Piraterie ist nicht die Folge einer grundsätzlich fehlenden Zahlungsbereitschaft und einer angeblichen "Kostenlosmentalität". Ursache ist vielmehr der Mangel an zeitgemäßen, umfangreichen und uneingeschränkt verfügbaren digitalen Angeboten. Diese Erkenntnis ist zwar noch lange nicht bei allen Urhebern angekommen, sie wird aber belegt durch den Rückgang illegaler Downloads , den On-Demand-Musikdienste wie Spotify ausgelöst haben, dadurch, dass der Datenverkehr des legalen Filmdienstes Netflix höher ist als der gesamte Bittorent-Traffics sowie nicht zuletzt auch durch persönliche Anekdoten .
Wer dennoch nicht richtig glauben möchte, dass die Schwächen auf der Angebotsseite – insbesondere im Filmsegment – eine essenzielle Ursache für das Problem von Urheberrechtsverstößen und Piraterie im Netz darstellen, der sollte einen Blick auf eine Untersuchung des US-Aggregators für Filme und Serien, Fanhatten , werfen. Danach dürften keine Zweifel mehr daran bestehen, wieso ein schneller Torrent-Download für viele die naheliegendste Option darstellt, obwohl sie eigentlich eine legale, kostenpflichtige Alternative bevorzugen würden.
Das Fanhatten-Team hat die Verfügbarkeit von 2.300 stream- oder downloadfähigen Horrorfilmen bei 14 kostenpflichtigen US-amerikanischen Videodiensten analysiert. Darunter waren so bekannte Anbieter wie iTunes , Hulu Plus, Netflix und Amazon Prime. Die Ergebnisse sind ernüchternd: 71 Prozent der Filme fanden sich lediglich bei einem einzigen der 14 untersuchten Anbieter wieder und lediglich 22 Prozent konnten bei zwei Diensten abgerufen werden. Weniger als sieben Prozent der unter die Lupe genommenen Titel stehen gruselwilligen Nutzern bei drei oder mehr Videodiensten zur Verfügung. Gerade einmal sieben Filme lassen sich von vier oder mehr legalen Quellen gegen Bezahlung streamen oder herunterladen.
Auch große Titel betroffen
Ein weiteres Ergebnis der Überprüfung: Von den 100 von der Fanhatten-Redaktion auserkorenen Top-Titeln des Horrorgenres sind 65 Prozent nur bei einer Quelle erhältlich, 25 Prozent bei zwei Quellen. Die Fragmentierung des Contentangebots im Filmsegment beschränkt sich damit nicht nur auf den sogenannten Long Tail, sondern auch auf große Klassiker.
Wer viele Filme sehen will, so das Ergebnis, ist gezwungen, sich bei vielen dieser Dienste anzumelden. Ärgerlich ist das besonders dann, wenn man wie bei Netflix eine monatliche Pauschale zahlt, und dann dennoch gezwungen ist, auf einen anderen Anbieter auszuweichen.
Einzige Einschränkung wäre an dieser Stelle, dass Horrorfilme für sich genommen eine Nische darstellen. Dennoch sind die Resultate der Fanhatten-Analyse symptomatisch für die Situation des digitalen Contents: Zwar wächst die Zahl der Akteure, die Filme auf Basis unterschiedlicher Geschäftsmodelle und Preiskonzepte anbieten. Doch damit ist nicht unbedingt ein Komfortgewinn für die Nutzer verbunden. Diese können sich grundsätzlich nicht darauf verlassen, den gewünschten Film oder den angestrebten Serienabschnitt bei einem bestimmten Streaming- oder Downloadanbieter vorzufinden.
Kommentare
Ein Vergleich
Eine Staffel einer TV-Serie aus den USA (Breaking Bad) kostet bei iTunes 29.99, aber man bekommt nur eine Sprache, nicht DE & EN. Die Staffel bekomme ich auf DVD bei Amazon mit beiden Sprachen für 12.99. Ich werde wohl die DVD kaufen.
