Erika Westermann redet nicht gern über ihre Wohnung. Für das Geld, das monatlich für die Miete überwiesen wird, müsste eigentlich etwas Schöneres zu finden sein: Die Küche hat keine Fenster, das Bad ist winzig, die Klingel funktioniert nicht, und die Tapete blättert von der Wand. Vor dem Wohnzimmerfenster dröhnt der Verkehr. Westermann, die ihren wahren Namen nicht in der Zeitung lesen will, lebt am Rande Berlins und würde gern umziehen. Aber etwas Besseres bekommt die Hartz IV-Empfängerin nicht.
In ihrer Situation stecken viele Bezieher von Transferleistungen, gerade in Ballungszentren. Die Nachfrage nach Wohnraum ist so groß, dass Vermieter sich ihre Mieter aussuchen können. Vor allem Hartz-IV-Empfänger haben dann Schwierigkeiten. Und wenn sie doch eine Wohnung finden, kommt es schnell zu Problemen: Die Mieten oder Nebenkosten fallen zu hoch aus, oder Räume sind kaum bewohnbar. Regelmäßig gehen bei Mietervereinen und Behörden Beschwerden ein.
Als Erika Westermann gemeinsam mit ihrem Mann die Wohnung bezog, betrug die Monatsmiete 444 Euro. Das ist genau der Satz, den die Behörde in Berlin an Unterkunftskosten für einen Zweipersonenhaushalt zahlt. Nachdem sie die Wohnung gefunden hatte, besorgte Westermann einen Vordruck ihres Jobcenters, den ihr Vermieter unterschrieb, um zu vereinbaren, dass die Behörde die Miete übernimmt. Dass die Miete genau dem Höchstsatz entsprach, war kein Zufall. Berlins Vermieter kennen diesen Wert.
"Wohnungen unter dem Höchstsatz finden Sie nicht", sagt Ulrich Ropertz, der für den Deutschen Mieterbund arbeitet: "Wenn Sie die Möglichkeit haben, mit Blankoschecks zu kalkulieren, werden Sie dann weniger verlangen als möglich?" Da die Miete eines Hartz-IV-Empfängers von der Behörde bezahlt wird, besteht für den Vermieter auch kaum ein Risiko. Hartz-IV-Empfänger erhalten damit eine Art AAA-Rating für die Wohnungssuche.
AAA-Rating für die Wohnungssuche
Das sei auch sinnvoll, meint der Sozialarbeiter eines gemeinnützigen Vereins in Berlin – denn "ohne eine Garantie für Wohnungsbesitzer bekämen viele Hartzer gar nichts". So sind Behörden zunächst jedem Vermieter dankbar, der an Transferleistungsempfänger vermietet. Die Klischees eilen dieser Klientel schließlich voraus – sie gelten als laut und unsauber, mitunter kommen Gewalt und Drogen ins Spiel. Viele andere Mieter dürften sich wohler fühlen, wenn kein Sozialfall nebenan wohnt. So machen sich Wohnungsbesitzer, die an Hartz-IV-Empfänger vermieten, bei den Jobcentern schnell als Wohltäter beliebt. Um es sich mit diesen Vermietern nicht zu verscherzen, will auch der Sozialarbeiter seinen Namen nicht nennen.
Dass der Staat die Miete zahlt, schafft allerdings Verhältnisse, die schnell auf Kosten von Mieter und Behörde gehen. Als Erika Westermann ihre Wohnung besichtigte, war nur sie vor Ort. Niemand von der Behörde, kein Gutachter, der hätte beurteilen können, ob der Preis gerechtfertigt war. "Was hätte ich machen sollen, wenn es Wucher ist?" Hätte sie die Wohnung ablehnen sollen? Bedingungen stellen? Dann hätte sie womöglich ohne Wohnraum dagestanden, befürchtet sie. "Die Verhandlungspositionen sind doch klar", sagt der Sozialarbeiter: "Ein Leistungsempfänger kann keine Forderungen stellen. Wenn er verlangt, dass der Schimmel von den Wänden gekratzt wird, kann ihn der Vermieter ablehnen. Das passiert natürlich nicht immer, aber die Angst davor ist nachvollziehbar."
