Dies ist die Geschichte einer sehr heißen Sehnsucht. Oder doch eher einer wohltuend kühlen? Jedenfalls war es einer dieser Sommer, in denen New York sich auflöst in Staub und Hitze, als drei Freunde auf die ganz und gar abwegige Idee kamen, schwimmen zu gehen. Und zwar gleich hier, im Hudson oder auch im East River, denn wozu lebten sie schließlich in Manhattan, auf einer Halbinsel?
Natürlich wussten die drei, dass hier allenfalls Menschen mit einbetonierten Füßen zum Schwimmen in den Fluss geschickt wurden. Zu unwägbar die Strömung, zu verdreckt das Wasser, um hier freiwillig zu baden. Doch ob es an der Hitze lag oder schlicht am Übermut der Mittzwanziger, die Freunde beschlossen, dass es so nicht weitergehen könne: New York braucht ein Flussschwimmbad! Und obwohl eigentlich niemand recht daran glaubte, könnte ihr hitziger Plan tatsächlich aufgehen. Kraulen und Köpfer unter der Brooklyn Bridge, wer hätte das gedacht?
In New York scheint derzeit vieles möglich, was lange als undenkbar galt. Fast meint man, eine Art urbaner Erweckungsbewegung habe die Stadt erfasst. "Reclaim the city" , rufen die jungen New Yorker einander zu, macht euch die Stadt zu eigen, verwandelt sie! Baute in Manhattan bislang vor allem das große Geld, maximal hoch, maximal eng, einen Turm nach dem nächsten, so gedeiht mittlerweile in vielen Quartieren ein neuer, energischer Urbanismus der vielen. Auf Supermarktdächern entstehen Gemüsebeete, auf alten Gleisanlagen sollen große Klettergerüste für Erwachsene errichtet werden, und selbst Tunnelgrotten, die seit Jahrzehnten vor sich hinrotten, wecken die soziale Fantasie: Ließe sich da nicht ein unterirdischer Park anlegen mit Bäumen und bemoosten Wänden?
Je unerschwinglicher das Leben in Manhattan wird – die Durchschnittsmiete liegt bei 3.600 Dollar –, desto größer wird offenbar der Drang hinaus in den öffentlichen Raum, der allen offen steht und in dem es mal nicht allein um Profit und Rendite geht. Vielmehr geht es um etwas, was man in einer Megametropole wie New York kaum erwartet hätte: um gute Nachbarschaft. Um ein Bedürfnis nach Rückversicherung und Gemeinschaft, ohne das wohl keiner der vielen neuen Pläne entstanden wäre.
Auch die drei Freunde, die Designer Dong-Ping Wong, Archie Lee Coates und Jeffrey Franklin mit ihrer Idee eines schwimmenden Pools, blieben nicht lange unter sich. Vor allem das Internet wurde für sie zum großen Multiplikator. Kurzerhand entwarfen sie 2010 ein paar verlockende Bildmontagen von einem Leben im Fluss. Und sie bewarben ihre Idee auf einer Plattform namens Kickstarter, die sonst vor allem von Tüftlern genutzt wird, um Gelder für ein neues Kopfhörermodell oder die Programmierung eines Computerspiels einzusammeln. Für die drei Freunde war es ein Test: Wie groß würde die Zustimmung sein? Kämen genug Spenden zusammen, um ihre Pläne voranzutreiben? Gebt uns 25.000 Dollar, das war ihre Wette, und gebt sie uns in nur sieben Tagen. Am Ende kamen lauter Klein- und Kleinstspenden zusammen, 41.000 Dollar insgesamt, in sechs Tagen. Damit war der Pool kein Spleen mehr, er war in der Welt. Die Medien berichteten euphorisch, und die Politik konnte nicht anders, als die Idee zu ihrer eigenen zu machen.
Bis heute ist Stadtplanung meist eine Sache der Ämter und potenten developer, gebaut wird, was einen Auftraggeber hat und sich bezahlen lässt. Im Zeichen des Crowdsourcing, des internetbasierten Spendensammelns, beginnt sich dieses eherne Prinzip zu drehen. Genehmigungen sind nicht mehr so wichtig (die kann man immer noch einholen). Geld ist nicht mehr entscheidend (das kommt schon irgendwie zusammen). Und auch die alte Vorstellung vom Bauherrn verblasst, wenn die Stadt sich im Grunde selbst errichtet, geplant nicht länger von Einzelnen, sondern von sehr vielen. Worauf es nun ankommt, sind zündende Ideen und begeisterte Massen. Der Rest findet sich.
