Fragt man in Warschau nach Jarosław Kaczyński, dem Vorsitzenden der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), trifft man mitunter auf seltsame Reaktionen. Es gibt Gesprächspartner, die unvermittelt die Stimme senken. Ob aus Ehrfurcht oder aus Angst, ist manchmal schwer zu unterscheiden. Jadwiga Staniszkis hingegen spricht laut und deutlich. Es stört sie auch nicht, dass die Nachbartische im Café voll besetzt sind. Die 74-Jährige hat die längste Zeit ihres Lebens unter kommunistischer Herrschaft verbracht, so schnell jagt ihr niemand mehr Angst ein.
Sie war eine junge Hochschullehrerin, als Jarosław Kaczyński und sein Zwillingsbruder Lech bei ihr studiert haben. Zwei Semester Soziologie waren damals Pflicht, Ende der sechziger Jahre. Der Vater der beiden war Ingenieur, er hatte das Gebäude der amerikanischen Botschaft gebaut. Staniszkis hat die Zwillingsbrüder auch später nicht aus den Augen verloren. Als Lech Kaczyński 2005 Staatspräsident wurde, verlieh er ihr einen hohen nationalen Orden. Bei der letzten Parlamentswahl hat Staniszkis öffentlich für PiS geworben. Sie teilt viele Ziele der Partei, ein unabhängiges Polen, eine gerechte Gesellschaft. Außerdem dachte sie, kenne sie ihren ehemaligen Studenten Jarosław. Und nun das!
"Ich bin schockiert", Staniszkis greift nach einem Glas Wasser. So viel negative Energie, so viel systematische Zerstörung, "das hatte ich nicht erwartet".
Es ist noch nicht lange her, da galt Polen als ein Vorzeigeland in Europa. Die Wirtschaft boomte, die Arbeitslosigkeit sank, die Demokratie schien gefestigt. Polen war freier, wohlhabender und erfolgreicher als die meisten anderen mittel- und osteuropäischen Länder. Zwei Jahrzehnte nach dem Ende des Kommunismus hatte das Land aufgeschlossen, so jedenfalls sah man das im Westen, in Brüssel etwa oder auch in Berlin.
Dann kam das Jahr 2015, eine Wahl, ein Regierungswechsel, und heute, 15 Monate später, gilt Polen vielen als Menetekel. Eine Demokratie im freien Fall. Eine Regierung und eine sie im Parlament mit absoluter Mehrheit stützende Partei, die den Rechtsstaat demontieren. Eine Gesellschaft, die sich immer weiter von den liberalen, westlichen Werten entfernt, für die viele Polen selbst jahrzehntelang gekämpft haben.
Verantwortlich für diesen scharfen Schwenk sei Jarosław Kaczyński, heißt es. Der 67-Jährige ist offiziell zwar nur Parteivorsitzender, aber in Polen fällt keine wichtige Entscheidung, die nicht vorher mit ihm abgesprochen ist. Kaczyński regiert aus dem Halbdunkel, er ist vielen Polen suspekt, aber er dominiert das Land wie kein anderer Politiker seit 1989. Deshalb trifft Angela Merkel, wenn sie nächste Woche nach Warschau reist, nicht nur den Präsidenten und die Ministerpräsidentin, sondern auch den Parteivorsitzenden Kaczyński. (Vermutlich im Präsidentenpalast, die protokollarischen Fragen sind heikel.)
Wie konnte ein Mann so mächtig werden? Und ist es wirklich allein Kaczyński, der Polen weit nach rechts gerückt hat?
Man würde ihn natürlich gerne selber fragen, aber Kaczyński spricht selten mit ausländischen Journalisten. Seine Welt ist klar aufgeteilt in Freunde und Feinde, Schwarz und Weiß. Die meisten deutschen Medien stehen für ihn und seine Partei auf der feindlichen Seite. Immerhin, der Landwirtschaftsminister, Krzysztof Jurgiel, steht für ein kurzes Gespräch zur Verfügung.
Kommentare
Alle Welt, voran die Presse, wundert sich, weshalb rund um den Globus Populisten, die der Presse eher feindlich gesonnen sind, die Wahlen gewinnen. und zwar zuhauf. Donald Trump, Frau May, Frau Lep Pen, Herr Wilders, Herr K. in Polen, Herr Putin...und viele andere.
Das Geheimnis?
1. Es liegt an der Presse selbst. An der selektiven Berichterstattung, die wie durch einen Filter kommt, und dann noch ideologisch verklaert wird. Die Leser sind ja schliesslich auch Menschen. Die merken sowas.
2. Der ausufernden Korruption und der Vetternwirtschaft. Unertraeglich.
3. Den Politikern selber. Der Erfolg der AfD mit ueber 25% der Waehlerstimmen in manchen Bundeslaendern waere nicht denkbar, ohne die kaltschnaeuzige, intrigante Art, mit der Leute wie Angie Merkel die Bevoelkerung behandeln. Oder wie Hillary Clinton die Bevoelkerung systematisch beluegt, und auslacht. Ohne Hillary waere ein Sieg Donald Trumps nur schwer vorstellbar gewesen.
