"Freie Kultur besteht darin, dass alle, die ihr angehören, frei sind, an ihrer Weitergabe und Weiterentwicklung teilzuhaben – ohne Beschränkungen, wer teilnehmen darf und auf welche Weise." Lawrence Lessig
Einst war es allein wenigen Produzenten vorbehalten, der Bevölkerung mediale Inhalte zur Verfügung zu stellen. Heute kann jeder Internetnutzer jeden anderen erreichen. Filme, Meinungen, Musik, Wissen und viele weitere Informationen können weltweit ausgetauscht werden. Mit dem Internet steht ein globales Netz zur Verfügung, das an Reichweite und Potenzial zur Verbreitung digitaler Inhalte durch nichts zu überbieten ist. Der Austausch von digitalen Informationen findet weltweit, in lokalen Netzen oder innerhalb der Familie und des Freundeskreises statt.
Der Menschheit stehen somit Möglichkeiten offen, an deren politischer Dimension allenfalls die Besitzstandswahrer der Contentindustrie zweifeln. Jeder ist in der Lage, Inhalte zu konsumieren, zu produzieren und sie mit wenigen Klicks zu verbreiten – lokal wie global. Die meisten Menschen nutzen diese Möglichkeiten unentgeltlich und in ihrer Freizeit. Das ist zweifellos ein altruistischer Akt.
Die Contentindustrie sieht sich durch den unbegrenzbaren Informationsfluss allerdings in ihrer Existenz bedroht und fordert daher Einschränkungen dieser Freiheit. Sie möchte die Befugnis zum Sperren von Inhalten und will die Zugangsanbieter verpflichten, dafür zu sorgen, dass von ihr verwertbare Inhalte nicht unkontrolliert auf die Endgeräte der Verbraucher gelangen. Dabei nimmt sie ohne jeden Skrupel in Kauf, dass der gesamte Datenverkehr aller Internetnutzer überwacht werden muss.
Vom Tonband bis zu den Online-Tauschbörsen hat die Verwertungsindustrie stets mit Kampfbegriffen wie "geistiges Eigentum" oder "Raubkopieren" versucht, das private Vervielfältigen von Medieninhalten mit Diebstahl gleichzusetzen. Dennoch ist Filesharing bereits in der Mitte der Gesellschaft angekommen; Millionen von Menschen haben die entsprechenden Techniken bereits genutzt, und immer mehr werden es in Zukunft tun.
Ihre Absicht ist es allerdings nicht, dadurch hemmungslos Geld zu sparen. Das Downloaden von digitalen Inhalten lässt das Rechtsempfinden der Menschen unberührt, denn Informationen – und somit Medieninhalte – sind weder knapp, noch kann man sie 'stehlen'. Wird etwas gestohlen, steht es dem rechtmäßigen Eigentümer nicht mehr zur Verfügung; das ist hier nicht der Fall. Nicht alle Menschen können in demselben Auto fahren, aber sie alle können dasselbe Lied hören.
Das Geschäftsmodell der Verknappung
Obwohl die Urheber kostbare Zeit, Mühe und Mittel in die Erstellung von Inhalten investiert haben, ist der Preis für nicht verknappbare immaterielle Güter gleich Null. Dennoch waren die Umsätze mit Musik-CDs früher enorm hoch. Dies wurde aber nur dadurch gewährleistet, dass zu jener Zeit die Inhalte auf Datenträgern vervielfältigt werden mussten, um sie zu verbreiten. Genau diesen Dienst übernahmen die Verleger. Die Situation war für sie durchaus vorteilhaft, weil sich so ein Vermarktungsweg für die Inhalte selbst schaffen ließ. Der Gesetzgeber musste den Urhebern daher nur Rechte gegenüber den Verwertern einräumen. Und dies ist auch der eigentliche Zweck des Urheberrechts.
Durch das Aufkommen des Internets wurden die bisherigen Verwertungsmodelle obsolet. Das Verbreiten und Vervielfältigen von Inhalten geschieht heute in großem Maß durch Filesharing. Natürlich versuchen sich die Verwerter dagegen zu wehren. Zu diesem Zweck pervertieren sie das Urheberrecht: Es wird zur Kriminalisierung der Konsumenten missbraucht, um die bisherigen Vermarktungskanäle zu erhalten. Eine künstliche Verknappung durch Gesetze und technische Einschränkungen (Digital Rights Management) soll dabei die physische Knappheit der Datenträger ersetzen.
Doch diese Ansätze sind zum Scheitern verurteilt. Der Gesetzgeber kann nicht gegen die breite Masse der Bevölkerung vorgehen, sondern kann nur im gewerblichen Rahmen Regelungen treffen. Das Geschäftsmodell der Verknappung ist veraltet. Aus diesem Grund müssen neue Wege beschritten werden, durch die Kunstschaffende entlohnt werden können.
Die andere Seite der Verwertung
Es gibt auch Beispiele von Verwertung, denen die technologischen Umbrüche vergleichsweise wenig schaden. Während der Verkauf von Kopien – etwa in Form von Musik-CDs – ins Wanken geraten ist, bleiben vor allem Modelle mit sozialen Komponenten unberührt, wie etwa Kino und Live-Konzerte. Genauso wie die Menschen in einer Gaststätte bereit sind, drei Euro für ein Bier zu zahlen, obwohl sie es für 50 Cent im Supermarkt bekommen können, geben sie auch bereitwillig sieben Euro für eine Kinokarte aus. Der Europarat bescheinigt dem Kinojahr 2008 sogar einen Anstieg der Besucherzahlen.
Kommentare
Grundsätzlich richtig, aber ...
... es wird noch sehr lange dauern, bis sich diese Sichtweise zum Filesharing durchsetzt. Die Denkprozesse sind zu eingefahren.