Dazu kommt, dass Mieterhöhungen oder Nebenkosten regelmäßig zu hoch angesetzt werden. "Nach unserer Erfahrung", so Ulrich Ropertz, "ist die Hälfte der Abrechnungen und Mieterhöhungen fehlerhaft." Auch Erika Westermann hatte Probleme: "Auf einmal war die Wohnung wieder teurer. Keiner hat mir erklärt, warum. Auch in den Briefen wurde das nicht deutlich."
Kommentare
Tragisch
> Auf das Jahr gerechnet, wären das 168 Millionen Euro.
> Hinzu kämen zu hohe Nebenkostenabrechnungen, die sich in
> ähnlichen Dimensionen bewegen könnten.
Schlimm, schlimm.
Nicht, daß ich diese Vermieter jetzt freisprechen möchte, aber angesichts der Schäden durch Mietnomadentum, denen man als Vermieter mehr oder weniger hilflos ausgeliefert ist, sowie überhaupt ganz anderer Löcher (Schwarzbuch der Steuerzahler, und natürlich die ganzen Rettungsschirme der jüngeren Zeit) erscheinen solche Summen doch wie die berühmten Nüsse ...
Vielleicht kümmert man sich erstmal um die 30.000 Millionen Euro die z.B. in nutzlosen Brückenruinen versacken, oder die 500.000 Millionen Euro, die man ein paaar Zehntausend Leuten in den Rachen wirft, die es am wenigsten brauchen, bevor man die 168 Millionen Krümel sucht, die bei >5 Millionen Menschen verloren gehen ...?
Im Englischen sagt man dazu: low hanging fruits first.
Ohjeh
Wieviele Millionen Fälle von Mietnomadentum soll es denn Ihrer Ansicht nach so geben? Das ist bundesweit eine überschaubare Zahl, die meisten Vermieter werden sowas nie erleben. Betrügerische Vermieter übersteigen die Zahl von betrügerischen Mietern um Größenordnungen.
Fristgemäß
Es ist die Zeit, in der die Mieter ihre Betriebskostenabrechnungen vom Vermieter erhalten.
Fristgemäß wie in jedem Jahr meldet sich der Deutsche Mieterbund und behauptet, natürlich ohne dafür einen Beweis anzutreten, daß mindestens 50% aller Betriebskostenabrechnungen falsch seien.
Man solle schnellstens Mitglied in diesem Verein werden und seine Abrechnungen prüfen lassen.
In den meisten Fällen erfolglos.
Und mit der Miete versucht man es nun auch.
Zunächst wird jede Wohnwertverbesserung nach §559 BGB wegen der anteiligen Umlage von der 11% Kosten behindert und dann wird der nicht verbesserte Zustand der Wohnung beklagt.
Schwarze Schafe gibt es überall. Auch bei den Vermietern. Aber die Verallgemeinerung ist unseriös.
Vielleicht soll ja auch nur ein neuer Kriegsschauplatz eröffnet werden, um den wirklichen Abzockern abzulenken.
Um wieviel Geld geht es hier nochmal?
"Auf das Jahr gerechnet, wären das 168 Millionen Euro."(bundesweit)
Da grinsen die Spekulanten, Steuerhinterzieher und Fördermittelbetrüger nur müde.
Das schaffen diese Typen mit einer einzigen Transaktion, ohne daß sich jemand daran stößt. Und wenn es auffällt, dann werden Gesetze geändert oder geschaffen, die den Betrug entkriminalisieren sollen.
Aber zumindest wurde mit diesem Artikel die Empörung erstmal wieder in die "richtige" Richtung gelenkt, auf die Schwachen der Gesellschaft.
Stimmt, würden Sie einen Beitrag so in der
Art verfassen und die Mieter oder sagen wir mal Freiberufler angehen, wären Sie schneller zensiert als man auf "abschicken" hämmern könnte.
Betrug bleibt Betrug... und wie wäre es, wenn man mal den Vermietern zu auf den Zahn fühlen würde, wie einem Hartz IV Empfänger, schließlich kriegen die ja anstrengungslos den (unberechtigten) Höchstsatz in den Hals geschoben (und die die eh 5-fach beschissenen Hartz IV Empfänger, die hier mal wieder als "Sparunwillig" verunglimpft werden).
so wie ich das sehe,
wäre das Problem dadurch gelöst, daß man den Hartz4-Empfängern pauschal einen Betrag für die Miete auszahlt (natürlich unter der Voraussetzung, daß ein Mietvertrag vorliegt) und mit dem was sie monatlich bekommen, können sie sich beim Vermieter verbürgen.
