Zwei Meter weit fliegt die Feldjacke durch die Luft, dann landet sie auf einem olivgrünen Kleiderhaufen. Stumm blickt Ntagahoraho Burihabwa seiner Uniform hinterher. In den vergangenen Jahren war sie das einzig sichtbar Deutsche an ihm. Oft hat er sich vorgestellt, wie dieser Moment wohl werden würde. Es ist sein letzter Arbeitstag als Bundeswehroffizier. Und Burihabwa, der sonst ständig redet, wird gerade ziemlich still.
Burihabwa ist Bundeswehrsoldat, seit er im Sommer 2000 aus Kenia zurückkam. Dorthin waren seine Eltern mit ihm ausgewandert, als er vier Jahre alt war. Dort wuchs er auf. Geboren ist Burihabwa in Siegen, er hat einen deutschen Pass und fühlt sich deutsch. Für viele Deutsche aber ist er vor allem: schwarz. Seine Geschichte handelt von einem, der in Deutschland dazugehören möchte. Und der dieses Gefühl ausgerechnet bei der Bundeswehr fand.
Jedes Mal, wenn Burihabwa sich vorstellt, hört er dieselben Fragen: Woher kommst du? Warum sprichst du so gut Deutsch? Manchmal auch: Wie kommt’s, dass du dich mit unserer Geschichte so gut auskennst?
»Nirgends werde ich so wenig diskriminiert wie in der Bundeswehr«, sagt Burihabwa. »Ich bin zwar der schwarze Hauptmann, aber ich bin immer noch Hauptmann.« Er, den sonst immer alle für den Anderen, den Ausländer halten, ist hier einer von vielen. Anfangs sei er oft froh gewesen, wenn er sonntags abends zurück in die Kaserne konnte. Er dachte: »Hier hast du deinen Platz. Irgendwann müssen das auch die Leute draußen erkennen.«
»Der Staat hat mir gezeigt, dass ich einen Platz habe«
Die »Leute draußen«, das sind Zivilisten. Draußen habe er mehr Probleme, sagt Burihabwa. Manchmal werde er als Neger beschimpft. Leute riefen ihm Affengeräusche hinterher, an Bahnhöfen werde er häufig nach seinem Ausweis gefragt, und manche Türsteher ließen ihn nicht in ihre Clubs. Bei einer medizinischen Untersuchung habe einmal eine Ärztin zu ihm gesagt, sie glaube, Deutschland sei vielleicht nicht das Richtige für ihn. Allein schon klimatisch.
Die Bundeswehr zu verlassen sei die »absolut schwerste Entscheidung« seines Lebens gewesen, sagt Burihabwa. »Der Staat hat mir gezeigt, dass ich einen Platz habe.« Aber jetzt fühle er sich reif genug, dieselbe Anerkennung im Zivilleben zu suchen. »Es wird schon ein anderes Gefühl werden, ohne Soldatenstatus unterwegs zu sein, vor allem in Deutschland.«
Burihabwa verlässt die Bundeswehr, weil er in der Entwicklungspolitik arbeiten möchte. Er hat sein Geschichts- und Pädagogikstudium mit der Note 1,1 abgeschlossen. Seit zwei Jahren schreibt er an einer Doktorarbeit über ehemalige Rebellengruppen in Ruanda und Burundi, der Heimat seiner Eltern. Burihabwa spricht Englisch, Französisch, Suaheli, Kirundi (die Sprache Burundis) und Kinjaruanda (die Sprache Ruandas). Als sein Vorgesetzter bei der offiziellen Verabschiedung alle seine Preise, Stipendien und Auszeichnungen der letzten Jahre vorliest, dauert das mehrere Minuten. Er werde es schwer haben auf dem zivilen Arbeitsmarkt, prophezeite ihm ein Bekannter. Wegen seiner Hautfarbe. Dasselbe hatten sie zu Burihabwa gesagt, als er sich 1999 entschied, deutscher Soldat zu werden. Du? Als Schwarzer? Das wirst du nicht schaffen! »Es gibt in unserer Gesellschaft Menschen, denen die Türen überall aufgehalten werden. Und es gibt Leute, die Türen selbst öffnen müssen«, sagt Burihabwa. »Ich muss Türen eintreten.«
Seine gesamte Bundeswehrzeit lang hat Burihabwa dafür gekämpft, dass die Leute ihn als Soldaten sehen und nicht als Ausländer. Im vergangenen Jahr gründete er Deutscher Soldat e.V., eine Initiative von Soldaten mit Migrationshintergrund. »Wir sind keine Selbsthilfegruppe«, betont er. Stattdessen organisieren er und die anderen Mitglieder Vorträge und nehmen an Podiumsdiskussionen teil. Es gehe aber nicht darum, innerhalb der Armee etwas zu verändern, sagt Burihabwa.
