In der Stunde der Not ist der Mann an der Spitze seltsam unsichtbar. Seit Wochen schon ist Anshu Jain nicht mehr öffentlich aufgetreten. Der Co-Chef der Deutschen Bank war abwesend, als die Spitzen des deutschen Finanzgewerbes im November in der Alten Oper in Frankfurt zusammenkamen. Er blieb auch fern, als die Süddeutsche Zeitung zum Führungstreffen der deutschen Wirtschaft ins Berliner Hotel Adlon einlud. Und für die kommenden Wochen sind ebenfalls keine Auftritte von Jain geplant.
Dabei kassiert das Unternehmen, dem Anshu Jain seinen schnellen Aufstieg verdankt, gerade einen Schlag nach dem anderen: Verbotene Zinsgeschäfte, mögliche Preisabsprachen beim Goldpreis und bei Währungskursen – es gibt kaum einen internationalen Finanzskandal, bei dem die Deutsche Bank nicht mit in den Verdacht gerät.
In den USA sind gleich mehrere Sammelklagen wegen fragwürdiger Hypothekengeschäfte anhängig, und in Italien soll das Institut einer anderen Bank beim Aufhübschen ihrer Bilanz geholfen haben. Nun geht offenbar auch noch die US-Börsenaufsicht Vorwürfen nach, die Deutsche Bank habe zusammen mit anderen Banken in China Angehörige hochrangiger Politiker eingestellt, um sich Aufträge zu sichern.
In diesen Tagen erscheint es fast wie eine Provokation, dass ausgerechnet Jain, in dessen früheren Verantwortungsbereich – das Investmentbanking – viele der Skandale fallen, heute zusammen mit Jürgen Fitschen an der Spitze des Instituts steht. Angesichts der täglich neuen Vorwürfe greifen Politiker von Union und SPD die Deutsche Bank frontal an: Haben die Banker denn nichts aus der Krise gelernt? Ist der "Kulturwandel", den Jain und Fitschen versprochen haben, nur eine Worthülse? Vor wenigen Tagen eskalierte alles mit einem Schlagabtausch zwischen Fitschen und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Der Banker warf dem Politiker vor, "populistische Parolen" zu verbreiten. Der Politiker konterte, Fitschen habe sich "im Ton vergriffen" und habe in der "Sache nicht recht".
Dabei wissen alle Beteiligten: Konsequenzen werden die verbalen Entgleisungen beider Seiten kaum haben. Denn trotz aller starken Worte will die Bundesregierung die Deutsche Bank in der Sache nicht allzu hart angehen.
Schon den internationalen Aufstieg des Geldhauses hat die deutsche Politik wohlwollend begleitet. Der begann, als die Deutsche Bank Ende der achtziger Jahre mit dem Kauf des britischen Investmenthauses Morgan Grenfell ins Kapitalmarktgeschäft einstieg. Im Jahr 1993 übernahm sie den Metallhändler Sharps Pixley – und wurde damit Teil des exklusiven Kreises von fünf Häusern, der jeden Tag in London den Goldpreis ermittelt. Clevere Investmentbanker wie Edson Mitchell oder Anshu Jain wurden angeworben. Und schon im Jahr 2000 war die "Deutsche" der größte Devisenhändler der Welt.
Die Staaten haben dem Treiben vieler Banken lange Zeit nichts entgegengesetzt
Als nach der Jahrtausendwende der Boom an den internationalen Finanzmärkten einsetzte, war Anshu Jains Truppe an vorderster Front dabei. Seine Investmentbanker erwirtschafteten in Glanzzeiten bis zu 90 Prozent des Bankgewinns, für Veranstaltungen ließ man auch schon einmal die Rolling Stones einfliegen. Die Boni für Spitzenhändler erreichten zweistellige Millionenbeträge. Wie man heute weiß, war das nur möglich, weil Kunden auch fragwürdige Produkte angedreht und Marktpreise manipuliert wurden – wie der Referenzzinssatz Libor, an dem sich weltweit Millionen Finanzgeschäfte orientieren.
Kommentare
Wieso
sollten die Banken (bzw deren Verantwortliche) ihr Verhalten ändern? Sie sind doch systemrelevant und werden notfalls mit Steuergeldern gerettet. Was nichts anderes als ein Freibrief ist. Derart privilegiert wären sie ja schön bescheuert sich zu ändern. Anything goes...
seh ich auch so.
