Abreißen geht schneller als aufbauen, das weiß jedes Kind aus praktischer Erprobung. Bauklötze werden aufgetürmt, Bauklötze stürzen in sich zusammen. Mitunter bereitet die Zerstörung sogar mehr Freude als die mühevolle Vorarbeit.
Sieben Bischöfe, allen voran der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki, wandten sich am 22. März mit einem Brief an Rom, genauer: an den Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, den Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch. Nach Auffassung der sieben Bischöfe überschreitet die Bischofskonferenz ihre Kompetenz, wenn sie den Kommunionempfang für evangelische Christen öffnet, die mit einem katholischen Partner verheiratet sind. Die Frage eines irritierten Protestanten sei deshalb erlaubt: Schmerzt der Gedanke, evangelischen Christen die Kommunion spenden zu müssen, tatsächlich mehr als die Jahrhunderte andauernde Spaltung der Kirche?
Wirbel hat der Brief allerdings gar nicht so sehr des Inhalts wegen gemacht, vielmehr empörte die Vorgehensweise der sieben: Den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, setzte Woelki erst einen Tag später in Kenntnis. Die anderen Bischöfe wurden weder von Woelki noch von den anderen Unterzeichnern informiert. Ein Affront – zuerst für Marx, dann für die 19 übrigen Bischöfe, nicht zuletzt aber auch für alle Protestanten, die auf eine baldige gemeinsame Eucharistie mit ihren Liebsten hoffen.
Keine Frage, es geht um das Katholische an sich, ums Allerheiligste, das höchste Sakrament, die Eucharistie, Christus selbst. Das erklärt den Furor, mit dem die Debatte geführt wird. Und die Sache ist äußerst komplex. Doch der Brief konterkariert alles Bemühen um die Ökumene, das 500 Jahre nach der Kirchenspaltung gemeinhin an den Tag gelegt wird; all die kleinen Zugeständnisse des vergangenen Jahres, etwa die behutsame Rede vom "Reformationsgedenken" selbst auf evangelischer Seite, und all die großen Gesten, wie der Buß- und Versöhnungsgottesdienst "Healing of Memories", bei dem – unter Leitung der ökumenischen Duzfreunde Heinrich Bedford-Strohm und Reinhard Marx – die Verletzungen der Kirchenspaltung aufgearbeitet werden sollten, die leidvollen Auswirkungen der Trennung bedacht wurden und Gott um Vergebung gebeten wurde für das Versagen beider Seiten.
Was zuvor eine Zweidrittelmehrheit der Bischofskonferenz nach langer Aussprache bei ihrer Vollversammlung in Ingolstadt im Februar abgestimmt hatte, stellen die sieben infrage: Die Zulassung evangelischer Ehepartner zur Eucharistie, Terminus technicus: Interkommunion. Sie halten die pastorale Handreichung für konfessionsverschiedene Ehen für unrechtmäßig, da sie gegen die katholische Glaubenslehre und die Einheit der Kirche verstoße. Nun soll der Vatikan zur Hilfe eilen, ein Machtwort sprechen und dem Zeitgeist Einhalt gebieten.
Man solle die Sache doch nicht so hoch hängen, kommentierte Woelki die Reaktionen auf seinen Vorstoß am Wochenende. Dabei scheint er selbst dieser Frage besondere Dringlichkeit beizumessen: Bereits im vergangenen Jahr sorgte er mit einem Artikel für Unmut, in dem er zwar "mehr Ehrlichkeit in der Ökumene" forderte, damit aber vor allem betonte, was die Konfessionen nun mal unterscheide. Auch hat er im Reformationsjahr auffällig wenig Nähe zu seinem evangelischen Amtsbruder, dem Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, zugelassen. Sah die Öffentlichkeit in Woelki aufgrund seiner Haltung gegenüber Flüchtlingen bisher einen Liberalen, offenbart er sich inzwischen durch seine antiökumenische Position als Erzkonservativer, der die reine Lehre mit allen Mitteln verteidigen will.
Kommentare
Herr Leitlein, der Kommunionempfang bleibt trotz einer gemeinschaftlichen Messbecher auch unter katholischen Ehepartner kein gemeinschaftlicher Akt. Im Tod scheidet Gott gar jede Ehe, sodass ein jeder stets allein vor Gott tritt. Der eine vermag dem anderen vor Gott nichts zu entschuldigen.
Warum in aller Welt soll dann der gemeinsame Kommunionempfang konfessionsverschiedener Eheleute durch ein der besonderen Not anerkennendes Merheitsvotum von sich wohl ein wenig zu wichtig aufspielen Kirchenleuten mehr sein als es im Hinblick auf Gott innerkirchlich ist?