Dann wäre der Hartz4-Empfänger mündiger, der Wettbewerb wiederhergestellt und die Arbeitsagentur von Verwaltungsaufwand befreit.
Mietkosten
Als die Wohnkostenerstattung eingefuehrt wurde, war es bereits vorauszusehen, dass es hier riesige Mitnahmeeffekte geben wuerde. So ist das halt wenn man Gerechtigkeit bis ins kleinste reglementieren moechte: wenn die Wohnung vom Amt bezahlt wird, dann gibt es nun mal keinen Druck, die Miete zu verhandlen oder sich nach etwas billigerem umzugucken. Es waere effizienter, eine Wohnkostenpauschale zum H4 Satz zu addieren. Aber dann beschweren sich die Gerechtigkeits-Anhaenger, die sich beschweren, dass jemand in einer teuren Lage zum Umziehen gezwungen wird.
Art. 1 : Fehlanzeige
Der Artikel verkürzt die Situation in unzulässiger Weise.
Jeder kann doch mal seine Kosten vergleichen mit den Hartz IV Sätzen etc.
Da hier Sparsamkeit bei den Nebenkosten angesprochen wurde:
Wenn ich mir so meine Kosten ansehe, wüßte ich überhaupt nicht, wie ich damit auskommen sollte.
Ein normaler Mensch geht heute zB davon aus, dass er zB täglich duscht. Im Hartz IV Satz ist das nicht möglich. Wie oft hat also das Amt zB Duschen bei H 4 vorgesehen? Einmal die Woche? 2x im Monat?
Wo soll also die Sparsamkeit einsetzen?
Dann schreibt man hier, die H4 Empfänger seien unsauber, gleichzeitig aber verbietet man ihnen sich täglich zu waschen usw. sonstige Hygiene: Fehlanzeige in der Kostenaufstellung
So geht es hier quer durch die Bank.
Bei den Wohnungsmieten ist es je nach Geografie so gut wie unmöglich zu den H4 Sätzen eine Wohnung zu finden. Zunächst mal unabhängig davon ob man normaler Mieter ist oder H4. Zu diesen Mietpreisen gibt es einfach keine Wohnung. Also bleiben nur Löcher.
Ich habe mich zB mal in Baden-Württemberg erkundigt. Dort liegt die Miete für H4 je nach Kreis bei ca. 220 Euro. In B-W gibt es keine Wohnungen für 220 Euro. Das sind dann eben Löcher.
Also verurteilt man Arbeitslose in einem Loch leben zu müssen.
Dazu müssen sie sich noch stundenlang für Essen anstellen.
Neoliberalismus pur.
Und im TV lacht Frau vdL zu diesen ganzen Themen während der gesamten Talkshow.
Dabei wäre es die Aufgabe von Frau vdL einen akzeptablen Arbeitsmarkt zu schaffen.
Nicht aufregen
wenn die meisten Kommentatoren hier mit Hartz-IV Sätzen leben müssten sehe die Welt schon anders aus.
Und wenn die ZEIT mal ehrlich wäre, wer sind den die größten Vermieter im Osten doch meist städtische Wohnungsbaugesellschaften, die ohne Hartz-IV und die Nötigung der Ämter in kleiner Wohnungen zu ziehen ihre Wohnungen, gar nicht los würden. Und auch ihre Nebenkosten wie Heizung leeren Wohnraums über die Hartzer finanziert.
Aber wie es scheint werden immer mehr Journalisten der ZEIT Steigbügelhalter der Neocons (täglich ein Artikel über die nicht mal zwei Prozent Partei) und kommen dem Bernay'schen Propaganda Modell nach.
Anstatt mal über die massive Korruption im ÖD zu recherchieren oder genau zu schauen, wer bei den einzelnen Milliarden Förderung profitiert. So gibt es ein Papierbude in D-land die mit fast 1 Mill. gefördert wurde und dank guter Beziehungen zu einem ehemaligen Umweltminister auch extra einen Paragraphen im EE Gesetz erhalten haben, damit ihre Energieerzeugung auch förderwürdig wurde. War es vorher nicht.