"Wer Führung bestellt, bekommt sie", verkündete Olaf Scholz bei seiner Übernahme des SPD-Parteivorsitzes 2009 und formulierte damit einen absoluten Machtanspruch, dem die Genossen nach Jahren des innerparteilichen Streits nur allzu gerne folgten. Der Satz spiegelt Scholz’ Führungsstil wider und wurde nach seiner Wahl zum Bürgermeister 2011 auf die ganze Stadt übertragen. Ihm liegt das Verständnis zugrunde, dass Führung eine Angelegenheit ist, der man sich besser fügt – erst recht, wenn man etwas werden will. Doch Hamburg ist nicht die SPD. Eine Stadt von 1,8 Millionen freien und kreativen Menschen braucht mehr als nur Ansagen von oben.
Scholz’ markige Aussage klingt nicht nur autoritär, sie ist auch so gemeint. Mit seiner Machtfülle in Partei und Staat bedient er sich als Parteivorsitzender und Bürgermeister eines streng gegliederten Führungsapparats. Spricht man mit Spitzenbeamten der Stadt, hört man, dass des Bürgermeisters Überzeugung von der eigenen Überlegenheit bis heute im deutlichen Kontrast zu seinem Misstrauen und Kontrollbedürfnis gegenüber seiner eigenen Verwaltung steht. In einem solchen Klima wachsen weder starke Persönlichkeiten heran noch starke Ideen. Anpassungsfähigkeit gefällt. Die blasse Senatsmannschaft ist ein Abbild dieses Zustandes. Bedingungslose Gefolgschaft zu verlangen und weder Kritik noch Widerspruch von den Führungskräften in den Behörden zu dulden mag kurzfristig als "Klarheit" wirksam sein. Doch langfristig kann das keinen Mitarbeiter motivieren. Und ein Chef, der Kritik und Widerspruch nicht zulässt, erfährt irgendwann auch nicht mehr, wie die Dinge wirklich stehen.
Diese Art der Führung hat die Mehrheit der Hamburger nicht bestellt und auch nicht verdient. Hamburg braucht an der politischen Spitze einen zeitgemäßen Führungsstil. Hamburg braucht einen Bürgermeister, der auf Experten hört, Widerspruch duldet und ihn sogar einfordert. Wir brauchen eine Kommunikationskultur, die sich stärker mit den Argumenten der anderen auseinandersetzt und öffentliche Debatten führt, bevor Entscheidungen getroffen werden.
Nur auf den ersten Blick hat Olaf Scholz die partnerschaftliche Politikgestaltung seines Vorgängers fortgesetzt. Ole von Beust war zur Lösung des fundamentalen Konflikts zwischen Ökonomie und Ökologie von der Rolle des bevormundenden Staates abgerückt und hat mit Klima- und Umweltschutzpartnerschaft, aber auch der Arbeitsschutzpartnerschaft politische Maßstäbe gesetzt. Aber Scholz hat diese Form des Vertragswesens "weiterentwickelt" und ad absurdum geführt: Anstatt mit Partnern auf Augenhöhe zu verhandeln, hat er Verträge mit von ihm Abhängigen durchgesetzt. Beispielsweise mit den sieben Bezirksämtern zum Wohnungsbau. Oder mit den Hamburger Hochschulen. Der Öffentlichkeit wird damit Einigkeit vorgegaukelt. Falls Politik nicht funktioniert, sind die Vertragspartner als Schuldige schnell gefunden. Mit den Hochschulen wurde für fast ein Jahrzehnt "vereinbart", jährlich nur 0,88 Prozent mehr Geld zur Verfügung zu stellen – viel zu wenig, um auch nur Tarif- und Kostensteigerungen auszugleichen.
Als die Präsidenten der Hochschulen wegen der deutlich steigenden Personalkosten wie im Vertrag vorgesehen mit der Wissenschaftsbehörde nachverhandeln wollten, holten sie sich eine blutige Nase. Die Antwort der zuständigen Senatorin war eindeutig: Es gebe keinen Grund für neue Verhandlungen. Hier bestimmt nur einer über die Vertragsauslegung – der Senat. Hierarchie statt Partnerschaft.
Die Finanzierung der Hochschulen ist politischer Betrug
Wie kann ein führender Politiker heute überhaupt auf die Idee kommen, in den wichtigsten Zukunftsfeldern Wissenschaft und Forschung so massiv den Rotstift anzusetzen? Das hat etwas mit den markigen "Versprechungen" des Kandidaten Scholz im Wahlkampf 2011 zu tun. Was er versprochen hat, gibt es. Wo er nichts versprochen hat, gibt es auch nichts. Egal, wie sinnvoll oder auch notwendig es wäre. Offenbar dachte man in der SPD, mit der Abschaffung der Studiengebühren genug getan zu haben. Ist es da nicht Starrsinn, die Bafög-Entlastung des Bundes nicht zu nutzen, um in mehr Qualität der Hochschulen zu investieren? Dass die Sozialdemokraten diese 30 Millionen nun im allgemeinen Haushalt versickern lassen, halten nicht nur Universitätspräsidenten für einen Skandal. Ja, es ist einer und politischer Betrug obendrein. Denn gemäß der Vereinbarung zwischen Bund und Ländern soll dieses Geld in Bildung fließen. Es ist bekannt, dass Scholz Universitäten nicht für wahlentscheidend hält. Damit mag er vielleicht recht haben. Für die Zukunft unserer Stadt aber werden hochwertige Hochschulen mit erstklassiger Lehre und exzellenter Forschung immer wichtiger. Universitäten sind systemrelevant. Und wenn da schon die Wissenschaftssenatorin zu schwach ist, wo bleibt der Aufschrei des Wirtschaftssenators? Immerhin führt er stolz den Namen "Innovation" im Titel seiner Behörde. Doch still ruht der See.
