Ja! sagt Uwe Jean Heuser
Fukushima wird wohl noch monatelang brodeln, die Atomkraft ist diskreditiert, und Wachstumsgegner fühlen sich bestätigt. Sie wollen jetzt die Erde retten, indem sie dem Kapitalismus den Wachstumsstachel ziehen. Sie wollen uns einreden, es ließe sich besser leben in einer stagnierenden Wirtschaft.
Doch anders, als sie behaupten, sind stagnierende Volkswirtschaften kein stressfreies Paradies, sondern die Hölle für viele Menschen. Für all jene nämlich, die auf einmal weniger bekommen als früher, weil andere mehr vom Kuchen für sich abschneiden. Diese Verlierer gibt es dann zwangsläufig Jahr für Jahr und in großer Zahl, weil der Kuchen selbst ja nicht mehr größer wird. Mehr für einen Bürger oder einen Teil der Bevölkerung bedeutet stets weniger für mindestens einen anderen.
Es stimmt schon, die Konsumgesellschaft mit ihrem Motto des "Immer mehr" schafft kein verlässliches Glück. Doch Glücks- und Verhaltensstudien zeigen vor allem etwas anderes: Nichts schmerzt den Menschen mehr, als wenn er im Vergleich zu früher oder im Vergleich zu seinen Mitmenschen ins Hintertreffen gerät. Solche Verluste bewirken deutlich stärkere Empfindungen als gleich hohe Gewinne, nur eben negative. Wirtschaft ohne Wachstum wäre keine schöne, es wäre eine hässliche neue Welt.
Obwohl mehr Einkommen dem Wohlstandsbürger kein dauerhaftes Glück garantiert, gehört das Streben nach mehr doch zu den besonders glückstiftenden Aktivitäten. Kein Wunder also, dass die durchschnittliche Zufriedenheit in solchen Gesellschaften besonders hoch ist, die wohlhabend und dynamisch sind und die ihren Bürgern viele Gelegenheiten und Freiheiten bieten, sich weiterzuentwickeln.
Bloß, können wir uns Wachstum noch leisten ?
Derzeit zerplatzt leider vor unseren Augen eine Hoffnung nach der anderen, dass die Welt – so, wie sie ist – ihr Problem mit Ressourcen, Klima und Gier in den Griff bekommt. Der Fall der Lehman Brothers hat uns gezeigt, dass der Finanzkapitalismus seine Wachstumssucht nicht beherrschen kann. Der GAU von Fukushima beweist, dass die Atomenergie und generell der Glaube, Wissenschaft und Innovation würden uns den Wachstumsweg schon frei machen, auch keine Lösung sind.
Tatsächlich dürfen wir nicht einfach so weiterwirtschaften wie bisher, sondern müssen unser kapitalistisches Modell ändern. Zuerst wir im reichen Westen, dann auch Chinesen, Inder, Brasilianer. Dafür, dass dies gelingen kann, gibt es ein gutes Argument: In einem umfassenden Sinne haben wir diese Wende bisher nie versucht. Umfassend heißt, dass sich die Politik und die Einstellungen der Menschen gleichzeitig verändern müssen.
Geschieht das nicht, bekriegen sich beide Seiten nur, so wie bei der Ökosteuer in Deutschland. Die eigentlich so fortschrittliche Abgabe ist niedrig und voller Ausnahmen geblieben, weil der Protest von Bürgern und Unternehmen die Politik zur Aufgabe zwang. Für eine echte Wende müsste der Staat die Preise für klima- und naturschädlichen Energieverbrauch dagegen weiter anheben. Er müsste die Signale setzen für ein anderes, weniger ressourcenintensives Wachstum. Das geht allerdings nur, wenn die Bürger und Wähler auch mitziehen, wenn sie ihre Haltung und ihr Nachfrageverhalten verändern.
Dafür kann die Politik einiges tun, beispielsweise im Verkehr. Sie kann nicht nur die Bahn gegenüber dem Auto aufwerten, sondern auch Anreize setzen, damit Autofahrer mehr (mit erneuerbarer Energie betriebene) Elektroautos kaufen – und damit dieses Verhalten als cool wahrgenommen wird. Mehr noch muss die Umkehr auf einer allgemeineren Ebene vorangetrieben werden. So sollte die Politik die Ergebnisse der Glücksforschung publik machen und auch in den schulischen Lehrstoff einfließen lassen. Die besagen nämlich, dass viele Konsumenten die glückstiftende Wirkung von Dingen – schnellen Autos, großen Fernsehgeräten – überschätzen, weil sie vergessen, wie schnell die Gewöhnung einsetzt. Immer neu wirken dagegen Erlebnisse, in der Natur, im Sport, im sozialen Umfeld, deren Effekt oft unterschätzt wird.
Da winkt es tatsächlich, das andere Wachstum. Weniger von den knappen Ressourcen des Planeten abhängig, stärker ausgerichtet auf Erfahrungen als auf Erwerbungen, auf Dienstleistungen als auf Produktionen. Eine Haltungs- und Verhaltenswende dorthin ist zwar schwer einzuleiten, aber läuft sie erst einmal, dann verstärkt sie sich auch selbst. Sie wird zur neuen, nicht mehr hinterfragten Routine. Ein Nachbar bricht auf, die anderen kommen hinterher. So ist Deutschland ein Volk der Mülltrenner geworden.
