Die Eltern von Kindern mit Downsyndrom kennen diese Blicke. Mitleid schwingt darin mit und ein Vorwurf: Warum habt ihr dieses Kind bekommen? Freunde oder Verwandte fragen manchmal ganz direkt: "Habt ihr da nichts gemacht? Heute sind solche Behinderungen doch kein Schicksal mehr, sondern vermeidbar. Ihr ruiniert doch euer Leben."
In Zukunft, befürchten viele, werden die missachtenden Blicke noch zunehmen. Denn bald soll ein neuer Test es werdenden Eltern leichter machen , Kinder mit Trisomie 21, dem Downsyndrom, erst gar nicht zur Welt zu bringen. Bislang gibt es nur eine sichere Möglichkeit, Trisomie 21 im Mutterleib festzustellen: durch eine Fruchtwasseruntersuchung um die 15. Schwangerschaftswoche herum, die für den Fötus nicht ungefährlich ist. Hat eine Frau diesen Test nicht gemacht, können schwere Fälle von Trisomie erst durch eine Ultraschalluntersuchung sieben Wochen später entdeckt werden. Die Eltern müssen dann zu einem Zeitpunkt, an dem ein Fötus schon lebensfähig ist, entscheiden, ob sie das Kind bekommen oder abtreiben.
Der neue Bluttest dagegen ist schon in der 10. Schwangerschaftswoche möglich. Risikolos, schmerzfrei und zu einem Zeitpunkt, da die Mutter das werdende Kind im Bauch noch nicht spürt. Allerdings zu einem Preis, den sich nicht jeder leisten kann: Um die 1.000 Euro wird der Test wohl kosten.
Vergangene Woche auf dem Welttag Downsyndrom stand der Test im Zentrum der Diskussion. Die Kritiker befürchten, dass nun noch mehr Föten, bei denen das Downsyndrom diagnostiziert wird, abgetrieben werden als bisher. Sie empfinden den Test als diskriminierend, weil er Menschen mit Downsyndrom das Lebensrecht abspreche .
Das ist, natürlich, ein ungerechter Vorwurf. Selbstverständlich kann man die Abtreibung behinderter Föten billigen und zugleich das grauenhafte Ansinnen, behinderte Menschen zu ermorden, scharf zurückweisen. Im Streit um die Trisomie 21 geht es um etwas anderes. Es gibt erbliche Erkrankungen, die ihre Opfer zu einem kurzen und schmerzerfüllten Leben verurteilen. Dies sind die Fälle, auf die sich Anhänger eugenischer Vorstellungen berufen. Man muss ihren Überlegungen nicht folgen, um ihr Motiv anzuerkennen: Sie wollen unnötiges Leid verhindern.
Menschen mit Downsyndrom aber können unbestreitbar ein erfülltes, glückliches Leben führen . Niemand kann sich auf ihr Wohlergehen berufen, wenn er sich für die Abtreibung eines Fötus mit Trisomie 21 entscheidet oder eine solche Entscheidung durch Einführung einer neuen Diagnosetechnik erleichtert. Daher rührt die Empörung der Kritiker.
Allerdings entscheidet sich schon heute kaum eine Frau für ihr Kind, wenn sie erfährt, dass es am Downsyndrom leiden wird. 90 Prozent aller Föten mit dieser Diagnose werden abgetrieben. Und zwar zu einem weitaus späteren Zeitpunkt, als es der neue Bluttest zulässt. Man mag es als traurig für eine Gesellschaft erachten, dass sie Andersartigkeit, auch Schwäche, nicht akzeptiert. Aber wer würde über Eltern urteilen wollen, die sich gegen ein behindertes Kind entscheiden? Das Leben mit einem solchen Kind erfordert Kraft, von der nicht jeder weiß, ob er sie hat. Familien zerbrechen daran und Lebenspläne.
Kommentare
Das Recht auf gesunde Kinder
In einer humanistischen Gesellschaft haben die Eltern auch das Recht auf gesunde Kinder.
Darüber zu debatieren finde ich abstrus, das wäre nur mit religiöser Verblendung zu begründen
Recht auf Gesundheit?
Niemand hat das RECHT auf ein gesundes Kind.Kinder sind keine Ware die fehlerlos geliefert werden muß!So ein "Recht" ist auch gar nicht zu verwirklichen.... man kann nicht jede Einschränkung pränatal feststellen - und auch ein unauffällig geborenes Kind kann durch Krankheit oder Unfall auf Dauer mit Einschränkungen leben müssen (die Eltern übrigens auch!) ... soll man sie dann einschläfern?
Down-Kinder sind nicht krank. Sie entsprechen nur nicht in allen Punkten den geltenden "Standards".Es gibt auch etliche Dinge, die sie besser können als "normale" Menschen.Sie machen die Welt wärmer.
Jede Familie muß für sich selber entscheiden, ob sie die zusätzlichen Belastungen durch ein besonderes Kind tragen kann. Solange man sich aber für so ein Kind entschuldigen muß, wird es betroffenen Familien unnötig schwer gemacht.
Ich wünsche mir eine Welt, die Abweichungen als Bereicherung empfindet und nicht als Einschränkung.
Klasse Artikel!
Dieser Artikel ist wirklich gelungen. Bringt die Debatte und Probleme gut auf den Punkt. Danke, ZEIT!
Als Follow-Up wären Geschichten von glücklichen Familien mit Kindern mit Downsyndrom optimal... :-)
Damit verlangen Sie aber eine sehr ...
... einseitige Stellungnahme. Und das wäre somit auch nicht richtig.