Kommentare
Fantastisch...
"Dank der Uniform wird dann wieder auf einen Blick erkennbar, was Ntagahoraho Burihabwa immer fühlt: Er ist ein stolzer Deutscher."
Heulen oder Lachen? Der Mann hat sich ein System eingefügt, welches Rassismus produziert. Da kann er Stolz drauf sein, klar. Dieser stolze Deutsche.
Rassismus Produziert?
Sie waren wohl nie in der Bundeswehr.
Ich bin zwar Bio-Deutscher, aber in der BW gings weniger darum wer was ist, als in der Schule. Ich kann es absolut nachvollziehen.
Ach je.
Armeen sind auch und gerade ein Ort, an dem das "wir gegen die anderen" zelebriert wird. Einen fundamentalen Unterschied zwischen dem Kollektiv der"stolzen Deutschen" und dem der "stolzen Weißen" gibt es nicht, die Grenzen zum Feind werden lediglich anders gezogen.
Am Thema vorbei
Ich weiß nicht, was Ihre pauschale Armeen-Schelte mit diesem Thema zu tun haben soll. Es geht hier nicht um eine Sinndiskussion zwischen Peaceniks und Realisten, sondern um eine Erfolgsgeschichte, die Sie in Ihrer Müsliwelt so weder erwartet haben noch sie gut finden können, weil sie eben nicht in IHR Feindbild passt.
Ich wurde auch diskriminiert als Deutsche im Ausland!!
Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen (meine Großeltern kommen nicht aus Deutschland), als teenager ist meine Familie ausgewandert und im Ausland wurde ich immer als Nazi beschimpft, Leute haben vor mir "Sieg heil" gesagt und den Nazi Salut gemacht. Im Ausland wurde ich immer nur "die Deutsche" genannt, niemand hat meinen Namen gesagt, obwohl den jeder wusste. Ich wurde immer wieder mit Nazis assoziiert weil ich Deutsche bin. Ich habe noch nie in meinem Leben irgendwas mit Nazis zu tun gehabt, im gegenteil ich bin in Deutschland immer nur mit Russen, Türken, Kurden, Italienern, Albanern etc rumgehangen. Ich liebe andere Kulturen, Sprachen and andere Länder aber Deutsche werden im Ausland auch diskriminiert!
Ich könnte soviel darüber schreiben, wie ich im Krankenhaus, beim Arzt, in der Bücherei und sogar Sexuell belästigt wurde.
Das macht's aber doch nicht besser
Rassismus ist immer sch****, egal gegen wen er sich richtet.
@Markus4711
Vielleicht habe ich ihre Ironie nicht verstanden. Aber solange sie keinerlei Ahnung davon haben wie Toleranz und Verständnis innerhalb der Bundeswehr gehandhabt werden, möchte ich sie bitten sich dahingehend besser zu informieren oder zurückhaltender zu agieren. Sonst sind sie mit solchen Vorurteilen nicht besser als diejenigen, mit denen sich Herr Burihabwa herumschlagen muss.
Ich kann die Probleme dieses Mannes
sehr gut nachvollziehen, aber von "weißer Seite".
Ich kann mich daran erinnern, dass ich in den Neunziger Jahren "meinen ersten Schwarzen" bewusst gesehen habe. Ich habe dem aber sowas von hinterher gestarrt...
Mir tut es leid, dass dieser Mann das erleiden muss, aber es gab und gibt eben sehr wenige Schwarze in meinem Leben und meistens sprechen sie auch nicht perfekt Deutsch. Deswegen kann ich es nachvollziehen, dass die erste Assoziazion "Afrika/Karibik/Nordamerika" ist. Das ist ja nicht an sich negativ.
Wenn aber einer Deutscher ist und als Deutscher aufgewachsen ist, dann muss das wahnsinnig auf die Nerven gehen.
Ich persönlich erlebe das im Ausland ständig. Da bist du einfach der Ausländer aus Deutschland, egal wie sehr du dich an dem Ort wohlfühlst.
Ich kann es den Leuten, die mich nach meiner Herkunft befragen, nicht verübeln.
Wenn wir etwas ändern wollen, dann müssen wir aufhören, die passenden Fragen für unsere Schubladen als Erstes auszupacken.
Meiner Meinung nach wird sich das erst in der Tiefe ändern, wenn wir in unserer Kindheit schwarze Kinder kennenlernen und es daher einfach für uns normal ist, wenn jemand schwarz ist.
Bis dahin müssen wir versuchen, es möglichst sanft zu gestalten.