Hass und Hetze, das war
die Facebook-Seite Anonymous.Kollektiv. Über Jahre hinweg waren die Betreiber der
Seite ungehindert auf Facebook aktiv. Mit ihren hetzerischen Beiträgen erreichten sie viele Nutzer. Denn
Anonymous.Kollektiv
war mit Abstand die größte deutschsprachige Facebook-Seite,
die von sich behauptete, die Anonymous-Bewegung zu repräsentieren. Fast zwei
Millionen Likes hatte die Seite. Seit einigen Wochen ist sie von Facebook verschwunden, gesperrt oder gelöscht. Aber Anonymous.Kollektiv ist nicht verschwunden, die Betreiber sind nur weitergezogen.
In der Zeit auf Facebook hatte Anonymus.Kollektiv eine deutliche Wandlung vollzogen. Typische Anonymous-Themen wie Informationsfreiheit oder Internetzensur fristeten auf der Seite zuletzt nur noch ein Nischendasein. Spätestens mit Beginn der Ukraine-Krise, also Anfang 2014, verlagerte sich der Schwerpunkt. Auf einmal hieß es dort, die etablierten Medien seien gelenkt, nur noch Seiten wie der deutsche Ableger von Russia Today oder
Magazine wie das rechte Compact-Magazin galten den Betreibern als vertrauenswürdig. Hetze gegen Flüchtlinge, Linke und Politiker ersetzte Netzthemen. Anonymous.Kollektiv
wurde zum Sprachrohr jener Facebook-Nutzer, die mit
Hasskommentaren über Flüchtlinge oder Politiker die dunkle Seite des sozialen
Netzwerks bilden.
Immer wieder wird gemutmaßt, ein Mann namens Mario Rönsch stecke hinter der Seite. Für die Behauptung wurden in der Vergangenheit allerdings verschiedene Medien abgemahnt, Rönsch gab sogar eine eidesstattliche Versicherung ab, dass er nicht der Administrator der Seite sei. Im Mai berichtete Focus Online dennoch, Rönsch sei der Betreiber von Anonymous.Kollektiv. Darauf folgte keine der üblichen Abmahnungen, stattdessen veröffentlichte jemand die Handynummer des Focus-Redakteurs auf der Anonymous.Kollektiv-Facebook-Seite. Auch wenn der Beitrag nur wenige Minuten online war, bekam der Journalist trotzdem eine wahre Flut von Anrufen.
Gegenwehr funktionierte zeitweise
Neben Hass verbreitete die Seite zunehmend Verschwörungstheorien. So hieß es bei Anonymous.Kollektiv zum Beispiel, das Charlie-Hebdo-Attentat habe einen "Geheimdiensthintergrund". Später folgte die Frage: "Wem nützt also so ein Attentat im Moment? Der USA!" Daneben waren seit 2015 verstärkt Flüchtlinge das Ziel der Seite. Von einer "US-gesteuerte[n] Flüchtlingsinvasion in Europa" war auf der Seite die Rede.
Die Kursänderung blieb nicht unbemerkt, immer wieder gab es Kritik von anderen Seiten
und Personen, die sich Anonymous zugehörig fühlten. Denn Anonymous.Kollektiv profitierte von der Tatsache, dass sich jeder als Anonymous bezeichnen
kann. Das ganze Erscheinungsbild von Anonymous.Kollektiv ähnelte dem anderer Facebook-Seiten, die sich Anonymous auf die Fahne
geschrieben haben. Kein Wunder, die Seite wurde laut FAZ ursprünglich von drei Anhängern der Netzaktivisten-Bewegung administriert. Rönsch habe die drei irgendwann rausgeschmissen, heißt es in dem Artikel.
In
den vergangenen Monaten war die Seite von Anonymous.Kollektiv zeitweise
gesperrt. Wahrscheinlich, weil seit Ende Januar unter dem Hashtag
#FakeAnonymous vor allem auf Facebook selbst und auf Twitter eine Nutzeraktion
gegen die Seite lief. Gegner der Seite klärten über Anonymous.Kollektiv auf und
meldeten die Inhalte der Facebook-Seite reihenweise. Das schien zu
funktionieren. Rund einen Monat lang hörte man nichts mehr vom
Anonymous.Kollektiv, zumindest nicht auf Facebook.