Kommentare
Stimmt ja...
aber kann's die Opposition besser? Der letzte CDU-geführte Senat war doch ein Totalreinfall und nach allem, was man so hört, hat die CDU die Ursache noch lange nicht aufgearbeitet.
Es wäre glaubwürdiger gewesen wenn er diesen Artikel über Kauder geschrieben hätte, der mindestens so stur ist, wie es hier über Scholz geschrieben wird.
Stattdessen die übliche Parteipolitik mit Gschmäckle, würde ich sagen.
Autoritäre kerneigenschaft Hamburger Politik
Die Stadt als Beute
Als Hamburger sehe ich keinen Unterschied zwischen CDU oder SPD, der Filz ist gigantisch und war der Grund warum viele die Schill Partei wählten.
Im Hinterzimmer geben sich beide großen Parteien die Hand und teilen die reiche Beute auf.
Mitbestimmung damit antiautoritär, ist dem Senat generell ein mächtiger Dorn im Zeh.
Hr. Wersich hat vermutlich sehr vieles vergessen.
- Gegen alle Hamburger wurden die staatlichen Krankenhäuser privatisiert. Es ging da wohl eher um die Grundstücke.
- Das unsägliche Osmani/HASPA und HSH Desaster.
Der HSH Vorstand lag mit der italienischen Mafia im Bett, > 3 Mrd.€ Schulden. Das einer der politisch Verantwortlichen auch noch von Hr. Gauck ein Bundesverdienstkreuz für seine unfähige Arbeit erhielt, zeigt welche unrechtsbewusstsein der Senat hat.
- Undurchsichtige Privatisierung und "Unterbewertung" bestimmter Immobilien, soweit bekannt ermittelt die Staatsanwaltschaft. Stichwörter Alstria, Stuhlmann und Konsorten.
- Hamburg hat "europaweit" den teuersten öffentlichen Nahverkehr.
- Was haben die HH Wasserwerke in Istanbul und die HVV in Neuseeland zu suchen?
- Die Verquickung zwischen der Handels- und Handwerkskammer und dem Senat stinkt gigantisch zum Himmel.
Die Bauzeit des Panama Kanals: 1881-1889 also 8 Jahre.
Bauzeit der Viel-Geld-Disharmonie, Beginn 2007 bis heute 7 Jahre,
ein Ende ist nicht in Sicht.
Geht noch viel weiter I
Hr. Wersich und die aktuelle $PD bemühen sich in Hamburg um Transparenz.
Die mediale Front Aussage völlig verlogen.
Im Bundestag fand eine Abstimmung mit genau dem Gegenteil statt:
"Bundestag versteckt Rechnungshof-Akten"
http://www.zeit.de/politi...
Was auf Bundesebene geht auch auf Landesebene
Hamburg und ihre unsäglichen Filz GmbH´s und Landesbetriebe wie z.B. SAGA.
Der Teufel steckt im Detail.
http://www.abendblatt.de/...
"Städtische Unternehmen gegen Transparenz"
http://www.welt.de/print/...
Die Dreistigkeiten des Senates gehen viel weiter.
- Hamburg hat nach ~1200 jahren durch Ole v. Beust 2006 ein Reichskonkordat( von 1933) unterschrieben.
Mit einem Hallelujah finanzieren die Hamburger soweit bekannt über 4 Millionen Euro den durchgeknallten Bischofs-Prunksitz des Tebartz-van Elst.
Nun darf sich Hamburg zurecht als "Unfreie Hansestadt Hamburg" nennen.
Da sollte man wohl den Gottorper Vertrag u.a. ansehen. Die Reichsunmittelbarkeit der Hansestadt ist dem Vatikan/Adel ein Dorn.
Fortsetzung Bildung
Warum wird hier Wahlwerbung für die CDU
als "Gastbeitrag" bezeichnet und auf ZON veröffentlicht und nicht im CDU-Parteiblat, wo er hingehört?
Gähn....
Weil ein Gastbeitrag ein Gastbeitrag ist und sich jeder beim Lesen seinen eigenen Teil dazu denken kann. Es gab auch schon Gastbeiträge von den Grünen (kürzlich Bärbel Höhn zur Kohlenergie, gefolgt von einer Antwort eines SPD-Mannes), von der SPD selbst (Gabriel).
Halten Sie den Leser doch bitte nicht für so verblödet, dass er nicht zwischen Gastbeitrag und Werbung für eine Partei unterscheiden kann. Ich kann das.