Nur weil so was etwa bei der Installation des päpstlichen Franziskus einmal funktioniert zu haben scheint, wo ja göttliches Recht, im Tod zu vollenden und zu erneuern, beliebig durch eben so einen Rücktritt Benedikt XVI. in allgemeiner Verblendung erfordert schien, so heißt dies doch noch lange nicht, das jede Wahrheit innerkirchlich von einem mehrheitlichem Votum zu beugen ist?
Ersetzen Sie bitte "Messbecher" durch Messfeier. Ein Schreibfehler der automatischen Wortgenerierung meines Handys - sorry!
Wenn ich solche Sätze wie „Kommunionempfang öffnen“ lese, dann habe ich sofort ein Manipulationsverdacht. Das Wort „Öffnen“ klingt ganz positiv, wer will was dagegen sagen. Demnächst können wir diskutieren, ob wir auch die Familien für den zweiten oder dritten Mann bzw. für eine zweite oder dritte Frau öffnen…
In Diskussion über die Kommunion geht es nicht ums „Offenen“ oder „verschlossen bleiben“, sondern um einen grundsätzlichen Glaubensunterschiede zwischen Katholiken und Protestanten. Es wäre gut erstmal sich zu fragen, was hinter diesen Ideen steckt. Es geht hier um die wichtige Glaubensinhalte der katholischen Kirche und nur die Kirche kann hier eine Entscheidung treffen. Kardinal Woelki ist in seinem sozialen Danken sehr links, ich würde ihn nicht wegen seiner Wunsch gemäß dem Kirchenrecht zu handeln als Konservativen bezeichnen.
Entfernt. Bitte verzichten Sie auf überzogene Polemik. Danke, die Redaktion/mf
Der Brandbrief der 7 Bischöfe an den Vatikan zum Kommunionempfang evangelischer
Christen in einer konfessionsverbindenden Ehe wird nicht gerecht
- der Wirklichkeit: Was der Mehrheitsbeschluss der DBK ermöglichen will, ist in den allermeisten Gemeinden längst Praxis - bei denen, die überhaupt in Kirche geblieben sind;
- der Herausforderung: "Die Zukunft des Christentums ist ökumenisch - oder gar nicht.
Die Ökumene bedarf der Taten - nicht nur der Worte." (CiG 44/2017) Die Welt brennt und
solche Lehrstreitigkeiten berühren längst nicht mehr die Fragen der meisten Menschen/auch der ChristInnen.
- der Theologie: Eucharistische Gastfreundschaft ist theologisch längst verantwortbar u. in vielen Fällen pastoral geboten; so die 3 Ökumenischen Institute Strasbourg/
Tübingen/Bensheim 2003 "Abendmahlsgemeinschaft ist möglich".
Praktizieren wir also die wechselseitige Gastfreundschaft am Tisch des Herrn. Den Skandal, dass uns dieses Zeichen der Versöhnung u. Gemeinschaft vorenthalten werden werden soll, sind wir als mündige ChristInnen nicht länger bereit hinzunehmen!
Oh -wie die offensichtliche Koketterie ja zu erkennen geben mag, Herr KarDinal Müller, was für ein hingebungsvolles Plädoyer! Die nächste Papstwahl kommt bestimmt, wobei sich eine gewisse Degradierung ja sicher gut anschicken wird? Und eine gängige Praxis dann mit einer theologischen Gastfreundschaft zu rationalisieren hat auch ihren Charme! Die Kirche erfindet sich ja stets aufs Neue; halten Sie also durch! - und alles wird gut.
Offene Ökumene oder bewusster Glaube?
Der Kommentar von Hannes Leitlein ist für mich ein Beispiel, wie Ökumene nicht gelingen kann.
1. Leitlein vermutet, die Kommunion-Spendung an protestantische Eheleute sei für die bischöflichen "Bedenkenträger" eine zu große Zumutung; aber zum einen geht es um eine aktive Teilhabe an der Eucharistiefeier und das rechte Verständnis dafür, zum anderen bei dem Konflikt seitens der Bischöfe, die sich an Rom wandten, mehr um eine Frage kirchlicher Einheit im Katholizismus.
2. Das Vorgehen dieser Bischöfe ist insofern kritikwürdig, als sie vor ihrem Brief die anderen informieren hätten sollen. Allerdings war das Schreiben ja vertraulich und eine Information erfolgte unmittelbar darauf. Nur wurde von interessierter Seite die Sache in die Öffentlichkeit gespielt.
3. Behauptet wird ein Affront gegen protestantische Ehepartner und eine Kontakarierung aller ökumenischer Bemühungen. Dagegen ist zu sagen, dass eine gemeinsame Eucharistie weitgehend schon jetzt praktisch möglich ist, leider auch unabhängig von einem gemeinsamen Verständnis, und dass es hier jetzt um pastorale Leitlinien dafür geht, wo es zumindest nicht gänzlich unvernünftig ist, danach zu fragen, ob diese per Mehrheitsvotum einer Bischofskonferenz national oder nur in den Bistümern der zustimmenden Bischöfe zum tragen kommen. ...
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