Die meisten tun es zweimal am Tag, doch keiner weiß, wie es richtig geht. Manche machen es so, wie Eltern und Lehrer es ihnen vor Jahrzehnten eingeschärft haben. Andere vollführen Verrenkungen, um die komplizierte Empfehlung ihres Arztes umzusetzen. Und manche folgen der Anleitung, die ihrem neuen elektrischen Hilfsgerät beiliegt. Ob all die Mühen zum Ziel führen, ist ungewiss – niemand weiß, wie man sich wirklich richtig die Zähne putzt.
Noch nicht einmal die Wissenschaft. Forscher vom University College London haben die Fachliteratur analysiert und herausgefunden: Die Empfehlungen zur Zahnputztechnik unterscheiden sich stark, nicht nur zwischen verschiedenen Ländern, sondern auch je nach Ratgeber. Die einzelnen Zahnärzte, Fachorganisationen, Lehrbücher und Hersteller von Zahnpflegeprodukten empfehlen Verschiedenstes. "Es ist völlig unverständlich, dass Empfehlungen, die Zahnärzte tagtäglich Millionen von Menschen zum richtigen Zähneputzen geben, noch nicht wissenschaftlich belegt sind. Ich nehme mich selbst von dieser Kritik nicht aus", sagt Stefan Zimmer, der Leiter des Departments für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universität Witten/Herdecke.
Ziemlich verrückt. Wir lassen dreibeinige Sonden auf fernen Kometen landen, entlarven mit riesigen Beschleunigern winzige Teilchen, und Autos können inzwischen selbsttätig einparken. Aber wie Zähneputzen richtig geht, haben wir noch nicht herausgefunden. Es fehlen schlicht Beweise dafür, dass eine Methode einer anderen wirklich überlegen ist, dass etwa kompliziertes Kreisen besser ist als einfaches, vorsichtiges Bürsten. Dabei geht es nicht bloß um Karies und Zahnfleischentzündung. Wenn sich Bakterien im Zahnbett ausbreiten, steigt auch das Risiko für Diabetes, Herzinfarkt und Schlaganfall.
Praktiziert wird Zahnpflege schon seit Urzeiten (Ötzi stocherte um 3200 vor Christus sein Gebiss mit Stöckchen sauber), doch wissenschaftlich erkundet wurde diese Kulturtechnik nur unzulänglich. "Zur Prophylaxe wird in der Zahnmedizin einfach viel zu wenig geforscht", sagt Zimmer. "Wer Krankheiten vermeidet, erntet leider keinen Ruhm." Zu Füllmaterialien und Implantaten hingegen gebe es viel mehr Studien.
Der Forschungsstand ist daher rasch zusammengefasst: "Zweimal täglich mit fluoridhaltiger Zahnpasta zu putzen schützt vor Karies. Das ist wissenschaftlich erwiesen", sagt Zimmer. Ansonsten weiß die Wissenschaft bislang nur, dass wir nichts wissen. "Unsere Studien zeigen, dass es kaum ein Patient schafft, die Zähne wirklich sauber zu putzen", sagt Renate Deinzer, Leiterin des Instituts für Medizinische Psychologie der Universität Gießen. Das mag auch an zu anspruchsvollen Techniken liegen. Bei der Stillman-Technik etwa wird das Borstenfeld in einem Winkel von etwa 45 Grad zur Zahnachse auf das Zahnfleisch gedrückt und dann zum Zahn hin abgerollt. Alles klar? Bei der Rütteltechnik nach Bass muss das Borstenfeld ebenfalls im richtigen Anstellwinkel ausgerichtet werden. Und selbst das Kreisen nach Fones, das die meisten spätestens im Kindergarten vermittelt bekommen, ist nicht trivial. Solange nicht klar ist, was am besten säubert, empfehlen Deinzer und Zimmer deshalb, eine möglichst einfache Technik zu nutzen – Hauptsache systematisch und gründlich.
