"Wer einem anderen Beihilfe zur Selbsttötung leistet, wird, wenn die Selbsttötung ausgeführt oder versucht wurde, mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." So lautet der erste Satz eines Gesetzentwurfs zur Sterbehilfe, der am Dienstag dieser Woche vorgestellt wurde.
Der Satz ist bemerkenswert. Denn seine Autoren haben ganz anderes im Sinn: Sie wollen die Sterbehilfe nicht verbieten, sondern zum Wohl sterbenskranker Patienten verlässlich verfügbar machen. Ihr Ziel ist eine Rechtssicherheit, die es bisher nicht gibt: für betroffene Patienten nicht, für Angehörige und Ärzte ebenso wenig.
Darum stellen sie zunächst unter Strafe, was bisher nicht strafbar war – um dann eindeutige Ausnahmen zu formulieren: Angehörige und nahe Freunde machen sich nicht strafbar, wenn sie einem "freiverantwortlich handelnden Volljährigen" Beihilfe zur Selbsttötung leisten. Auch Ärzte dürfen schwer kranken Patienten unter kontrollierten Bedingungen Hilfe beim Sterben anbieten.
Bemerkenswert ist aber nicht nur der Grundgedanke des Gesetzes, sondern auch seine Genese. Der Entwurf entstammt nicht einer gesichtslosen Ministerialbürokratie. Geschrieben haben ihn der Palliativmediziner Gian Domenico Borasio, die Medizinethiker Ralf J. Jox und Urban Wiesing und der Medizinrechtler Jochen Taupitz.
Ihre Stimme hat Gewicht – und sie erheben sie rechtzeitig. Nach der parlamentarischen Sommerpause wollen die Abgeordneten des Bundestages darüber debattieren, wie Sterbehilfe in Deutschland künftig gesetzlich geregelt werden soll. Die vier Experten wollen der oft emotional, manchmal dogmatisch geführten Debatte etwas gegenüberstellen: wissenschaftliche Erkenntnisse, empirische Daten und internationale Erfahrungen. Dass eine Neuregelung notwendig ist, ist unbestritten – wie sie aussehen wird, ist noch völlig offen.
"Ein alleiniges Verbot der organisierten Suizidbeihilfe, wie es derzeit im politischen Raum diskutiert wird, ist weder ethisch begründbar, noch trägt es zur Lösung der Probleme bei", betonen Borasio und seine Co-Autoren in ihrem kommende Woche erscheinenden Buch Selbstbestimmung im Sterben – Fürsorge zum Leben. Darin begründen sie ihren Gesetzentwurf sehr überzeugend – diese 100 Seiten sollten Pflichtlektüre für alle sein, die über die künftige Regelung in Deutschland mitentscheiden.
Ist die vorgeschlagene Legalisierung des ärztlich assistierten Suizids ein Dammbruch? Mitnichten! Dass mit einer klaren Regelung die Zahl der Fälle zunimmt, ist nicht zu befürchten. Erfahrungen aus den USA zeigen: Vielen Menschen ist schon geholfen, wenn sie den Wunsch nach Suizidhilfe aussprechen dürfen. Vielen kann der Arzt im Gespräch die Angst vor einem unwürdigen Tod nehmen. Allein das verhindert manchen Suizid.
Aber allen Suizidwünschen wird man auch mit einer optimalen palliativmedizinischen Versorgung, wie sie als Alternative zur Sterbehilfe diskutiert wird, nicht begegnen können. Es ist nicht nur die Angst vor Schmerz, die Menschen bewegt, um Hilfe beim Sterben zu bitten. Es ist die Sehnsucht nach Selbstbestimmung, es ist die Sorge um den Verlust von Würde und Freiheit.
Kommentare
Dem ist im Grunde nichts hinzu zu fügen
"Vielen Menschen ist schon geholfen, wenn sie den Wunsch nach Suizidhilfe aussprechen dürfen. Vielen kann der Arzt im Gespräch die Angst vor einem unwürdigen Tod nehmen. Allein das verhindert manchen Suizid."
"Es ist nicht nur die Angst vor Schmerz, die Menschen bewegt, um Hilfe beim Sterben zu bitten. Es ist die Sehnsucht nach Selbstbestimmung, es ist die Sorge um den Verlust von Würde und Freiheit."
Außer,
dass ich mir die neue Gesetzesregelung, genau so formuliert und umgesetzt wünsche.
Im Grundgesetz steht ja auch nicht, dass die Menschenrechte für Sterbenskranke nicht mehr gelten.
Alles hat mindestens 2 Seiten
Mich besorgt ein wenig, dass dieses Thema gerade jetzt so heiß diskutiert wird.
Ich bin der Letzte, der Menschen bei klarem Verstand und wirklichem Sterbewunsch bei einer schweren Krankheit versagen würde. Wir leben aber in einer überalternden Gesellschaft. Auf die Gesellschaft kommen massive Renten- und Pensionszahlung zu. Adäquate Pflegeplätze in Heimen fehlen, ja sogar das Personal kann man nicht mehr besetzten und sucht deshalb im asiatischen Raum nach Zuwanderern, die diese Stellen besetzen sollen.
Gerade in solchen Situationen ist halt auch immer sehr viel Raum für Missbrauch. Wenn irgendwann mal die Aussage des Großneffen und Alleinerbe ausreicht, dass Tante Hilda ja schon immer in einer solchen Situation sterben wollte um Menschen zu töten..............?
Bei mangelnden staatlichen Mitteln entscheidet dann irgendwann der Amtsarzt, rein human natürlich?
[...]
Entfernt. Bitte Sie von Beiträgen ab, die vom Thema wegführen. Die Redaktion/lh
@ 4
"Bei mangelnden staatlichen Mitteln entscheidet dann irgendwann der Amtsarzt, rein human natürlich?"
Nein, 'Tante Frieda' muss selbst entscheiden, sonst wäre es ja kein Suizid. Falls mit Tante Frieda nicht mehr kommuniziert werden kann, dann gibt es ggf. eine Patientenverfügung, das ist aber ein ganz anderes Thema.
Endlich ..
ein Vorstoß in die richtige Richtung. Die Würde der Menschen ist eben nicht bloß ein Wort, sondern etwas elementar wichtiges. Man findet die Würde nicht in Statistiken oder Krankenakten, auch nicht mit einem erhobenen Zeigefinger oder in einem Religiösen Text.
Wer sich unbedint umbringen will
[...]
Ich habe aber keinen Bock, von MEINEN Krankenkassenbeiträgen den Selbstmord von anderen zu bezahlen. Das Geld ist besher bei denen aufgehoben, die GESUND werden möchten.
Außerdem hätte ich kein Vertrauen zu einem Arzt, der anderen beim Mord hilft. Dann sollten am Besten alle Ärzte auf eine Liste kommen, die einen Selbstmord unterstützen, damit man als Patient da bescheid weiss und da nicht hingeht!
Gekürzt. Bitte formulieren Sie Kritik sachlich und differenziert. Die Redaktion/lh
@ 8
"Das Geld ist besher bei denen aufgehoben, die GESUND werden möchten."
Na ja, gesund werden *wollen* ja wohl alle. Und das Kostenargument ist lächerlich. Das wäre es selbst dann wenn diejenigen, die Sterbehilfe in Anspruch nehmen wollen, keine Krankenkassenbeiträge zahlen, was sie aber nun mal tun.