Dauerhaftes Wachstum ohne mehr Ressourcenverbrauch hat es in den großen Volkswirtschaften noch nie gegeben, möglich ist es gleichwohl. Und es ist sogar einfacher zu erreichen, als dem Kapitalismus das Streben nach Wachstum ganz auszutreiben. Das ginge nicht nur den Bürgern contre cœur, verlangte nicht nur, sich mit der gesamten Privatwirtschaft anzulegen, leicht führte ein solcher Versuch auch zum Absturz der Volkswirtschaft. Genau auf null zu zielen ist, gelinde gesagt, schwierig.
Dynamik ja, aber anders: Sie ist erreichbar, wenn die Politik- und die Verhaltenswende zusammenkommen. Hat der Staat die Bürger erst einmal hinter sich, folgt die Wirtschaft in nahem Abstand und wandelt sich schließlich sogar am schnellsten von allen. Zudem braucht die Politik den Mut, den Finanzkapitalismus zu zähmen. Wenn – wie in den USA vor der Krise – fünf Prozent der Erwerbstätigen, die Mitarbeiter der Finanzindustrie nämlich, fast die Hälfte des nationalen Einkommensplus einstreichen, entwickelt sich die Volkswirtschaft zwar schnell, aber falsch.
Nachhaltiges Wachstum geht nicht einher mit der gewohnten Materialschlacht der Industriegesellschaft, es passt nicht zu einer auf Teufel komm raus zockenden Finanzzunft, und es erfordert eine Wende nicht nur der Politiker, sondern auch der Bürger. Gelingt all das, dann darf der Kapitalismus weiter das tun, was er zum Wohle und zur Wohlfahrt der Menschen am besten kann: für Wachstum sorgen.
Kommentare
Es wird wohl noch etwas dauern,
bis sich die Erkenntnis verbreitet, dass unsere Stromwirtschaft mit Solaranlagen und Windkraft nur eine weitere Sackgasse ist. Die Effizienz ist zu gering.
Es wird wohl noch etwas dauern, bis sich die schon alten Erkenntnisse vom Wasserstoff verbreiten. Bis sich die bereits bestehende Technologie gegen die Interessen der Stromgiganten durchsetzt. Politik und Industrie versorgen uns letztendlilch mit den "öffentlich anerkannten" Technologien, wie es z.B. mit der Atomenergie ist (war). Jetzt soll der Schwenk auf Solar und Windenergie erfolgen mit dem Schreckgespenst der immensen Kosten im Hintergrund.
Befasst Euch doch mal mit der Wasserstofftechnologie im Rahmen einer Wasserstoffwirtschaft. Hier ein schlüssiges Konzept dazu.
http://www.bio-wasserstof...
Wassertoftwelt
die Website ist peinlich und kindisch. Keine Quellenangaben und widerspruechliche Angaben. Startseite 99% effizienz. H2 Seite 87%. Strageie erhoehung der pyrolse effizienz. Bei 87% was will man da noch erhoehen.
Kurz mal nachgeschaut und folgendes Paper gefunden. Brandneu und etwas naeher and der Realitaet der Wasserstofferzeugung. Es werden zB 6% der primaerenergie oder 10% der Nutzenergie benoetigt um den wasserstoff vom CO2 zu trennen.
http://www.springerlink.c...
Nicht nur der Finanzkapitalismus muss gezähmt werden.
Seit fast 40 Jahren findet eine Verschiebung der Sozialsysteme zu Lasten und Kürzungen der arbitenden Schicht und zu Gunsten der Kapitalseite statt.
Hier muss schnellstmöglich eine Änderung stattfinden. Dann kommt auch die Handelsbilanz ins Gleichgewicht. Die Folge: die Transfer Union innerhalb der EU ist nicht erforderlich.
Das Wachstum wird moderater, aber die Verteilung des Reichtums gerechter.
Der Neo-Liberalismus muss zu Ende sein, vielleicht schafft die FDP sich gleichzeitig sich abzuschaffen und den Neo-Liberalismus. Ein gutes Werk des Herrn Westerwelle und des Herrn Rösler mit Lindner.
Zähmung Kapital und Finanzkapital
Das zweite, Zähmung des Finanzkapitalusmus, wird gebetsmühlenartig seit 2009 gepredigt und zwar von allen Parteien. Initiativen hierzu hat niemand bisher auf den Weg gebracht. Die Koalition gebremst von der FDP, die Opposition mangels umsetzbarer Vorstellung auch Fehlanzeige, außer nichtssagender Polemik und Kritik.
Ein Hemmschuh ist der Finanzminister.
