DIE ZEIT: Nach seinen despektierlichen Bemerkungen über Frauen hat der Nobelpreisträger Tim Hunt binnen weniger Tage all seine Ämter verloren. Ist das ein Sieg für die Gleichberechtigung?
Ingrid Wünning Tschol: Natürlich waren Hunts Äußerungen schlimmer als nur ein dummer Witz. Darüber brauchen wir gar nicht zu reden. Was sich daraus allerdings entwickelt hat, scheint mir reichlich übertrieben.
ZEIT: Meinen Sie den Shitstorm auf Twitter oder die Reaktionen der Universität London und anderer Gremien?
Wünning Tschol: Was im Netz lief, war ja zum Teil lustig. All die Forscherinnen, die sich in ironisch verführerischen Posen in ihren Laborkitteln oder Schutzanzügen zeigten oder vorgaben, ganze Pfützen von Tränen aufzuwischen. Diesen weltweiten Spott, aber auch die zu Recht empörten Reaktionen im Netz hat Hunt wirklich verdient. Aber wie sich die wissenschaftlichen Institutionen verhalten, hat aus meiner Sicht etwas ziemlich Scheinheiliges.
ZEIT: Weil auch viele andere Forscher so denken wie Hunt, das aber besser kaschieren?
Wünning Tschol: Ja. Fakt ist doch, dass der gender bias, die Benachteiligung von Frauen, noch immer weit verbreitet ist – auch in der Wissenschaft. Das ist nur heute, politisch ganz korrekt, weniger sichtbar geworden. Und wehe, jemand steht zu seinen Vorurteilen öffentlich: Dann wird er prompt gesteinigt. Mir scheint, Tim Hunt wird hier als willkommener Sündenbock in die Wüste geschickt, am generellen Missstand ändert sich nur langsam etwas.
ZEIT: Sie sind in der europäischen Wissenschaft ja gut vernetzt und kennen Tim Hunt persönlich. Ist er so ein verbohrter Frauenfeind, wie es jetzt den Anschein hat?
Wünning Tschol: Ich habe Hunt ein paarmal getroffen und kann nur sagen: Frauenfeindlich habe ich ihn nicht erlebt; er ist sympathisch, ein wenig skurril, und er hat einen schrägen Humor. Der ist offenbar mit ihm durchgegangen. Dabei hätte er eigentlich wissen müssen, dass er als Nobelpreisträger eine besondere Verantwortung trägt und dass solche Bemerkungen – zumal im Kreis von Journalisten – alles andere als geistreich sind.
ZEIT: Ein naives Opfer also?
Wünning Tschol: Natürlich waren seine Äußerungen nicht akzeptabel. Dass er dafür aber derart abgestraft wird, sendet die falschen Signale: Nicht die verbreiteten Vorurteile werden geächtet, sondern er wird geächtet, weil er sie sichtbar gemacht hat. Das Problem ist ja nicht nur Tim Hunt, sondern die verbreitete Benachteiligung von Frauen.
Kommentare
Was war sein Job?
Vielleicht hätte sich die Uni einfach daran erinnern sollen, wofür sie Hunt angestellt hatten: Nicht als Genderbeauftragten, sondern als Wissenschaftler. Dass er dort Großartiges geleistet hat, ist eindeutig. Wenn also ein meinetwegen durchaus blöder Spruch für eine Uni mehr zählt als die wissenschaftliche Leistung, dann sollte sie nochmals über die Bücher.
Zu den "uralten, tiefverwurzelten Vorurteilen": Dass gebildete Frauen beim femininen Wort "die Koryphäe" überwiegend an eine männliche Person denken, wird Femistinnen noch lange ärgern, lässt sich aber nur ändern, wenn Frauen in großer Anzahl Spitzenpositionen erreichen wollen.
realistisch betrachtet
Tim Hunt war ganz sicher nicht als Wissenschaftler am UCL beschäftigt. Er hat großes erreicht und wurde dafür mit dem höchsten Preis für Wissenschaftler ausgezeichnet. Seine letzte wissenschaftliche Veröffentlichung ist aber über 20 Jahre her, der Nobelpreis auch schon ein paar Jährchen, eine aktive Forschungsgruppe hat er an der Uni nicht.
Was war also seine Funktion? Netzwerker, Berater, Aushängeschild. "Seht her, wir haben einen Nobelpreisträger in unseren Reihen!" Leider hat sein spezieller Humor ihn nun als Aushängeschild untauglich gemacht, daher musste er gehen.
Nun drückt er in Interviews auf die Tränendrüse. Ob ihm die Ironie bewusst ist?
Sobald jemand auch nur ansatzweise die Wahrheit sagt,
wird er abgesägt und seine Karriere zerstört. Ganz so wie es üblich ist in einem Unrechts- und Lügenstaat.
