Das Berliner Projekt Looping hilft Studenten, die mit ihrem Studium hadern. Ein Gespräch mit der Beraterin Kirsten Schulze
DIE ZEIT: Frau Schulze, haben Sie einen Hochschulabschluss?
Kirsten Schulze: Ja. Aber das heißt nicht, dass ich mich nicht in jemanden hineinversetzen kann, der mit dem Gedanken spielt, sein Studium hinzuwerfen.
ZEIT: Ihre Beratungsstelle gründete sich 2011, weil die Berliner Senatsverwaltung in Studienabbrechern eine Gruppe sah, die für den Arbeitsmarkt großes Potenzial hat. Sie arbeiten eng mit Arbeitgeberverbänden zusammen. Können Sie überhaupt frei beraten?
Schulze: Unsere Arbeit geht nicht in eine bestimmte Richtung. Bei uns steht der Mensch, der mit dem Studium hadert, im Mittelpunkt. Es geht um zwei Fragen. Was kann ich gut? Und: Was mache ich gerne? Eine Ausbildung kann eine Lösung sein, aber sie muss es nicht.
ZEIT: Welchen Eindruck machen die Studierenden auf Sie, die bei Ihnen vorbeikommen?
Schulze: Viele, die uns aufsuchen, sind orientierungslos. Sie haben das Gefühl, in der Luft zu hängen oder versagt zu haben. Manche haben die Uni schon lange nicht mehr von innen gesehen. Die Gründe dafür sind sehr vielfältig: falsche Studienwahl, Überforderung, schlechte Noten, finanzielle Probleme, Familiengründung. So eine Entfremdung vom Studium kann sehr schleichend vor sich gehen.
ZEIT: Was kann Looping leisten?
Schulze: Unsere Aufgabe ist es, zu beraten und zu coachen. Wir erarbeiten zusammen mit den Studenten ein persönliches Profil: Gibt es Möglichkeiten, das Studium fortzusetzen? Welche Alternativen gibt es zum Studium? Wo liegen die eigentlichen Kompetenzen und Interessen der Ratsuchenden?
ZEIT: Wie lange beraten Sie?
Schulze: Das erste Gespräch dauert 45 Minuten. Bei manchen reicht diese Zeit auch schon aus. Die meisten aber besuchen uns öfter und nehmen am Coaching teil.
ZEIT: Seit 2011 hat ihr zweiköpfiges Team 618 Menschen beraten. Was machen diese Studienabbrecher heute?
Schulze: Das lässt sich gut anhand der Nachbefragung feststellen, die wir immer ein halbes Jahr nach der Beratung starten. Letztes Jahr haben wir 153 Personen telefonisch erreicht. 19 von ihnen setzen ihr Studium fort. Dieselbe Anzahl hatte das Studienfach gewechselt, einer hatte ein Zweitstudium begonnen. 35 Personen hatten eine Ausbildung angefangen, 16 machten ein Praktikum. 26 arbeiteten in einem festen Job.
ZEIT: Ihr Angebot richtet sich an Berliner Studienabbrecher. Was ist mit den anderen?
Schulze: Wir bekommen Anfragen aus dem ganzen Bundesgebiet. Wir versuchen dann, per E-Mail und Telefon zu coachen oder an eine andere Beratungsstelle zu verweisen.
ZEIT: Warum suchen Studienabbrecher nicht Hilfe an den Unis?
Schulze: Die Unis beraten eher in Sachen Studium und weniger zum Thema Abbruch. Unser Wunsch ist deshalb, zusammen mit den Career Centern ein Netzwerk aufzubauen. Letztlich profitieren wir voneinander.
Kommentare
Entfernt, Spam. Die Redaktion/lh
sehr schön
dass die ZEIT wieder von "Studenten" schreibt und nicht mehr von 'Studierenden', diesem pseudokorrekten Dummsprech der letzten Jahre.
Bitte auch in Zukunft weiter so.