Wenn man sich das Beispiel von "blubird" ansieht, dann scheint auf den ersten Blick tatsächlich ein Schaden für "Die Zeit" zu entstehen, wenn ein Raubkopierer die Information digitalisieren und massenhaft verbreiten würde. Tatsächlich bin ich der Meinung, dass durch eine solche Aktion ein gewaltiger Werbeeffekt eintreten würde. Diese Ausgabe würde sich wahrscheinlich besonders gut verkaufen.
Das Beispiel erinnert mich an die Nachricht zum Film Ink: http://www.gamestar.de/ha...
Jamin Winans hatte möglicherweise eine ähnliche Ansicht zu Raubkopien wie die meisten Menschen heutzutage. Nur durch Zufall ist jetzt sein Film erfolgreich geworden. Möglicherweise gibt es dadurch ein paar weitere Leute, die erkennen, dass künstliche Verknappung kein funktionierendes Geschäftsmodell für digitale Inhalte ist.
Insgesamt sind das aber viel zu wenige Menschen, und die Marketingmaschinerie der Verwertungsindustrie läuft fleissig.
Es gibt aber zwei Hoffnungspunkte:
1. Die Glaubwürdigkeit von Marketingaussagen nimmt mit dem Intellekt der Zielgruppe ab. Entscheider haben aber tendenziell einen hohen Intellekt(Ja, es gibt Ausnahmen).
2. Digitale Inhalte sind Informationen und Informationen haben die Eigenschaft sich zu Verbreiten und dabei ALLE Sperren zu überwinden.
An der Realität vorbei
Es wird immer so getan, als ob es die bösen Verwertungsmedien sind, die gegen filesharing sind und die Urheber, sprich Autoren, Musiker und Komponisten es eigenlich ganz klasse finden. Dem ist nicht so. Jeder Musiker, Autor oder Journalist, den ich kenne, ist dagegen und verbittet es sich von Leuten wie den Autoren dieses Beitrags vereinnahmt zu werden. Jedem, der gerne eigenes freiwillig und kostenlos etwas im Internet verbreiten möchte, sei das unbenommen. Doch jeder soll gefälligst nur für sich selber sprechen und entscheiden und nicht, und das ist das unerträgliche an der Argumentation in diesem Artikel, so tun als habe er das Recht, im Namen aller Kreativen zu sprechen. Es mag einige Bands geben, die ihre Schäfchen bereits im trockenen haben oder genügend alternative Einkommenswege haben und es sich leisten können, so zu tun als ob. Doch der überwiegende Teil leidet unmittelbar darunter. Weil seine Zeitung ihn feuern muss, weil er als Musiker keine Chance mehr bei einem Label findet usw.
Denn um es klar zu stellen: müsste die ZEIT nur mit den online Werbeeinahmen zurecht kommen, müsste sie wohl 80% ihres Personals feuern. Das mit den alternativen Verwertungswegen klingt zwar schön, funktioniert aber in der Realität nicht, da die Einnahmen aus diesen Verwertungswegen sich in völlig anderen Dimensionen bewegen. Es wird höchste Zeit, dass die Politik endlich handelt und klare gesetzliche Regelungen zur Unterbindung dieser systematischen Rechtsverletzung trifft.
Ich werde gehört also bin ich
So und nicht anderes lautet das Moto unserer Zeit. Wenn ihre Freunde lieber schweigen als ihre Errungenschaften mit anderen zu teilen, dann sind es schlicht und ergreifend keine Künstler. Ein Gedanke wird zu einem Werk in dem Moment, wo es jemand liest, hört, sieht. In diesem Moment wird dieses Werk aber auch unaufhaltbar. Man kann die Verbreitung nicht unterbinden wenn man einmal den Mund aufgemacht hat und den Gedanken gesprochen.
Aber was solls, schon immer wollten Leute sich gegen den Wandel der zeit und Welt wehren und schon immer sind diese Leute gescheitert. Traurig, aber das ist nun mal unser trauriges Schicksal, solche Menschen rücksichtlos zu überrollen. Dies ist unser Los als Flut, die undere Gesellschaft in die Zukunft trägt.
Als langjähriger Zeitabonnent
weiß ich sehr genau, welche Inhalte der ZEIT kostenlos im Netz stehen, und welche Mehrwerte die (kostenpflichtige) Printausgabe bietet.
Mein Standpunkt läßt sich auf eine einfache Frage reduzieren:
Woher soll das Geld für Qualitätscontent in Kunst, Musik, Literatur, Film und Journalismus kommen,
wenn es kein finanziell verwertbares geistiges Eigentum mehr geben soll?
Und nachgetreten:
Läge bei der radikalen Forderung nach freien Inhalten nicht die Forderung nach Buchpreisbindung auf Materialkostenniveau nahe?
@Thomas.W70
"Das mit den alternativen Verwertungswegen klingt zwar schön, funktioniert aber in der Realität nicht"
Das Beispiel mit dem Film "Ink" ist aus der Realität. Es gibt auch Untersuchungen zum Konsumverhalten von Filesharern: http://pressetext.de/news...
Auch das stammt aus der Realität.
Es gibt in der Realität auch Online-Zeitungen, die sich über Werbeeinnahmen finanzieren. Der enorme Personalbedarf entsteht vor allem durch die Papierversionen. Die reinen journalistische Leistungen lassen sich komplett über Onlinewerbung bezahlen, die Realität macht es vor.
Dass die Autoren, Jounalisten und Musiker, die sie kennen, eine andere Meinung dazu vertreten, bestätigt meine Einschätzung, dass der Umdenkprozess noch ganz am Anfang steht.
Aber letztendlich wird die Realität ihre Überzeugungsarbeit leisten müssen.