Mangels Evidenz sind wir dabei auf uns allein gestellt. Es empfiehlt sich eine bewährte, im Kern wissenschaftliche Methode: Trial and Error. Bedeutet in diesem Fall: Zähne putzen, Färbetablette kauen, Ergebnis analysieren, nachputzen. Jeder müsse lernen, "es individuell für seine Zähne richtig zu machen", sagt Renate Deinzer. Denn viele Faktoren, wie die Stellung der Zähne, das Alter oder die Geschicklichkeit, spielen eine Rolle. Wer sich unsicher ist, sollte bei seinem Zahnarzt vorputzen und sich beraten lassen. Dann kann er auch gleich fragen, welche Zahnbürste für ihn persönlich am besten ist, ob er Zahnseide oder Zwischenraumbürsten braucht. Dazu gibt es nämlich ebenfalls keine allgemeinen wissenschaftlichen Empfehlungen.
Selbst der beste Zeitpunkt fürs Zähneputzen ist noch nicht ausreichend in Studien belegt. "Wir wissen aber, dass nachts weniger Speichel gebildet wird und deshalb dessen Schutz- und Reparaturfunktion vermindert ist", sagt Dietmar Oesterreich, der Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer. "Wenn die Zähne nicht geputzt sind, können daher Prozesse, die zu Karies, aber auch zu Entzündungen am Zahnfleisch führen, intensiver ablaufen als über den Tag." Die Experten schließen sich also der Eltern-Weisung an: "Zähneputzen – ab ins Bett!" Aber ausgerechnet von einer der bekanntesten Zahnputzregeln (3 Minuten!) halten viele Fachleute nichts. "Die gibt vielen nur eine falsche Sicherheit" sagt Renate Deinzer. "Die glauben dann, den Job erledigt zu haben, sobald die Zeit rum ist."
Jetzt will die Bundeszahnärztekammer das Putz-Chaos ordnen, sagt deren Vizechef Oesterreich: "Wir versuchen mithilfe eines Expertengremiums, auf Grundlage der internationalen Studienlage einheitliche Empfehlungen zur richtigen Zahnpflege zusammenzuführen." Doch die Untersuchung der britischen Kollegen legt nahe, dass es da wohl noch nicht viel zusammenzuführen gibt. Einheitliches schon gar nicht.
Kommentare
Toi toi toi
Da meine Kinder nur per Fernschule unterrichtet werden, sind sie bis zu 25 Jahre alt und keine Spur von Karies...Sie putzen täglich drei mal die Zähne und nie vor dem Frühstück. Das als praktischer Hinweis. Sie bekamen nur 2 Wochen Muttermilch!
Toll.
Na dann.
Ich habe keine Fernschule besucht und auch keine Probleme mit Karies, bei täglich zweimaligem Putzen meiner Zähne, wenn nötig, auch vor dem Frühstück - mit einem Pappmaul zur Arbeit ist unschön, möchte mich ja unterhalten.
Toi, toi, toi.
Sachen gibt es.
Eigene Praxis ist halt lukrativer als Forschung
Zitat: "Wir lassen dreibeinige Sonden auf fernen Kometen landen, entlarven mit riesigen Beschleunigern winzige Teilchen, und Autos können inzwischen selbsttätig einparken. Aber wie Zähneputzen richtig geht, haben wir noch nicht herausgefunden."
Ich wage mal zu behaupten, dass das Forschungsinteresse gerade in dieser sehr speziellen Disziplin und ihren Teilbereichen eher mager ausgeprägt ist.
Wer Zahmedizin studiert, der tut das doch aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in der Hoffnung auf einen Nobelpreis, sondern primär der leichten Arbeit und des Geldes wegen.
Für die Forschung bleibt selbst in den Unikliniken meistens auch kaum Zeit: Die Studenten und angehenden Zahnärzte müssen trainiert und auf Prüfungen vorbereitet werden und es werden auch noch eigene Patienten betreut, um Geld in die (wahrscheinlich inzwischen privatisierte) Klinikkasse zu spülen.
