Wenn Rudolf Merod auf seine Kollegen im Bundeselternrat trifft, bleibt er als Einziger der Runde beim Lieblingsthema außen vor: der Politikerschelte. Während die Vertreter aus München, Stuttgart oder Berlin sich mit Klagen über halb gare Reformen oder unfähige Kultusverwaltungen überbieten, findet der Landeselternsprecher aus Rheinland-Pfalz für seine Ministerin nur lobende Worte. Drei Kinder hat der parteilose Elternsprecher auf verschiedenen Schulen. Gravierende Missstände hat Merod nicht entdecken können. "Im Vergleich zu anderen Ländern leben wir auf einer Insel der Glückseligen."
Erzählt man Doris Ahnen von dem Lob, dann setzt sie ein mädchenhaftes Lächeln auf. Knapp zwei Wochen vor der Wahl in Rheinland-Pfalz läuft es gut für das wichtigste Mitglied im Kabinett Kurt Becks. Die Universität Mainz hatte es zur allgemeinen Überraschung mit mehr Projekten in die nächste Runde der Exzellenzinitiative geschafft als jede andere Hochschule. Und gerade durfte Ahnen das neue Institut für Molekulare Biologie in Mainz einweihen. 100 Millionen Euro gab die Boehringer Ingelheim Stiftung für die Einrichtung. Der Stifter deutete in seiner Rede an, dass die Megaspende ohne die Ministerin kaum zustande gekommen wäre.
Bildungspolitik gilt als Mehrheitskiller . Diese Lektion lehrten die Wahlen der letzten Jahre, zuletzt jene in Hamburg, dem Saarland oder Nordrhein-Westfalen. Doch während die Öffentlichkeit Bildungspolitiker nur als gescheiterte Existenzen wahrnimmt, gilt Doris Ahnen als erfolgreich. Die SPD-Politikerin ist derzeit die dienstälteste Kultusministerin in einem Bundesland. Wie ist ihr das gelungen? Und warum hat Ahnen gute Chancen, am 27.März die Regel außer Kraft zu setzten, dass man Wahlen mit Bildungspolitik nur verlieren kann?
Alzey bei Worms, die SPD der Stadt hat zur Diskussion geladen. Die Bildungsstätte des örtlichen Handwerks ist gut gefüllt, warmer Applaus empfängt Ahnen, als sie den Saal betritt. Man weiß um die Wohltaten, die ihr Ministerium dem Landkreis gebracht hat. 23 Schulen wurden in den vergangenen Jahren hier zu Ganztagsschulen umgewandel t und viele neue Kitas gegründet; das neue Landeskunstgymnasium ist über die Region hinaus bekannt. So fällt es Ahnen nicht schwer, mit ihrer vielfach eingeübten "Versprochen-und-gehalten-Rede" die Zustimmung der Anwesenden zu gewinnen.
Noch vor dem Pisa-Schock hat die Beck-Regierung die Ganztagsschule eingeführt. In mehr als einem Drittel der Einrichtungen des Landes können die Schüler bis zum Nachmittag lernen, Hausaufgaben machen oder spielen. Bundesweit ist Rheinland-Pfalz damit Spitzenreiter. Das Gleiche gilt für den kostenfreien Kindergarten. Während Eltern in Hamburg, Köln oder München mehrere Hundert Euro pro Monat zahlen müssen, ist die Betreuung zwischen Koblenz und Kaiserslautern nach dem zweiten Lebensjahr kostenlos. In puncto Familienfreundlichkeit erhält die Landesregierung deshalb Bestnoten.
Kein anderer Minister durfte in den vergangenen Jahren so viel Geld zusätzlich ausgeben wie Doris Ahnen – dass viel davon auf Pump finanziert ist, hat im Land bislang kaum jemand gestört. Auch in Alzey hat Ahnen wieder ein paar Geschenke mitgebracht. In Zukunft soll der Staat die Beiträge der Schülerbeförderung übernehmen, im Flächenland Rheinland-Pfalz ein wichtiges Thema. Schon vor der Wahl stellte die Regierung die Schulbücher weitgehend kostenfrei, und auch die Klassenstärke soll Schritt um Schritt sinken, im Schnitt auf 24 Schüler.