Naja...
da ich selbst studiere (Informatik) weiß ich dass es nicht so leicht ist. Fauler Student usw. hört man meist von den ungebildeten Menschen, die meine physikalische Anwesenheit Zuhause wahrnehmen und der Meinung sind hier wird Party gemacht. Was man tut verstehen sie gar nicht erst, für die ist Internet "abhängen" usw.
ABER, Leute die einen Bachelor nicht in 10 Semestern schaffen sind definitiv unfähig. Deswegen habe ich schon von Anfang an jemanden gefunden mit dem alles gleich belegt wird und mit dem alle Projekte gemacht werden.
Ist nicht lustig wenn man ein 2er / 3er Projekt alleine stemmen muss. Die Profs machen da keinen Unterschied und verteilen jedem gleiche Noten. Diese faulen Studenten erhöhen den Stressfaktor für fleißige EXTREM und sollten ausgesiebt werden. Sie sind eine Last und haben auch nichts gelernt, bekommen aber dennoch 1er.
Kann jedem Arbeitgeber nur empfehlen die "Noten" mal gegenzuchecken.
Unfähig?
Naja die Schauspielerin Karoline Herfurth hat glaube ich auch so lange für ihren Bachelor gebraucht - zwischendurch hat sie aber gearbeitet. Gut, das sind dann wirklich nicht repräsentative Ausnahmen, da die Frau wahrscheinlich nur aus Interesse und nicht um damit Geld zu verdienen studiert haben wird. Aber was ich damit sagen wollte: automatisch unfähig muss man nicht sein.
Ja gut, die meisten, die 10 Semester für einen Bachelor brauchen, werden das wirklich sein.
Abbruch ist Versagen
Distanziert betrachtet IST ein Studienabbruch ein Versagen. Man hatte sich ein Ziel gesteckt und konnte es aus persönlicher Unzulänglichkeit heraus nicht erreichen.
Die wirkliche Probleme entstehen wenn einem dann klar wird, was noch übrig bleibt. Wer Geld hat studiert was anderes bis er einen Abschluss hat. Alle anderen stehen im Regen denn eine Ausbildung kommt dem sozialen Abstieg gleich, ökonomisch, intellektuell und milieutechnisch.
Studienabbruch ist NICHT ZWANGSLÄUFIG Versagen
So pauschal kann man die Situation m.E. nun wirklich nicht beschreiben. Für die Tatsache, dass junge Menschen ein Studium abbrechen, gibt es viele Gründe, das muss nicht die von Ihnen erwähnte "persönliche Unzulänglichkeit" sein. Was genau verstehen Sie denn darunter? Ich selbst habe die Universität als Studierende und Lehrende kennengelernt und kann Ihnen daher aus eigener Erfahrung versichern, dass ein Studiumsabbruch oft komplexere Gründe hat als einfach nur "persönliche Unzulänglichkeit". So muss ein Nichtverstehen von Unterrichtsstoff nicht gleichbedeutend sein mit geistiger Überforderung, sondern es kann schlicht und einfach Überforderung mit der Menge an zu lernendem Stoff in Relation zur verfügbaren Zeit sein. Ich bin auch nicht der Ansicht, dass jemand, der - aus welchen Gründen auch immer - merkt, dass ein Studium nicht das Richtige ist und sich dann beraten lässt und ggf. das Studium abbricht, ein Versager ist. Im Gegenteil, denn diese Person hat sich selbst reflektiert und dann einen klaren Entschluss gefasst um sich in eine andere Richtung weiterzuentwickeln. Und die eigenen Interessen und Stärken und Schwächen wahrzunehmen ist doch etwas ganz Wichtiges! Genauso wie die Erfahrung, dass eben nicht alles, was man tut, z.B. Studieren, immer auch sofort die ideale Lösung bzw. Option ist. Ein Studium nur um des Abschlusses willen abzuschließen ist aus meiner Sicht dagegen die deutlich schlechtere Wahl, kurz- wie langfristig!