Was aber bedeutet das für die Städte? Braucht es womöglich die Planungsämter nicht mehr, weil die Schwarmintelligenz des Netzes viel besser weiß, was wo wie gebaut werden sollte? Noch gibt es kaum Erfahrungen mit den neuen Formen des Kollektivbaus. In Rotterdam entstand dank Crowdsourcing eine Fußgängerbrücke, im walisischen Glyncoch kamen fast 800.000 Pfund für ein Stadtteilzentrum zusammen. Doch nur wenige Kommunen sind erfreut über den unverhofften Gestaltungswillen mancher Bürger. An ihre Proteste, ihr Dagegensein hatte man sich über die Jahre gewöhnt. Dass sich die Wut- nun gelegentlich in Übermutbürger verwandeln, getragen von einem entschiedenen Dafürsein, macht den Planern zu schaffen. Auch in New York bekamen die drei Freunde zu spüren, wie sehr die Behörden mitbestimmen wollen, die Küstenwache, das Naturschutzamt, die Gesundheitsstelle, selbst die Armee möchte um Genehmigung gebeten werden.
Kommentare
Immerhin ein Fortschritt.
In den USA funktioniert der Fortschritt in der Form, dass Bürger gute Ideen haben und diese auch umsetzen können.
In Deutschland wäre die Umsetzung derartiger Ideen von der Behörden-Willkür für alle Ewigkeit blockiert.
Wenn man sich die Architektur in Deutschland ansieht, schreit dem Betrachter der übermächtige, arrogante und oberlehrerhafte Einfluss der Baubehörden förmlich ins Gesicht. Nur in Frankfurt am Main, wo die Banken mit grosser Macht und noch mehr Lobbyisten ihre Ideen durchbosen, ist es anders. Die können Druck aufbauen, dem sich die Feudalherren in den Bauämtern nicht entziehen können.
Wer Paris, Madrid, Barcelona, London oder Kopenhagen kennt, weiss, was ich meine.
Verstehe ich nicht
Was ist z.B. an London so toll?? Die" Buerger" haben es bestimmt nicht so gewollt, sondern wie Sie ueber Frankfurt schreiben Banken, Investoren etc.
Gruesse von Einem der sich 5 Tage/Woche dort aufhaelt.
Nachmacher
Es gab mal eine Zeit da haben andere NY nachgemacht, jetzt ist es andersrum.
Das Badeschiff ist Realität. Und zwischen U Schlesisches Tor uns S Treptow.
Erst wenn die Bürger über kommunale Projekte abstimmen können ..
wird sich da etwas ändern. Denn erst dann sind die Bürger in der Lage die Geldumverteilungsmaschinerie in verfilzten Kommunalparlamenten zu stoppen. Die Posten werden oft über Generationen vererbt.
Und erst nachdem ein paar Projekte der verfilzten Entscheider abgelehnt worden sind werden diese erkennen dass es um den Bürgerwillen geht. Möglicherweise kommen dann auch andere Menschen in die Parlamente.
Wir sprechen hier nicht über die Ausnahmen wir Hamburg oder Berlin wo es in den letzten Jahren diverse Bürgerbeteiligungen gegeben hat sondern über den Normalfall wo - wegen fehlender Entscheidungsrechte - der Bürger regelmässig übergangen wird.
Wenn Strassenzüge verkehrsberuhigt und oft auf mit Protz verschönert werden bezahlt das die Allgemeinheit. Dass die Immobilienbesitzer an den Kosten beteiligt werden ist unwahrscheinlich.
Aber, von der gestiegenen Lebensqualität und höheren Immobilienpreisen profitieren die wenigen welche es geschafft haben den grossen Bottich öffentlicher Gelder zu deren Gunsten zu lenken. Selbst die Grundsteuer ist innerhalb einer Kommune überall gleich hoch.
Ist Bürgerwille immer gut?
Ich bin mir da nicht so sicher.
Wenn es nach dem Bürgerwillen gegangen wäre, stünde jetzt kein IKEA in Hamburg-Altona und bei dem sich nun nachträglich alle einig, dass es eine sehr gute Idee war.
Auch viele andere städtische Projekte würden erst gar nicht angegangen weil eine kleine Schar Bürger sich vehement dagegen aussprocht und die in jedem Fall zur Abstimmung gehen, während eine große bequeme Mehrheit keine Lust hat - so gerade eben bei dem Hamburger Seilbahnprojekt geschehen.
1/3 haben abgestimmt und von denen waren 63,4% dagegen.
Ob diese Seilbahn eine gute Idee ist sei dahin gestellt, aber der Bürgerwille ist es eher nicht so richtig.
Richtig ist aber, dass Stadtplaner gute Ideen aufnehmen und umsetzen sollten - und bei kontroversen Themen ruhig genau hinhören sollten.
Dazu müssen Bürger aber auch bei den entsprechenden Sitzungen dabei sein.
Bürgerwille macht leider auch viel Arbeit.
Lower East
Die Lower East mit den "billigen Wohnblöcken" wird doch seit einige Zeit infiltriert und steigt im Trendranking nach oben und damit auch die Mietpreise.