Die würden sich ihrer Existenzgrundlage berauben, wenn sie grundlegend anders handeln. es ist blauäugig zu erwarten, dass jmd von der "anderen Seite" einlenkt. Gerade durch die Verwicklungen von Staatsschulden und privat Banken besteht eine gruselige Abhängigkeit. Die Chance der Krise 2008 wurde verschenkt.
Da sind die USA konsequenter
Zitat:"Das zeigt schon der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD. ... Investmentbanking und Kreditgeschäft sollen zwar stärker voneinander getrennt werden, doch "das bewährte Universalbankensystem" will die große Koalition erhalten. In der Praxis kommt das einer Bestandsgarantie für die Deutsche Bank gleich – die größte und wichtigste Universalbank hierzulande."
Investbanking und Kreditgeschäft sollen stärker voneinander getrennt werden? Was soll das bringen?
Die Mittel für das Kreditgeschäft und das Investmentbanking werden doch durch die Einlagen der Kunden aufgebracht - ob als Sparguthaben Festgeld, Termingeld... Daher müsste doch zuerst eine Trennung des Einlagengeschäfts vom Investmentbanking vorgeschrieben werden, um die Einleger [= Gläubiger der Bank] zu schützen.
Die USA sind mit der Volcker-Regel auf dem richtigen Weg:
Zitat Wikipedia: "Banken ist es nicht gestattet sich an Hedgefonds und Private Equity Fonds zu beteiligen, sie zu besitzen oder zu finanzieren und Eigenhandelsgeschäfte [Hierbei handelt es sich um den Handel mit Finanzinstrumenten (Geld, Wertpapiere, Devisen, Sorten, Edelmetalle oder Derivate), der im eigenen Namen sowie für eigene Rechnung der Bank erfolgt und nicht unmittelbar durch ein Kundengeschäft ausgelöst wird] auf eigenes Risiko zu tätigen. Banken müssen ihre (Wertpapier-)Handelstätigkeit auf Kundenaufträge beschränken und dürfen selbst keine riskanten Positionen aus eigenen spekulativen Motiven eingehen."
Sie haben eine falsche Vorstellung dessen, was in den USA
laeuft:
Volcker Rule: "Big Wall Street banks face an uneasy future after U.S. regulators on Tuesday finalized the Volcker Rule, a measure that attempts to curtail big bets on certain financial instruments. But in a potential concession, the banks themselves largely will be responsible for determining whether they're in compliance."
Also ein weiterer Fall von "Fuchs bewacht Huehner". Es kommt darauf an, wo man seine Interpretationen her hat.
Quelle obigen Zitats ist Artikel von Shahien Nasiripour: http://www.huffingtonpost...
In den USA geschieht nichts, um den Banken Zuegel anzulegen, auch nicht durch diese Pseudo-Gesetze. Leider bekam Ihr Kommentar eine Redaktionsempfehlung. Das liegt wohl daran, dass die Presse sich nicht genuegend informiert.
Die gegenwaertige Situation hueben und drueben des Atlantik ist nach wie vor so, dass die Wohlfahrt des Bankensektors allem Anderen vorangeht.
zauderer und unverbesserliche
solange die sog. verantwortlichen in der politik vor lauter angst sich mit den scheinbar so übermächtigen banken anzulegen, nur herumeiern und zaudern, und auf der anderen seite unverbesserliche wie ein Dr. Michael Kemmer federführend sind als hauptgeschäftsführer und vorstandsmitglied des bundesverbandes dt. banken, wird sich leider überhaupt nichts ändern.
dabei besteht nach den jüngsten skandalen um manipulationen des "libor" und von devisen dringender handlungsbedarf. denn diese extrem gefährlichen finanzspiele, die banken in ihrer unermeßlichen gier - angetrieben vom kostenlosen geld der notenbanken - immer noch ungehindert treiben dürfen, können unsere demokratisch ausgerichtete grundordnung und volkswirtschaften in ihren grundfesten erschüttern.
es muß radikale reformen geben, damit aus gierigen bankern endlich wieder seriöse bankiers werden !
Reagan, Thatcher und Friedrich Hayek
Die Politiker der 1980er Jahre haben sicher vieles falsch verstanden. Beide waren weder Intellektuelle noch Ökonomen.
Hayek hat nie gesagt, dass Märkte keine Regeln brauchen.