Anfang März wurden die Betreiber im weltgrößten sozialen Netzwerk vorübergehend wieder aktiv, drehten sogar noch mehr auf. Anonymous.Kollektiv warb zum Beispiel für eine Website mit dem Titel "Migrantenschreck", auf der es Waffen zu kaufen gibt. Auch bei dieser Seite soll es sich bei dem Betreiber um Mario Rönsch handeln.
Aktuell
fahndet die Staatsanwaltschaft nach Rönsch. Der gilt als
untergetaucht, laut FocusOnline sogar schon seit Januar. Mehrere Strafanzeigen liegen gegen ihnen vor, unter anderem vom
Grünen-Politiker Volker Beck.
Seit dem 21. Mai ist Anonymous.Kollektiv von Facebook verschwunden. Ob der oder die Betreiber die Seite gelöscht haben, oder ob Facebook sie entfernt hat, ist unklar.
Die Macher sind umgezogen, zunächst ins russische
Netzwerk VK.com, das früher VKontakte.ru hieß. Mittlerweile ist es ein Sammelbecken deutschsprachiger Rechtsextremer und Verschwörungstheoretiker, oft geht es noch radikaler zu als auf Facebook. Anonymous.Kollektiv reiht sich da nahtlos ein, etwa mit einem Beitrag vom 31. Mai, in dem es heißt,
"anglo-amerikanische Geldbesitzer" hätten, in der Hoffnung, die UdSSR zu
zerstören, den Zweiten Weltkrieg organisiert.
Der Beitrag enthält einen Link auf die Seite anonymousnews. Die endete
zuerst auf .de, zog aber in den vergangenen Tagen um und endet nun auf
die russische Domain .ru. Anonymous.Kollektiv hat nun also auch eine eigene Website, jenseits eines sozialen Netzwerks.
Dort lässt sich auch eine
Anspielung auf die Sperrung der Facebook-Seite lesen:
"Unsere Kriegskasse ist Dank zahlloser Unterstützer prall gefüllt.
Wir können auch ohne Facebook und zwar sehr, sehr, sehr lange."
Anonymous.Kollektiv hetzt also weiter. Zwar nicht mehr auf Facebook,
dafür auf VK.com und der eigenen Website. Aber wenigstens mit weniger Publikum.
Kommentare
Ich bin ja der Meinung:
Mit ein wenig eigenem Nachdenken und Recherche wäre es nur schwer möglich, auf diesen nachgemachten Anonymous-Kram reinzufallen.
Offenbar haben darauf aber viele Nutzer verzichtet.
Wer zentralen "Nachrichten" einer Gruppierung glaubt, die per se dezentral organisiert sein will, der hat sowieso etwas Grundsätzliches nicht verstanden.
Es wird also nach einem gesucht der Rönschheißt und in seinem Klolektiv abtaucht.
Riecht doch sehr nach brauner Verunreinigung.
Umso mehr die Meinungsfreiheit eingeschränkt wird, umso größer wird der Spielraum für Spekulationen. Wenn über Geschichte und Tagespolitik nicht mehr offen disktutiert werden darf, bilden sich Theorien. Irgendwann haben dann alle Theorien den gleichen Wahrheitsgehalt, egal ob sie im Netz, in sozialen Netzwerken, in Medien oder von Politikern geäußert werden: "Wer einmal lügt, dem glaubt man nie."
die meinungsfreiheit wird nicht eingeschränkt. im gegenteil. niemals zuvor wurde die verbreitung von verschörungsideologischem, rechtsrevisionistschem und sonstigem irrationalistischem gedankenmüll so hemmungslos betrieben wie heute.
v.a. der neorechte angriff auf die demokratisch-zivilen kommunikationstabus und die fetischisierung der kategorie 'meinung' haben dazu geführt, dass mittlerweile für die abstruseste wahnäußerung derselbe geltungsstatus reklamiert wird wie für eine vernunftaussage.
Mütterchen Russland wird immer klarer zum Rückzugsraum für Rechtsradikale und Rassisten, A.K sind nicht die einzigen aus der Rechten Szene, die von Facebook nach VK wechseln. Die deutschen Behörden kennen das Muster schon.
Aber letztlich sind A.K auch nur einer von den zahlreichen inoffiziellen Propaganda-Outlets des Kreml, die Intention und Angriffsrichtung ist immer derselbe, immer auf Linie Moskaus. Aus dem Inhalt der seite kann man darauf schließen, wer die "Kriegskasse" von Rönsch füllt.
Ich würde gar nicht so weit gehen. Fanatiker machen so etwas auch gerne unentgeltlich und frei.