Hundertvierzig Tage im Jahr sitzt Familie Schuler im Dunkeln. Im Oktober verschwindet die Sonne hinter den Bergen rund um den Haldenschwarzhof, und erst im Februar beginnt sie sich wieder zu zeigen. Seit mehr als 400 Jahren liegt der Schulersche Hof eingeklemmt zwischen bewaldeten Flanken im tief eingeschnittenen Zweribachtal im Schwarzwald. Viele Generationen litten darunter, dass im Herbst und Winter die Sonne immer nur auf die gegenüberliegende Talseite herunterstrahlt. Ulrike Schuler hat es satt. "Das schlägt auf die Psyche", sagt die Hausherrin. Die Dunkelheit, die Kälte, das elektrische Licht den ganzen Tag über im Haus, all das sei seelisch nicht leicht zu ertragen. Sie selbst kommt aus einem tausend Meter hoch gelegenen, sonnenverwöhnten Dorf. Kein Wunder, dass sie sich nach wärmenden Strahlen sehnt.
Deshalb hat sich Thomas Schuler vor wenigen Monaten seine eigene Sonne gekauft. Sie ist zweieinhalb mal zwei Meter groß und thront auf einem vier Meter hohen Mast an einem Steilhang auf der gegenüberliegenden Talseite: Ein "Heliostat", ein Sonnenspiegel, fängt dort das wärmende Licht ein und lenkt es auf den Schulerschen Hof. Zwar lassen sich mit einem Spiegel dieser Größe immer nur einzelne Fenster gezielt bescheinen. Aber in diesen Zimmern werde es erstaunlich warm, sagt Ulrike Schuler. Und diese Wärme und das natürliche Licht täten ihr "ungemein gut".
Dunkle Orte wie den Haldenschwarzhof gibt es viele. Und die Schulers sind nicht die Einzigen, die nach Wegen suchen, die drückende Düsternis zu vertreiben. Zunehmend entdecken Ingenieure, Lichttechniker und Tourismusmanager das Geschäft mit den wärmenden Strahlen. Wie einst die Bürger von Schilda versuchen sie, das Sonnenlicht einzufangen – nicht mit Kesseln, Kannen oder Töpfen, sondern mit modernen Spiegeln, Reflektoren oder Blenden. Diese brechen das Licht, lenken es, leiten es um – und zaubern manchmal sogar Tageslicht in den dunkelsten Keller.
"Natürliches Licht ist mehr als ein Mittel gegen die Dunkelheit. Es macht Räume erst erlebbar", sagt etwa Manfred Starlinger von der Firma Colt-International. Seit Jahrzehnten vertreibt das Unternehmen verschiedene Lichttechniken und stellt derzeit jährlich 15 Heliostaten auf. In der Technik stecke ein großes Potenzial, glaubt Starlinger. "Fantastische Möglichkeiten" ergäben sich damit für die Ausleuchtung von Gebäuden. "Im Hinblick auf das Wohlgefühl in einem Gebäude ist Tageslicht durch nichts zu ersetzen. Es sorgt dafür, dass Menschen sich gerne in einem Raum aufhalten."
Bislang sind die Heliostaten allerdings noch Nischenprodukte. Selbst ein kleiner Spiegel wie der auf dem Schulerschen Hof ist unter 10.000 Euro nicht zu haben. Denn mit einer Reflexionsfläche alleine ist es nicht getan. Heliostaten müssen auch passgenau dem Lauf der Sonne folgen und ihre Strahlen stets aufs selbe Ziel richten.
Kommentare
Artikel 11 - Freizügigkeit
Artikel 11 des GG garantiert Freizügigkeit. Niemand muss im Dunkeln wohnen. Wenn das jemand trotzdem macht, ist er selber schuld.
Re: Artikel 11 - Freizügigkeit
genau das ging mir beim Lesen der ersten Zeilen durch den Kopf
warum haben sich Menschen vor 400 Jahren ausgerechnet eine dunkle Ecke zum Wohnen gesucht, und warum hat sich 400 Jahre lang jeder damit begnügt dort zu wohnen.
Spätestens in der Bundesrepublik ist ein Umzug nicht Genehmigungspflichtig.. vorher bestimmt auch schon nicht
die anderen Szenarien.. eine Bar mit Tageslicht, das ist eine andere Sache, das ist Geschäft, warum nicht
Gute Dokumentation zum Thema
In einer Italienisch-Canadischen Produktion hat der Regisseur ein solches Projekt - in den ital. Alpen wollte ein ganzes Dorf mehr Sonne - mit der Kamera begleitet. Der Film heißt THE MIRROR und läuft bei uns meist auf Doku Festivals. Infos hier : http://www.idfa.nl/indust...
Licht, auch wenn die Sonne vorbei scheint
Den Hinweis auf Schilda finde ich trefend
Ich frag mich halt
muss der Mensch wirklich überall wohnen. Man könnte ja auch die engen dunklen Täler den Füchsen und Rehen überlassen.
Die pure Not?
Im Arikel heisst es, dass die Familie schon seit X Generationen da wohnt. Damals waren grosse Teile Europas schon vollständig besiedelt, die "guten" Gebiete (flach, sonnig, genug Wasser, fruchtbar) alle aufgeteilt und vergeben. Ich kann mir vorstellen, dass dieser Fleck Boden wegen seiner Unwirtichkeit als einer der wenigen überhaupt noch zu einem erschinglichen Preis zu haben war. Die pure Not hat die Vorfahren dieser Familie also möglicherweise bewogen, an diesen Ort zu ziehen. Oder dann muss der Ort andere, grosse Vorteile in sich bergen, beispielsweise eine hohe Bodenfruchtbarkeit, so dass man halt den Nachteil der fehlenden Sonne in den Wintermonaten in Kauf nimmt.
Sicher zwingt niemand die schwarzwälder Familie weiterhin dort zu wohnen, aber auch heute noch muss sie aus diesem Ort gewisse Vorteile erzielen, beispielsweise ein gutes landwirtschaftliches Einkommen. Dann ist es nur verständlich, dass man nach Lösungen sucht, die Nachteile abzumildern. Einen guten Ort gibt man wegen ein paar Nachteilen doch ungern auf.