Fairerweise muss man sagen, dass der Wahrheitssuche nicht
nachgegangen wurde. Denn was bei der ganzen Aufregung rund um Tim Hunt und dessen vermeintlichen oder wirklichen sexistischen Äußerungen und den darauf folgenden Rücktritt überhaupt nicht beantwortet und beachtet wurde, mich aber am meisten interessiert: Ist an seiner vielleicht auch etwas flapsigen Aussage etwas dran? Was ist, wenn seine Aussage eine Aussage über die Realität ist? Wie sieht es mit Partner- und Heiratsmarkt im Labor aus, Paarungs- und Bindungsverhalten von Akademikern. Wie verhalten sich Frauen, wie Männer? Man könnte doch die Belegschaft befragten, ob Herr Hunt vielleicht nicht doch irgendwie recht hat? Das hätte sich ein Wissenschaftler, egal ob Sozialwissenschaften oder Evolutionsbiologe, gleich nach dem Aufschrei der Geschlechtsbewegten fragen trauen: Persönliches Schlimmfinden beiseite, stimmt es denn was der Nobelpreisträger sagt?
Irrtum....
"Nicht wirklich. Dort sind nur 17,5 Prozent der Forschungschefs weiblich. Von echter Gleichberechtigung sind auch die Briten noch weit entfernt. "
Dies nennt man Gleichstellung, also Ergebnisgleichheit und hat mit Gleichberechtigung nichts zu tun.
Wann kapieren das endlich diese Genderfuzzies?
tL
Geht schon gut los
"Ingrid Wünning Tschol: Natürlich waren Hunts Äußerungen schlimmer als nur ein dummer Witz. " - Darüber wird nicht diskutiert !! Nacher muss man sich noch andere Standpunkte anhören.
Sonst auch hier nur wieder: Frauen sind benachteiligt, Nachweise werden nicht geliefert, höchstens in Form von nichtssagenden Statistiken.
"Dort sind nur 17,5 Prozent der Forschungschefs weiblich. Von echter Gleichberechtigung sind auch die Briten noch weit entfernt. " - Es geht also nicht um Gleichberechtigun sondern um Gleichstellung. Die Dame kann die Begrifflichkeiten nicht auseinander halten oder vermischt sie vorsätzlich.
"Da gibt es viele Faktoren, angefangen von den immer noch existierenden old boys-Netzwerken bis hin zur Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. " - Old boys netzwerke sind ganz, ganz böse. Wenn Frauen das machen, wird es allerdings zu "Support" oder sowas AcademiaNet was natürlich vollkommen in Ordnung ist. Doppelstandart halt.
Wie hier eine Forscherin schonmal schrieb: Wenn Frauen in der Wissenschaft Karriere machen sollen, müssen Sie halt hart arbeiten und es auch wollen ! http://www.zeit.de/2015/1...
Ich kann nur meinen alten Post wiederholen zum Thema:
Eine statistische Ungleichverteilung besagt nichts über eine Benachteiligung. Was ist gerecht? Gleichberechtigung oder Verteilungsgleichheit? Logischerweise muss als Prozentuierungsbasis für eine Repräsentanz der Bewerberanteil genommen werden, denn weder folgt aus dem Anteil weiblicher Merkmalsträger an der Gesamtbevölkerung, noch der Studenten, noch der Promotionen ein Anrecht auf entsprechende Repräsentanz, da, oh Wunder, Frauen im Schnitt einfach weniger LUUUUUST (heute Benachteiligung genannt) auf eine Professur haben, das hat nichts mit Diskriminierung zu tun. Ein Blick in den 17. (sic!) Chancengleichheitsbericht der GWK genügt, Tabellen 5.2 bis 5.3, Seite 84-88 (PDF). Dort ist zu entnehmen, dass der weibliche Bewerberanteil für Professuren in NRW bei 24,7%, der Anteil auf Listenplätze sowie die Berufungen bei 33,8% liegt. Das ist ein starker Hinweis darauf, dass Frauen massiv gegenüber Männern bevorzugt werden bei einer über 36.8% höheren Berufungswahrscheinlichkeit. Wer sich über die Zahlen informieren will
bitten den Bericht der GWK "18. Fortschreibung des Datenmaterials (2012/2013)zu Frauen in Hochschulen und außerhochschulischen Forschungseinrichtungen" lesen, der ironischerweise noch mit Chancengleichheit in Wissenschaft und Forschung überschrieben ist, obwohl aus den Zahlen hervorgeht, dass eben Frauen massiv bevorzugt werden und das eigentlich Anliegen die klassisch sozialistisch Verteilungsgleichheit ist.