Angenommen, wir fänden heraus, dass ein Asteroid auf die Erde zurast, der am 3. Dezember 2073 einschlagen und bei dieser Gelegenheit 70 Prozent allen Lebens vernichten wird. Sicher würden unsere Regierungen sofort aktiv. Um das Unglück zu verhindern, würden sie die besten Wissenschaftler, Universitäten und Unternehmen mobilisieren. Und alle anderen damit beauftragen, das Überleben der Menschheit zu sichern – für den Fall, dass die erste Gruppe scheitert.
Mit dieser Geschichte füllt der britische Professor Stephen Emmott ganze Theater, sie ist Teil seiner Schocktherapie. Eigentlich ist Emmott Naturwissenschaftler in Diensten eines Großunternehmens. Er leitet ein Computerlabor von Microsoft. Dort hat er Millionen von Daten über den Zustand der Welt ausgewertet, akribisch und emotionslos. Seitdem ist Emmott sicher: Unsere Situation unterscheidet sich nur in zwei Punkten von dieser Fiktion. Wir haben kein Datum für die Vernichtung der Erde. Und deswegen kämpfen wir auch nicht ernsthaft dagegen.
Spinnt Emmott?
In dieser Woche verhandeln Regierungsvertreter aus aller Welt in Polen über den Klimaschutz. Bislang erfolglos. Dabei müssten sie sich noch um viel mehr als nur um das Klima und um den Anstieg des Meeresspiegels sorgen. Bedroht ist die gesamte Lebensgrundlage der wachsenden Weltbevölkerung: Böden, Wasser, Lebensräume. In bisher unbekanntem Ausmaß werden Meere verschmutzt, Äcker verweht, Lebewesen vernichtet. Schneller und schneller.
Grüner Aufbruch war einmal. Jetzt ist Ökorollback, ein Rückfall in die Vergangenheit.
Bei der Klimapolitik zeigt sich das beispielhaft. Da geben heute selbst einstige Vorreiter auf. Vergangene Woche hat die Regierung in Tokio verkündet: Der CO₂-Ausstoß des Landes soll, gemessen am Stand von 1990, bis zum Ende des Jahrzehnts nicht mehr um 25 Prozent sinken – er darf wieder zunehmen. Fukushima dient als Begründung, obwohl es längst Konzepte dafür gibt, Atomausstieg und Klimaschutz zu vereinen. Auch in Japan.
Polen, der Gastgeber der Klimakonferenz, verfeuert viel Kohle. Die USA setzen auf Reindustrialisierung durch billige Energie und fördern mit umstrittenen Methoden mehr und mehr Erdgas. Das verbrennt zwar sauberer als Kohle, auf Dauer dürfte der CO₂-Ausstoß der USA aber trotzdem wachsen. Die neue australische Regierung will die gerade eingeführte CO₂-Steuer wieder aussetzen, obwohl das Land schon jetzt unter den Folgen des Klimawandels leidet, unter Überschwemmungen und Hitzewellen.
Sogar Deutschland, selbst ernannter Ökochampion, sendet Signale des Rückzugs. So bremst Berlin die EU bei strengeren Abgasgrenzwerten für Autos. Und in den Koalitionsverhandlungen wird die Energiewende fast nur noch unter der Frage verhandelt, wie alles billiger werden kann. Selbst der Chef des Umweltbundesamtes bekommt da seine Zweifel. "Himmelfahrtskommando oder Zukunftsinvestition!", das sei noch offen, twitterte Jochen Flasbarth. Bisher sieht es so aus, als gerate die Energiewende zum Himmelfahrtskommando.
Es ist absurd. Überall auf der Welt geben sich die Eliten grün. Trennen ihren Müll und kaufen Bio. Plastiktüten gelten als out. Neue Staubsauger dürfen in der EU nur noch wenig Strom verbrauchen. In China boomt die Elektromobilität. Nie zuvor haben so viele Menschen so viel über Umweltschutz nachgedacht. Und niemals so schnell so viel Umwelt zerstört.
Der Reichtum der Meere ist vergangen. Schon heute fänden Fischer immer weniger in ihren Netzen, sagt die Welternährungsorganisation.
Zu Lande rottet der Mensch Tiere und Pflanzen aus: 41 Prozent aller Amphibien, 33 Prozent der Steinkorallen und 25 Prozent der Säugetiere sind akut vom Aussterben bedroht.
Kommentare
Kohle ist heute!
Es mag sein, das Öko früher war, aber was kann man gegen eine Elite aus Politik und milliardenschweren "Eliten" tun?
Aufstand, Revolution??? Solange das Artensterben nicht vor der Haustür stattfindet ( wo man jedem Grashalm mit Chemiekeulen unjd Abflämmen begegnet ) ist doch alles in Ordnung.
Und solnage Rentenzahlung, H IV und das Gehalt monatlich auf dem Konto sind, passt es schon. Irgendwie. Zumindest eine Zeit lang
DANKE!
Niemand braucht Öko
Die Zukunft der Energieversorgung ist die preiswerte und versorgungssichere Kernkraft.
Ausgenommen in Deutschland: Hier kommt der Strom aus der Steckdose und es wird mit Ideologie geheizt.