Dieses ständige Starren auf die Börsenkurse und dem tatenlosen Zusehen des Spielkasinos. Große Ankündigungen des Herrn Schäuble, - wissend dass die anderen Länder, vornehmlich GB, nicht mitziehen werden bei einer straffen Regulierung des Finanzmarktes. Ich glaube wenn er reguliert hätte, dann wäre den Anderen ein Nachziehen möglich und auch notwendig gewesen. Offensichtlich haben die Großbanken aber Schäubles Chefin fest im Griff.
Ausreichende Mindestlöhne sind erforderlich. Aber Frau UvdL gefällt sich als H4-Bremserin und vergißt dabei, dass ein Mindestlohn in einer Größe der ausreicht ein eigenständiges Leben zu führen, viele H4-Bezieher aus ihrer Misere herausholen würde.
Mit List, Tücke und teilweise gefälschten Daten beschneidet sie den Sozialstaat und hilft ihrer Chefin beim zementieren des abgespeckten Sozialstaates zu Gunsten der Banken und damit der Super.reichen.
Vielleicht nimmt Herr Westerwelle nicht nur seine FDP mit in den Orkus, sondern auch Frau Frau Merkel mitsamt ihrer Mannschaft.
Über welches Wachstum reden wir eigentlich?
Die Wirtschaft muss wachsen? Deutschland ist wegen des "immensen" Export-Überschusses in die Kritik geraten. Die Binnennachfrage muss angeregt werden. Wir müssen mit den vorhandenen Ressourcen sparsamer umgehen. Genau da fängt aber das Problem an. Widersprüche in sich selbst.
Wenn der inländische Markt ziemlich gesättigt ist geht das Wachstum nur über den Export. Wie soll die Binnennachfrage angeregt werden (wobei es nicht um Kleinigkeiten gehen kann wenn die Forderung Wachstum heißt) wenn jeder Haushalt bereits über vier Fernseher, drei PCs, I-Phone/-Pads, zwei PKW, Wasch/Spülmaschine, Herd, Mikrowelle usw verfügt? Das alte wegwerfen und neues kaufen? Geht schon, aber sollen wir nicht mit den vorhandenen Ressourcen sparsamer umgehen?
Verständlich ist, dass jeder Mensch jährlich etwas mehr haben möchte. Aber das ist so auch nicht verständlich erklärbar. Die Frage darf nicht heißen "Bloß, können wir uns Wachstum noch leisten?" sondern "Dürfen wir uns Wachstum in dem bisherigen Umfang leisten?"
6 .... setzen!!!!!!
Wirtschaft so wie es jetzt ist ist der Garant dafür das es bald wenige geben wird die alles haben und viele die nichts mehr haben. Das funktioniert frei nach dem Motto: alles für mich, der Rest für dich!? Es geht um die "Gerechtigkeit der Verteilung", sofern es etwas gibt was Gerecht sein kann. Wenn einzelne Bereiche einer Wirtschaft über alle Maßen die Profitgier packt und Meldungen in den Medien kommen wie: ".... hat die Anleger enttäuscht .... haben nur 2 Milliarden verdient ...." solange wird ein solches System sich selber zerstören da es endlich ist. Die Wirtschaft und die dazu gehörigen Menschen sollten auf haltbare Produkte bestehen, Autos nur dann kaufen wenn die einen niedrigen Verbrauch haben etc. und verstehen das wenn wir ein billiges Produkt hier kaufen, andere für wenig Geld lange gearbeitet haben um die Gier der Reichen zu befriedigen. Das Thema ist umfassend und bedarf einer Einsicht und die Ausbildung dazu muß schon im Kindergarten beginnen ....
Nachhaltigkeit
ergänzend zum Kommentar "6...setzen" bleibt zu erwähnen, dass die Weltwirtschaft vor allem von einem widersinnigem Wachstum abhängt. Nur eines von vielen Beispielen ist die gesamte Informationstechnologie. Sie lebt mittlerweile von dem Prinzip der Verschwendung. Neue Mobiltelefone oder TV Geräte werden nicht gekauft, weil alte Geräte kaputt sind, sondern weil die Werbung suggeriert, dass man andernfalls Abseits der Gesellschaft steht! Arbeitslosigkeit entsteht u.a., weil es keinen Bedarf für Reparaturbetriebe gibt. Mit Nachhaltigkeit hat diese Art der Rohstoffverschwendung nicht zu tun und setzt dem Wachstum zwangsläufige ein Ende. Nur das Datum steht noch nicht ganz fest.
Und, liebe Autoren, woher kommt die Erkenntnis "dass die durchschnittliche Zufriedenheit in solchen Gesellschaften besonders hoch ist, die wohlhabend und dynamisch sind....." ?? Keine Ahnung womit Sie dass belegen, Fakt ist doch eher, dass die Anhäufung von Eigentum und dem damit einhergehenden monetärem Wohlstand zumindest für die sogenannte Mittelschicht eine Menge von Abhängigkeiten und Zwängen schafft, die die Freiheit und damit auch die Zufriedenheit erheblich einschränken. Wohl demjenigen, der über derart hohe und sinnlose Privatvermögen verfügt, dass er dafür Finanzverwalter beschäftigen kann. Bleibt dann nur zu hoffen, dass er diesen auch Vertrauen kann .....