Die Idee mit den kleineren Klassen hatte sich eigentlich die CDU zum Wahlkampfschlager auserkoren, ähnlich wie damals die kostenlose Kita. Doch anders als in der Wissenschaft, das weiß Ahnen, gilt das Plagiat in der Politik nicht als verwerflich. Recht ungeniert bediente sie sich daher im Programm der politischen Konkurrenz.
Kommentare
Voller Neid
Wenn hier auch einige Bedenken haben, was ist das schon im Gegensatz zur baden-württembergiscchen Bildunglandschaft, die offiziell als wahnsinnig erfolgreich gilt, aber nicht wegen der Vorgaben von oben, sondern trotz dieser, z.B. der kropfunnötigen Umstellung von G9 auf G8, der kropfunnötigen Reform von Frau Dr. (echt) Schavan - Abschaffung der Leistungs- und Grundkurse - und dann der unsäglichen neuen Kultusministerin aus Bayern, die zunächst den Lehrern auf der Demo am schwarzen Donnerstag Disziplinarverfahren androht, wenn sie unerlaubt auf der Demo waren und dann diese Drohung flugs in eine Schutzakton für Lehrer ummünzt, nachdem sich kein Lehrer mit schuldhaftem Verhalten finden lässt. Hinter Guttenberg steht sie noch bis zwei Tage vor seinem Rücktritt.
Aber die CDU outet sich immer mehr als die Partei mit der vollständigsten Verlogenheit. Hoffentlich merken es genügend Wähler.
Insel der Glückseligen??
Wer´s glaubt... - nein, selig wird auch der noch lange nicht. Alles paletti im schönen, wenngleich etwas verträumten Rhld.-Pfalz? Der Unterrichtsausfall in der Realität der Schulen spricht eine andere Sprache; die vielgerühmte GAnztagsschule ist eine Mogelpackung und allesfalls eine bessere Verwahranstalt (denn KOSTEBN darf das alles natürlich nichts)! Und warum als einziges Bundesland das Abitur schon nach dem 1. Halbjahr der Jahrgangsstufe 13? Oder demnächst nach der halben 12? Da bleiben Inhalte auf der Strecke, wie sollen denn diese Defizite ausgeglichen werden? Das ist BildungXXLight, die die Ministerin aber offenbar medienwirksam verkauft.
Und kostenfreier Kindergarten... - ja, wenn die eltern einen Platz ergattern. Die Realität sieht auch hier anders aus. (Dass RlP als sog ´Nehmerland´des Länderfinanzausgleichs hier Kostzenfreiheit garantiert, während finanzkräftige Länder sich das nicht leisten, ist eine Pikanterie am Rande.)
War der Urheber dieses Artikel eigentlich vor Ort und hat sich die Zustände mal genauer angesehen? Ich bezweifle das.
Immerhin: eine schöne Wahlkampfunterstützung ist der Text schon...
Nicht alles was glänzt ist Gold...
Die Realschule plus war notwendig, nachdem immer weniger Kinder an den Hauptschulen angemeldet wurden.
Die kostenfreie KIndergartenzeit für alle Kinder ist wünschenswert in ganz Deutschland.
Nur:
Es gibt auch in Rheinland-Pfalz eine differenzierte Meinung von Frau Ahnen und viele Kritikpunkte an ihrem Bildungsprogramm.
Als Mutter bin ich nicht begeistert von Klassengrößen von 30 Kindern. Um gut arbeiten zu können bin ich dafür, dass Klassengrößen von maximal 20 Kindern ausreichend sind. Lieber in die Bildung investieren als in Justizvollzugsanstalten und als psychiatrische Krankenhäuser auszubauen.
Natürlich kann man immer erwas besser machen,
aber wo gibt es Klassengrößen von maximal 20 Kindern?
Im "Bildungsland" Bayern waren in der 10. Klasse im Gymnasium 34 Schüler. Aber die Schülerzahl ist nur ein Kriterium. Sie in Rheinland-Pfalz wissen wahrscheinlich gar nicht, was es für Kinder bedeutet, wenn sie in der 4. Klasse einfach aussortiert werden.
Familienfreundlich
Der Kindergarten ist in Rheinland Pfalz nach dem 2. Lebensjahr kostenfrei. Da könnte sich bayerische Regierung mal ne Scheibe abschneiden. Die wollen doch immer so eine familienfreundliche Politik machen.
Hier sieht man, was eine kluge, tüchtige Kultusministerin auf die Beine stellt.