Kindes zu Hause bleiben, eine halbe Million in Umschulungen, fast eine halbe Million "Aufstocker", die voll arbeiten und einen Zuschuss erhalten, sowie 400.000 im Vorruhestand. Man kann fragen, ob das alles richtig ist – aber diese Menschen per Gesetz vom Bewerbungsdruck auszunehmen und ihnen gleichzeitig mit knappen Regelsätzen Dampf machen zu wollen, ist widersinnig.
Von den verbleibenden 2,2 Millionen Hartz-IV-Arbeitslosen haben viele wiederum kaum eine Chance. Mehr als 100.000 sind Schwerbehinderte, weitere 330.000 gelten aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen als kaum vermittelbar. Auch die werden von denen vergessen, die glauben, jeder Euro weniger für Hartz IV sei ein guter Euro.
Natürlich gibt es Arbeitslose, die träge oder unwillig sind. Aber ein idealer Sozialstaat würde unterscheiden: Wer will nicht – wer kann nicht? Wer braucht Druck, und wer verdient Hilfe? Von diesem Ideal ist unser bestehendes System weit entfernt. Aber schuld daran ist nicht Hartz IV. Im Gegenteil.
Kommentare
Langzeitarbeitslose?
Hartz IV Empfaenger werden so nicht bezeichnet oder? Also rutsch ein Mensch in die Arbeitslosigkeit wird er nach 1 Jahr Hartz IV also raus aus der Statistik. Damit aendert sich nur die Statistik sonst nichts. Ist es nicht so, dass endlich etwas gegen die Diskriminierung Aelterer getan werden muss und damit meine ich inzwischen die gut ausgebildeten ueber 40 die schon keinen Job mehr in Deutschland bekommen. Ohne gesetzliche Aenderungen wird sich wenig aendern. Das Signal ist doch klar seitens der Politik und der Egoisten, die vergessen haben auf welchen Werte unser Staat aufgebaut wurde: Bist du arbeitslos wirst du zerrieben in den Staatshilfen und es gibt viele die sich das Leben nehmen wegen der menschenverachtenden Behandlung der Staatsangestellten. Eine Zukunft gibt es schon lange nicht mehr fuer viele Menschen, alt, jung oder krank. Da gibt es nur einen Weg und der heisst auswandern weil ueberall woanders ist es bald besser.
Es gibt immer mehr als nur eine Alternative
Auswandern ist das eine - und die kann sehr Spaßbetont sein, für diejenigen die es richtig machen und zu denen diese Alternative paßt (Sprache, Ausbildung, Gesundheit, Selbständigkeit, Freunde, etc). Für andere aber kann diese Methode auch im Desaster enden - will also gut vorbereitet sein.
ABER es gibt auch andere Alternativen als Selbsttötung und Auswandern. Wenn die Konservativen und Gestrigen an der Regierung und Lobbyverbänden weiterhin Hartz4-Leute wie Menschen 3.Klasse behandeln werden noch ganz andere Möglichkeiten Realität:
1.) [...]
2.) Die Mafia hat auch Arbeitsplätze zu bieten - und nicht knapp. Wer Kontakt zum Milieu bekommt (über Bekannte oder Türsteher oder Dealer ansprechen) oder schon hat, dem bieten sich da durchaus Möglichkeiten sein Hartz4 aufzubessern : als Drogenkurier (Kurzurlaub incl), als Dealer, als Geldwäscher, als Deckadresse, als Vermieter im Rotlichtbereich, etc.
3.) Schwarzarbeit ist die absolut logische und konsequente Antwort auf die Unverschämtheit, Menschen mit 350 Euro jahrelang dahinvegetieren zu lassen.
4.) Der Kontrast Arm-Reich gibt auch viel Motivation her für Kreativität abseits des Legalen. Kann man auch Widerstand nennen.
Gekürzt. Bitte verzichten Sie auf geschmacklosen Sarkasmus und beteiligen Sie sich bitte mit sachlich argumentierten Kommentaren an der Diskussion. Danke. Die Redaktion/cs
Dieser Link passt Gut dazu.
http://www.gegenblende.de... co 6f6f8f10-cbbb-11df-60c5-001ec9b03e44
Lesen sie diese beiden Artikel aus dem Link!
Hartz IV – ein Bürgerkrieg der politischen Klasse gegen die arm Gemachten
und:
Der Schuldner ist schuld – oder?
Politiker-Gelaber
Ich kann diese Sprüche nicht mehr hören:
"Signale setzen", "Verteilungsgerechtigkeit", "Arbeit muss sich lohnen" usw. Ich zahle jedes Jahr soviel Steuern wie der deutsche Durchschnittsverdiener Bruttoeinkommen hat, ich darf mir also zumindest erlauben, zur Verwendung meiner Steuern eine Meinung zu haben.
Und mich kotzt es auf Deutsch gesagt an, dass "Signale" immer nur mit Gutsherren-Habitus von oben nach unten gesendet werden. Von Lobby-hörigen Taugenichtsen an Menschen, die zu einem großen Teil in unserer Leistungsgesellschaft einfach auf der Strecke bleiben, weil ihre Kapazitäten einfach nicht ausreichen, aus ganz unterschiedlichen Gründen.
Welche Signale haben (und tun wir noch!) an die Banker gesendet, welche senden wir an Interessengruppen der Pharmaindustrie, der Energielobby etc. pp? Richtig: bitte, hier, bedient euch. Es ist für euch alle da! Aber bitte: denkt später daran, wer euch begünstigt hat!
Und dann gehen sie als Aufsichtsräte zu Gaskonzernen, Baukonzernen und so weiter und machen sich die Taschen voll.
DAS ist der eigentliche Skandal.
Danke schön!
Dem ist nicht hinzuzufügen!
Danke
für diese "etwas andere" Darstellung - fernab der ewigen H4-Hetzerei und Neiddebatten, die bewußt geschürt werden.