Der Artikel ist tatsächlich recht gut - eine leise Tendenz zum Bekommen der Kinder auch mit Down-Syndrom lese ich mal heraus, aber da kann man wohl auch anderer Meinung sein.
Wenn etwas zum Wohl der Kinder und ihrer Eltern erreicht werden soll, so müssen auch die möglichen "Gefahren" genau betrachtet werden: Das Zerbrechen von Familien, von Down-Kindern, deren Familien es nicht schaffen ... letztendlich hilft nur möglichst neutrale, ehrliche Aufklärung. Da wir Menschen alle verschieden sind, wird es nie "die Lösung für ALLE" geben.
Es wird nicht...
...bei Trisomie21-Früherkennung bleiben. Solche Krankheiten wie Mukoviszidose oder andere Quälereien braucht kein Mensch (wobei hier mglw. zukünftig Gentherapie zum Einsatz kommen kann).
>>Müssen wir diese Tests ablehnen ?<<
Nein, müssen wir natürlich nicht. Warum sollte man das tun, unsinnige religiöse Argumente jetzt mal beiseite gelassen?
Wir müssen dies Tests den werdenden Eltern allgemein zugänglich machen. Und dann müssen sich diese entscheiden: wollen wir das wirklich?
Geht es uns 'nur' um ein Kind oder geht es uns auch um ein gesundes Kind?
Das müssen wir tun als Gesellschaft - ihren Mitgliedern die Wahl ermöglichen und sie auch wählen lassen. Denn die einzige echte Freiheit ist die Freiheit der Wahl.
Was für ein schwaches Argument!
"Denn die einzige echte Freiheit ist die Freiheit der Wahl."
Sie haben vielleicht Freiheit definiert, aber nicht die Verfassung, die eine funktionierende, gesunde Gesellschaft brauch.
Es leuchtet absolut jedem sofort ein, dass Straßenverkehr mit völliger Freiheit nie funktionieren könnte und genauso ist es natürlich mit vielen weiteren Belangen des Zusammenlebens.
Es bedarf gewisser Regeln! - Und es ist wichtig zu fragen, wo diese herkommen. Von Aberglaube? Von Gottbefohlenheit? Oder doch lieber durch den Vernunft legitimierten Verstand?
Eine wesentlich genauere und bessere Definition von Freiheit: "Freiheit bedeutet nicht tun und lassen zu können, was man will, sondern die Möglichkeit, nein zu sagen."
Frei nach Voltaire glaube ich.
Schönen Sonntag!
Meine Antwort: Ja!
Ein klares "Ja"
Wer die Sicht einer betroffenen Familie mal genauer betrachten möchte, dem empfehle ich sehr den Film von Katja Baumgarten - Mein kleines Kind
Sehr deutlich wird da auch, wie manipulativ Beratung von Ärzten in Wirklichkeit ist.
Aber mein Ablehnen von solchen Test hat viele andere Gründe. So möchte ich in keiner so armseligen Welt leben die keine Menschen mit Behinderungen wie das Down-Syndrom mehr kennt. Ich kann in Worten nicht ausdrücken welch Bereicherung genau diese Menschen in meinem Leben waren!
Und freilich auch so pathetische Überlegungen wie: es gibt Fragen die nie gestellt werden dürfen, weil es die Seele des Einzelnen oder auch die eines Paares einfach überfordert. Wir latschen einfach mit zu großen Schritten des “Machbaren”.... Machbar darf aber doch nicht unser Leitfaden bei moralisch, ethischen Fragen sein?!
Es gilt doch vielmehr, den Familien die betroffen sind, das Leben zu erleichtern, sie nicht weiterhin von außen zu behindern. Das ist meiner Meinung nach der wesentliche Schritt den die Gesellschaft tun muss.
Es geht auch um das Wohl des Kindes..
Sie schreiben "Ich kann in Worten nicht ausdrücken welch Bereicherung genau diese Menschen in meinem Leben waren!"
Und da seh ich den Knackpunkt: waren.
Diese Menschen sind offenbar nur zeitweilig in Ihr Leben getreten - und ich zweifle nicht daran, dass sie eine Bereicherung gewesen sind, wenn Sie das für sich festgestellt haben. Aber genau das ist der Punkt, Sie haben diese Menschen nur für eine gewisse Zeit begleitet.
Ihre Eltern jedoch begleiten sie ein Leben lang. Ein Mensch mit Down-Syndrom hat zumeist nicht das gleiche, einfache Leben wie der Großteil der Menschen. Das bedeutet besondere, stärkere Aufmerksamkeit der Eltern, des Umfelds. Auch Geschwister müssen sich darauf einstellen, meist muss sich ein gesamtes Familien-Gefüge nach dem einen Menschen richten. Und das kann schlauchen, stressen, sehr anstrengend sein, an der Frusttoleranz kratzen, Tränen herbei führen, gar Zweifel. Ein Leben lang.
Manche Familien, manche Menschen sind stark genug dafür. Andere nicht. Da kann man sagen, so oft man will, dass Menschen mit Trisomie 21 glücklich leben können - es hängt auch vom Umfeld und dessen Unterstützung ab. Wenn da was nicht stimmt, dann wird ein solcher Mensch nicht zwangsläufig erfüllt leben.
Und allein deswegen - auch zum Wohl des Kindes!! - Ja zum Test.
Die Abtreibung von Föten ist gesellschaftlich anerkannt, wenn die Mutter dem psychisch überhaupt nicht gewachsen ist. Und bei Trisomie-21-Befund ist dies plötzlich eine verpöhnte Schwäche?