Rezepte dass zu korriegieren, auch in Polen, liegen auf der Hand. wenn man Herrn K auf die Oppositionsbank vertreiben moechte:
1. Muss die Presse ehrlich bleiben, darf nicht einseitig und parteiisch berichten, und muss einem moeglichst breiten Meinungsspektrum innerhalb der Bevoelkerung Raum geben, statt zum Sprachrohr eines politischen Lagers zu verkommen.
2. Muss Korruption innerhalb des Politik strikt unterbunden werden. Strauss&Co lassen gruessen.
3. Sollte die Presse kritisch gegen alle Parteien sein.
Was ich noch bezüglich der Presse hinzufügen würde:
Eine Diskussion über all die unerwünschten Politiker (die im übrigen noch nicht einmal alle dieselbe Politik vertreten) wird auch durch die Lächerlichmachung dieser Politiker erschwert.
Jeder Versprecher wird zum Beweis von Gefährlichkeit und Inkompetenz herangezogen.
Tatsächlich ginge das mit ausnahmslos jedem Politiker.
Ich erinnere hier an die zusammengestotterte Bahnhofs-Rede von Edmund Stoiber.
An Aufnahmen offensichtlich betrunkener Politiker, die auf youtube jederzeit zu finden sind, von z.B. Hillary Clinton, Sarkozy, Juncker, und vielen anderen.
Peinliche historische Missgrife könnte ebenfalls jederzeit ausgegraben werden.
Das ist kein Journalismus mehr, der den Namen verdient. Das ist Politik auf niederster Stufe, die mich an den Schwarzen Kanal von Eduard von Schnitzer erinnert.
Wie dieser Mann so mächtig werden konnte? Er steht für Werte wie Familie, Religion, Sicherheit und Besinnung auf Heimat, Volk und Vaterland.
Diese Werte scheinen für einen Teil der letzten beiden Generationen immer mehr an Wert zu verlieren, für die weite Mehrheit sind sie aber nach wie vor maßgeblich.
Da aber ebenjene Minderheit, die diese Werte als zweitrangig oder altmodisch erachten, in der allgegenwärtigen Medienwelt die Mehrheit stellen, entsteht ein Zerrbild das nicht der Wirklichkeit entspricht.
Entfernt auf eigenen Wunsch. Danke, die Redaktion/ee
Aber für den Rechtsruck ist nicht allein er verantwortlich.
In Wahrheit hat in Polen in vielen Bereichen ein "Linksruck" stattgefunden, weil in Polen unter der Regierung der "rechtskonservativen" PiS-Partei eine soziale Politik umgesetzt wird. In kurzer Zeit hat die Regierung dort folgendes geschafft:
# Erhöhung des Mindestlohns
# Einführung eines (hohen) Kindergeldes von umgerechnet 125 Euro
# Einführung einer Bankensteuer
# Befreiung älterer Menschen von der Arzneimittelzuzahlung, die in Polen oft 30% beträgt
# Förderung des sozialen Wohnungsbaus
# Steuerentlastung von Geringverdienerns
# etc.
Dass die alte PO-Regierung abgewählt wurde, hat vor allem mit deren unsozialer und "neoliberaler" Politik zu tun. Bezeichnend war hierfür auch eine Begebenheit aus dem Präsidentschaftswahlkampf, als der damalige Präsident Komorowski von der PO von einem Jugendlichen angesprochen wurde:
Besonders deutlich wurde dies, als er in der letzten Woche vor der Wahl doch noch auf die Straße ging, um für sich zu werben. Ein junger Mann ging auf ihn zu und fragte ihn, wie, bitteschön, seine Schwester eine Wohnung finden solle, wenn sie gerade mal 2.000 Zloty (370 Euro) verdiene, nachdem sie drei Jahre lang einen Job gesucht hatte. "Nun", antwortete Komorowski vor laufenden Kameras, "wusste sie nicht, dass die Arbeitslosigkeit in Polen zurückgeht?" Die Schwester solle einen Kredit aufnehmen und die Arbeit wechseln, riet er.
http://www.zeit.de/politi...
In puncto Flüchtlingspolitik verfolgt Polen strikt das Konzept der "Hilfe vor Ort", im Rahmen dessen in Nachbarstaaten von Krisenregionen Hilfe für Flüchtlinge geleistet wird. Darunter fallen Lebensmittelspenden, medizinische Hilfsleistungen etc. So wird sichergestellt, dass die Hilfe bei den wirklich Bedürftigen ankommt. Außerdem kann mit dem gleichen Aufwand mehr Menschen geholfen werden als im Falle einer Migration nach Polen. Zudem sind die Flüchtlinge in ihrem eigenen kulturellen Umfeld, was Konfliktpotentiale reduziert.
"Für diese Politik gibt es einen gesellschaftlichen Nährboden. Genauso wie für die weitgehende Ablehnung der Aufnahme muslimischer Flüchtlinge"
Naja, man stelle sich vor, man sei Pole, lebe in einer polnischen Mittelstadt, schalte abends die Fernsehnachrichten ein und sähe Bilder von Randale in französischen Banlieues oder von bombastischen Wahlkampfauftritten türkischer Politiker in Deutschland, wie jüngst von Bilani Yilderim (sorry, weiß nicht wie man das i ohne Punkt auf meiner Tastatur produziert) in Oberhausen.
Sind solche Bilder Werbung für multikulturelle Gesellschaften nach westlichem Vorbild?
Auch noch ein Buchstabendreher: Binali Yıldırım