Das erste Robotergesetz von Isaac Asimov lautet: Ein Roboter darf ein menschliches Wesen niemals verletzen. Der Science-Fiction-Autor hat dieses Gesetz bereits in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts formuliert. Heute liegt ein Patient in Vollnarkose im Operationssaal der Hamburger Martiniklinik und lässt sich von dem Medizinroboter DaVinci die vom Krebs befallene Prostata entfernen.
Vor wenigen Minuten wurde DaVinci an den Operationstisch geschoben. Seine vier Roboterarme hängen an einem Stativ über dem 58-Jährigen. Drei tragen sterile Instrumente: eine chirurgische Schere, eine Pinzette, eine Greifzange. Am vierten Arm ist eine 3-D-Kamera befestigt, die den Eingriff filmen wird. Die Entfernung der Prostata mit DaVinci ist eine minimalinvasive Prozedur: Die Operation findet also nicht am geöffneten Körper, sondern im Körperinneren statt. Damit Kamera und Instrumente sicher in die Bauchhöhle gelangen, hat der Chirurg Markus Graefen mit dem Skalpell kleine Schnitte in die Bauchdecke des Patienten gesetzt und schmale Röhren eingeführt, an die sein Assistent die Roboterarme ankoppelt.
Der erste Prototyp für den Medizinroboter im Hamburger Operationssaal entstand bereits in den achtziger Jahren im amerikanischen Stanford. Die treibende Kraft dahinter war – wie bei vielen neuen Technologien – das Militär. Während des Vietnamkriegs war die Idee aufgekommen, einen Roboter zu entwickeln, der in Kriegsgebieten oder bei Weltraum-Missionen aus der Ferne gesteuert Verletzte operieren sollte. Bisher finden solche telemedizinischen Eingriffe aber kaum statt, außer zu Demonstrationszwecken. Noch ist technisch nicht gewährleistet, dass die Daten schnell und sicher genug übertragen werden können. Dabei könnte die Technologie in Zeiten des Ärztemangels vielleicht ein paar Versorgungsprobleme lösen.
Zu einem medizinischen Erfolg wurden die minimalinvasiven Operationen mit der Technik aus Stanford dennoch. Im Jahr 2000 bekam das kalifornische Start-up Intuitive Surgery in den USA die Zulassung für das DaVinci-System. Heute sind nach Unternehmensangaben in Amerika 2.500 DaVinci-Roboter im Einsatz, in Europa mehr als 600, davon 85 in Deutschland. Allein im vergangenen Jahr gab es weltweit mehr als 650.000 Operationen mit dem System. Bei Eingriffen wie der Prostata-Entfernung hat die Roboterchirurgie in den USA die konventionelle Operationstechnik sogar weitgehend verdrängt – obwohl die Ergebnisse bisher nicht eindeutig besser sind, wie zuletzt eine Studie im Fachjournal Lancet zeigte.
Für das Unternehmen hat sich die Entwicklung auf jeden Fall ausgezahlt. Im Jahr der DaVinci-Zulassung ist es auch an die Börse gegangen. Seitdem stieg der Wert der Intuitive-Aktie von zehn auf zuletzt mehr als 600 Dollar. Auch andere Anbieter versuchen inzwischen, vom Trend zum Roboterchirurgen zu profitieren, dessen Einsatzgebiet sich laut dem jüngsten Report der International Federation of Robotics zur wichtigsten Sparte der Medizinrobotik entwickelt. So treiben neben Start-ups auch große Medizintechnikunternehmen wie Medtronic die Entwicklung eigener Prototypen im Gebiet der Viszeralchirurgie voran.
In der Hamburger Martiniklinik tritt Chirurg Graefen nach der Vorbereitung des Roboters vom Operationstisch zurück. Er zieht den sterilen Kittel aus, schlüpft aus seinen grünen Gummilatschen und setzt sich in Socken an eine Konsole in der Ecke des Saales. Von hier aus wird er in den folgenden dreieinhalb Stunden mithilfe von zwei Handgriffen und mehreren Fußpedalen den Medizinroboter steuern. Aus der Bauchhöhle manövriert er die Instrumente langsam ins Becken des Patienten, wo die Prostata unterhalb der Blase sitzt.
Die Entfernung ist heikel: Auf beiden Seiten des Organs verlaufen feinste Geflechte aus Blutgefäßen und Nerven, die intakt bleiben müssen. Werden sie verletzt, könnte der Mann auf dem Tisch später inkontinent und impotent sein.
Kommentare
Irgendwie fängt der Artikel falsch an: "Ein Roboter darf ein menschliches Wesen niemals verletzen."
Der im Folgenden beschriebene Roboter entscheidet nichts selbstständig. Insbesondere verletzt er daher Niemanden. Er macht nur, was der Chirurg ihm sagt. Insofern ist der Da Vinci Roboter eine Weiterentwicklung des Skalpells.
Aber danach ist der Artikel sehr interessant.
Sehe ich genauso. Das Gerät hier ist kein "Roboter" im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs (und auch nicht der "Roboterethik"), sondern eben ein wenn auch sehr hochentwickeltes Gerät. Das würde sich auch unter telemedizinischen Voraussetzungen wie am Anfang des Artikels beschrieben nicht ändern. Es sei denn, es hätte eben kein menschlicher Arzt zu jeder Zeit die Kontrolle und das Gerät würde selbsttätig operieren.
Aber so weit sind wir schon rein technisch noch nicht, glaube ich. Wenn wir uns nicht so recht zu selbstfahrenden Autos durchringen können, weil diese gelegentlich noch ihre Sensordaten durcheinanderbringen und Autoscooter spielen, ist ein selbstschnippelndes Skalpell vielleicht nicht die allerbeste Idee.
Wer wäre Schuld? Na wie immer in Deutschland: Keiner ;)
Das wäre manchmal die beste und logischste Lösung... allerdings scheint das der deutschen Rechtsordnung so abgrundtief wesensfremd zu sein, dass man immer einen Schuldigen findet.
Die Erfahrungen, die man mit Robotern bei künstlichen Hüftgelenken gemacht hat, sind alles andere als positiv:
http://www.spiegel.de/spi...
Also ich weiß ja auch nicht, ob das wirklich nötig ist...ich möchte mich, falls nötig, lieber ohne Roboter operieren lassen. Ich verstehe das Prinzip und den Gedanken dahinter, aber mir erschließt sich der Sinn nicht, wenn eh ein Chirurg da sitzt und den Roboter steuert. Statt zu lernen, wie er ihn steuert, soll er es doch lieber gleich selbst machen und mit jedem Mal wird er sicherer und erfahrener. Und was die Risiken betrifft: hierüber wird man ja vorher ausgiebig aufgeklärt. So oder so. Muss wirklich alles heutzutage so hochtechnisierten werden?!
Ein Mensch kann niemals so genau arbeiten wie eine Maschine. Das ist einfach nicht möglich egal wie sehr er sich bemüht und wie viele OPs er gemacht hat. Gerade bei einer Prostata-Entfernung kann jeder Millimeter Abweichung von der Ideallinie gravierende Folgen haben. Ein kleiner Wackler und man ist impotent. Der Computer ist für dieses Operationsgebiet ein Segen. Der Chirurg operiert Sie übrigens selbst: Master-Slave Prinzip. Er bringt die Schnitte mit seinen Händen an, der Computer führt den "bereinigten" Schritt aus.