N.B. Gesehen habe ich die Serie schon auf DE im Fernsehen, gesaugt habe ich sie auf EN auch schon aus dem Netz, aber mir gefällt die Serie, und deswegen will ich dafür zahlen.
Fortschrittsfeindlich
Was die Untersuchung des Fanhattenprojekts zeigt deckt sich mit meinen Erfahrungen, wobei Deutschland im Vergleich zu den USA in der digitalen Steinzeit lebt. Es ist schon lächerlich, dass ich in einer globalen und vernetzten Welt nicht die Möglichkeit habe aktuelle US-Serien im O-Ton zu sehen. Klar mit Proxys und VPN Servern kann man tricksen, aber viele Dienste akzeptieren nur noch US-Kreditkarten.
Die Filmstudios hätten vorgewarnt sein müssen durch die Musikindustrie. Aber sie hat genau so die selben Fehler gemacht, wie es nun die Buchindustrie tut: Prinzipiell im Kunden einen Gauner sehn, den man mit Kopierschutz und Co. gängeln muss. Man hat nicht verstanden, dass es um die Verfügbarkeit der Inhalte geht und das Trägermedium sekundär ist und der "Mode" unterliegt!
Deutschland hinkt hinterher
Ich war neulich auf der IFA. Bei Samsung gabe es eine neue Multimedia-Lösung mit der man Filme udn Serien streamen kann sowie kleine Spielchen laden (Name des Unternehmens fällt mir gerade nicht ein). Die Wand des Standes war geschmückt mit dutzenden Logos teilnehmender Partner. Das Who is Who der europäischen Fernsehanbieter war eigentlich dabei. Aber kein einziger deutscher Anbieter.
Noch schlimmer...
...ist es bei aktuellen Serien für Nicht-Amerikaner. Während in den USA die Folgen innerhalb eines Tages nach der Erstausstrahlung bei iTunes und co verfügbar sind, ist man als Europäer gerne mal eine Staffel bzw. ein knappes Jahr hinterher und zahlt obendrein auch noch mehr (oft für synchronisierte Fassungen ohne Untertitel/O-Ton oder niedrig aufgelöstes Material). Aktualität fällt meiner Meinung nach bei Serien noch mehr ins Gewicht als bei Filmen.
Ich habe keinerlei Verständnis für derartige Vermarktungsstrategien und empfinde in diesem Fall nur wenig Mitleid für die arme Content-Industrie. Ich würde z.B. gerne die aktuelle Big-Bang-Theory-Staffel kaufen, aber kann es nicht. Die einzige Möglichkeit die neuesten Folgen zu schauen, ist der Download illegaler releases (und der nachträgliche Kauf der DVDs/Blurays fürs Gewissen, sobald sich das Studio mal erbarmen sollte sie dem Rest der Welt zugänglich zu machen).
Deutsches vs US Angebot
Danke für diesen Artikel, es ist gut, dass dieses Problem langsam aber sicher nicht mehr nur als Spinnerei der Piraten abgetan wird, sondern tatsächlich als eine der möglichen Ursache für illegale Downloads in Erwägung gezogen wird. Jetzt müssen nur noch die Filmverlage aufwachen. Leider scheint es sich für Anbieter wie HBO zu rechnen die illegalen Downloads in Kauf zu nehmen...
In Deutschland ist das Problem leider noch viel ausgeprägter als in den USA: Wir leben in einer globalisierten, immer durch das Internet vernetzten Welt und bekommen ständig die Werbeaktionen für neue Inhalte aus Übersee mit, aber wenn die Globalisierung mal gebracht wird und wir die Inhalte kaufen wollen, dann ist sie nicht da. Wir müssen Monate darauf warten, Monate in denen wir von unseren Online-Bekanntschaften in Amerika hören wie toll XY ist. Wir sind wie das Schulkind das auf dem Schulhof nicht mitreden kann. Und wenn die Inhalte dann ihren Weg nach Deutschland finden, dann müssen wir weiterhin auf veraltete Speichermedien wie DVD und BlueRay zurückgreifen, weil wir sonst nicht an eine unsynchronisierte Originalversion kommen.