@ZEIT-Ansage
Danke, endlich mal wieder einen Lacher. Solche Satire ist selten geworden.
Tanz, tanz, tanz den Apokalypso ...
Man kann den Panik-Pegel nun einmal nicht dauerhaft hoch halten. Bei mir auch nicht, mir entlocken solche Artikel nur noch ein Achselzucken. Ganz ehrlich, ich hab keinen Schimmer, ob der Klimawandel nun geschieht oder nicht und ob er nun menschengemacht ist oder nicht. Aber das macht nichts, denn er ist mir wurscht. Mein Panik-Potential ist nämlich aufgebraucht.
Ich habe keine Angst vor Lungenkrebs mehr wegen des Rauchens, keine Angst mehr vor Herzinfarkt wegen Übergewichts, ich fürchte mich nicht vor Altersarmut und vor den Hormonen in den Kunststoffen. Ja, ich fühle mich nicht einmal von Al Qaida mehr bedroht, vom stinknormalen Islam gar nicht erst anzufangen. Und ein Zerbrechen der EU würde ich sogar mit Applaus begrüßen.
Eure Botschaften erreichen mich nicht mehr. Lebt damit. Ich nehm die Zukunft, wie sie eben kommt, sei es mit, sei es ohne Katastrophen. Und daß wahrscheinlich sowieso alles völlig anders kommt, als wir uns das heute vorstellen können, das zeigt ein Blick auf die Zukunftsprognosen der Vergangenheit.
@xila: Wenn man ...
Wenn man kurz vor dem Ableben steht und keine Kinder hat, dann kann man natürlich so eine Haltung einnehmen.
Wie kommt man zu so einer fatalistischen Haltung?
Frust? Eingeständnis, dass man eh nichts als einzelner erreichen kann?
Überdruss? Resignation?
Schleche Aussichten
Es wird auch deshalb so wenig getan, weil die einen nicht bereit sind, ihren Wohlstand aufzugeben und die anderen sich nicht von der Hoffnung, der Armut zu entkommen, trennen wollen. Nun ist der Planet allerdings nicht ausreichend mit Ressourcen versehen, um 7 Mrd nach Wohlstand strebende Angehörige der Gattung Homo Sapiens dauerhaft zu versorgen, bzw. sind die vermeintlich grünen Alternativen letztendlich nur Mogelpackungen, wenn sie einen quasi kostenlosen Umstieg suggerieren und vorgeben, Umweltschutz und Wohlstand liessen sich problemlos miteinander verbinden.
Wohlstand im Sinne dessen, was die technisierte Zivilisation in der wir leben betrifft, erfordert jedoch stets ein beträchtliches Mass an Ressourcen und lässt sich nicht klimaneutral organisieren.
Die Umweltproblematik zu lösen, bedeutet daher in letzter Konsequenz stets spürbare/schmerzhafte Abstriche beim Lebensstil und wohl auch der Lebenserwartung zu machen. Da sich niemand darauf einlassen will, wird das Problem also so weit in die Zukunft verdrängt wie nur irgend möglich.
Diese Zukunft wird vergleichsweise hart ausfallen und u.a. eine recht drastische Reduzierung der Weltbevölkerung mit sich bringen. Die Menschheit als solche wird sicher überleben, aber in weit geringerer Zahl und auf einem weit niedrigeren technologischen und zivilisatorischen Niveau als bislang üblich. Die diesbez. Ansätze werden die meisten von uns noch erleben.
Verdrängung, Psychologie, evolutive Hintergründe
Schöner Kommentar, der die extrem wahrscheinlichen Realitäten gut zusammenfasst.
Problem: Die menschliche Psyche ist meisterhaft darin, unangenehme Fakten zu verdrängen, falls sie dem derzeitigen Überleben nicht helfen.
Das ist ein ganz simples, evolutives Faktum: Unsere Gehirne sind über Millionen von Jahren darauf trainiert, aus der _momentanen Situation_ das beste herauszuholen, ohne besonders weitsichtig zu sein.
Früher (in prä-industriellen Zeiten) ging das alles ziemlich gut, da wir als Zivilisation gar nicht in der Lage waren, durch unsere kurzfristig gedachten, auf Eigeninteresse beruhenden Handlungen größeren Schaden an der Erde anzurichten.
Problem: Diese Ausgangslage hat sich drastisch geändert, aber wir laufen noch mit genau den gleichen Steinzeitgehirnen rum, da die Evolution einfach nicht so schnell funktioniert.
Resultat daraus sind diverse psychologische Verdrängungsmechanismen die sogar bei eigentlich gebildeten Westeuropäern gut greifen, das manifestiert sich z.B. sehr schön an Klimawandlungsleugnern. Die merken zum Teil nicht mal selbst, welche hintergründige psychologischen Verteidigungsstrategien dazu führen, dass sie diese "Meinung" haben. Es steckt also wirklich keine Bosheit dahinter, sondern einfach nur Machtlosigkeit gegenüber unserer Biologie.
Es gibt keine Lösung für dieses Problem. Wir werden den Weg gehen, den alle exponentiell wachsenden Organismuspopulationen irgendwann erleiden: Kollaps, Stagnation, dann langsamer Wiederaufbau.