Dazu noch die armseligen Ansprüche an die Promovierenden. Gleiches Spiel in der Standardmedizin. Was sich dort Dissertation schimpft, schraubt jeder beliebige Germanistikstudent im vierten Semester innerhalb einer Woche zusammen...
Das Ganze dann mit einer Gehaltsaussicht, die den künftigen Ärzten jede noch so zaghafte Bereitwilligkeit für Forschungskarrieren austreibt.
Leichte Arbeit?
"Wer Zahnmedizin studiert, der tut das doch aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in der Hoffnung auf einen Nobelpreis, sondern primär der leichten Arbeit und des Geldes wegen."
Eine meiner Freundinnen ist Zahnärztin. Erst war sie angestellt, jetzt ist sie selbstständig. Immer, wenn ich sie sehe, habe ich nicht den Eindruck, dass sie gerade aus dem Urlaub kommt, sondern dass sie im Gegenteil Erholungsurlaub dringend nötig hätte.
Mein Erfolgsrezept:
Bis Alter 30 hatte ich dauern Kariesprobleme und Zahnfleischschwund sowie -bluten, trotz zweimaligem Zähneputzen täglich.
Seit 30 Jahren habe ich nun keine Probleme mehr (ausser etwas Zahnstein, wird einmal pro Jahr entfernt). Wie ging das:
Ich putze genau 1x täglich die Zähne, und zwar immer vor dem Zubettgehen (zum Schlafen, nicht für anderes, da kann es warten...). Dies geschieht wie folgt: 1. klassisches Zähneputzen über ca. 2 Minuten mit Zahnbürste von Hand ('Vorreinigung'), gut spülen. 2. Reinigung mit Zahnseide zwischen den Zahnräumen (ich staune jeweils, wieviel an Speiseresten trotz Vorreinigung noch vorhanden sind!) 3. Intensivreinigung über ca. 3 Minuten mit elektrischer Zahnbürste (Sony Care) 4. Nachspülen mit Mundreinigungswasser.
Ich wechsle häufig die Zahnpasta und die Zahnbürste und achte darauf, dass ich dann vor dem Zubettgehen absolut nichts mehr esse, sondern höchstens noch Mineralwasser trinke.
Dank dieser Vorgehensweise, die ich eisern einzuhalten versuche, habe ich seit 30 Jahren nie mehr irgendein Problem mit meinen Zähnen (ausser wie gesagt etwas Zahnstein), kein Zahnfleischbluten noch sonst irgendetwas, und das, obschon ich bis dahin ein absoluter Problemfall mit den Zähnen war.
Zähneputzmythen
Man darf sich ja beim Zahnarzt oder der Zahnpflege immer die ganzen Belehrungen anhören, aber jeder erzählt es ein wenig anders und wirklich bewiesen ist kaum etwas. Deswegen ist es gut, dass der Artikel die Thematik aufgreift.
Letztlich ist der Mensch in der größten Zeit seiner Geschichte ohne Zähneputzen und Zahnärzte ausgekommen. Sicher hat man mit Gräsern oder Kräutern auch Zahnpflege betrieben, der Zahnzustand war wohl auch nicht bei allen optimal und einer der wichtigsten Faktoren war wohl die geringere Verfügbarkeit von Zucker in früheren Zeitaltern.
Es gibt Menschen, die putzen sich zweimal die Woche die Zähne und haben nie Probleme. Andere brauchen trotz Putzen nach jeder Mahlzeit, Zahnseide und Co. ständig neue Füllungen. Und auch über die Fluoridierung gibt es unterschiedliche Ansichten, aber das ist ein Themenkomplex für sich.
Ich bin so verblieben, mir einmal am Tag gründlich die Zähne mit einer fluoridfreien Zahncreme zu putzen. Ansonsten wird mit Xylit nach den Mahlzeiten durchgespült. Damit fahre ich seit einiger Zeit ganz gut, die Zähne sind glatt und der Säuregehalt im Mund ist nicht mehr so hoch wie zu der Zeit, als ich noch häufiger geputzt aber auf Xylit verzichtet habe.