Die nicht enden wollende Integrations- und Islamdebatte in Deutschland krankt vor allem an einer Oberflächenverhaftetheit des Blicks. Das Augenscheinliche prägt unsere Wahrnehmung und unsere (Vor-)Urteile über die Verhältnisse. So wird das Bild vom ungebrochenen Patriarchat in türkischen und arabischen Familien von niemandem hinterfragt.
Die Vorstellung von der Dominanz des türkischen Mannes steht in engem Zusammenhang mit den Debatten um Zwangsheirat, Ehrenmord, Kopftuch, Verschleierung oder Gewalt auf dem Schulhof – immer werden als Übeltäter die Männer und Jungen ausgemacht. Mädchen und Frauen sind im besten Fall passive Opfer, denen geholfen werden muss – auch gegen ihren eigenen Willen.
In der psychotherapeutischen Arbeit mit türkischstämmigen Patientinnen und Patienten begegnet man einer Wirklichkeit, die die Geschichte von der Dominanz des Mannes als Mythos entlarvt. Die türkische Familie ist alles Mögliche. Sie kann für alle Mitglieder ein Ort von Einheit, Zusammenhalt, Wärme, Herzlichkeit und Liebe sein; aber auch von einzwängendem Liebesdruck, unrealistischen Erwartungen und Vorschriften. Eines ist sie ganz sicher nicht: Sie ist nicht der Ort, an dem die Männer das Sagen haben.
Die klassische Symptomatik, mit der sich türkische Männer in Behandlung begeben, spricht eine eigene Sprache: Häufig sind Angst- und Panikstörungen der Anlass. Die Angst zu sterben, diffuse Bestrafungsängste oder die Angst zu versagen sind Symptome einer existenziellen Krise des türkischen Mannes. Dahinter wird ein unglaublicher familiärer und gesellschaftlicher Druck sichtbar.
Viele türkische Frauen nutzen das traditionelle Männerbild für ihre Zwecke: Ihr Mann soll ihre Vorstellungen durchsetzen, die Familie versorgen, stark und unantastbar – "männlich" – sein. Gleichzeitig aber wird der Mann in einer Kind-Position gehalten – von der eigenen Mutter und von der Partnerin. Es gibt Männer, die nicht entscheiden dürfen, was sie anziehen. Es gibt Männer, die niemals ihrer Mutter widersprechen würden. Es gibt Männer, die mit ihren Eltern zusammenleben und ihren ganzen Arbeitslohn aushändigen. Es gibt Männer, denen die Ehefrau eine Szene macht, wenn sie sich eigenhändig etwas in der Küche zu essen zubereiten. Und nicht zu vergessen: Zu jeder zwangsverheirateten Frau gehört ein zwangsverheirateter Mann.
Das Missverhältnis von Rollenbild und erlebter Ohnmacht im familiären Alltag ist häufig so eklatant, dass dies zu resigniertem Rückzug ins türkische Männercafé oder zu aggressiven Phantasien führt.
Kommentare
Bei den Aleviten ist das anders!
Ich kenne die türkischen Verhälnisse zu wenig, denn die Türken, die ich kenne sind nahtlos intgriert. Dabei sind aber auch zwei Familien darunter, die Aleviten sind. Wir mir bekannt ist, beten Aleviten nicht in Moscheen und legen auch den Koran nicht wörtlich aus, sondern suchen die Bedeutung hinter den Offenbarungen. Eine Grundlage ihrer Glaubensauffassung ist der in den Mittelpunkt gerückte Mensch und die Gleichberechtigung der Frau. Sie lehnen generell dogmatische Religionsauslegung ab und gehen mit religiösen Vorschriften, die für orthodoxe Muslime als Pflicht und Voraussetzung gelten, praktikabler um.
In der Türkei stellen die Aleviten schätzungsweise 15 bis 30 % der Bevölkerung. Der türkische Staat hat über lange Zeit die Existenz der Aleviten als Glaubensgemeinschaft geleugnet. Kinder alevitischer Eltern wurden u. a. gezwungen, in den Schulen einzig den sunnitischen Glauben zu lernen.
Seit Jahren werden traditionell alevitische Siedlungen erzwungenermaßen „sunnitisiert“. Selbst in mehrheitlich alevitischen Dörfern wurden sunnitische Moscheen gebaut. Dies zeigt, dass die Aleviten bis heute von den Mehrheits-Muslimen nicht als eigenständige und gleichberechtigte Religionsgemeinschaft anerkannt werden. Es ist aber auch zu erwähnen, dass die alevitische Gemeinschaft, die fast ein Viertel der türkischen Bevölkerung ausmacht, im Gegensatz zur kurdischen Minderheit keine offizielle Partei besitzt, die die Rechte der Aleviten verteidigen könnte. (nach Wikipedia)
Kinder alevitischer Eltern wurden u. a. gezwungen, in den Schule
ich finde es beschämend das es immer noch die FEhlern die diese Staat wie Kemalismus herbeigeführt hat mit dem Islam in verbindung gebracht wird. Ich war selber in der Türkei auf der Schule und habe sowas nie erlebt, das es so was wie zwang gab, da in der staatlichen Schulen oder überhaupt nichts von islam gesprochen oder gelehrt wurde. In der Schulen in Türkei wird der Kemalismus gelehrt und kein Islam. Es ist eine Lüge der Aleviten. Alevitismus ist kein REligion wobei man dies mit Aberglaube in verbindung bringen kann. Es wird auch behauptet, dass die Aleviten keinen Parteien hätten die sie vor unerwünschten dingen beschützt, ich frage mich wo bleibt der Partei CHP und MHP, das sind alle Alevitische führern und auch Faschisten. Der Alevitismus hat mit Islam gar nichts zutun, da diese Abergalube eine abspaltung der Judaism ist. Das heist die Herrn des Alevitismus ist Hebräisch. Falls sie REligion freiheit wünschen, dann müssen sie nach israil, da die Israellis die wahre Führer der Aleviten sind. Hört auf Islam mit solche lügen geschichten zu belästigen. Falls die Aleviten frewiheit wollen, müssen sie erst mal konkret offen legen dass sie kein Muslime sind. Dann müssen sie sich mit der Kemalismus rechen.
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Gekürzt. Bitte vermeiden Sie unsachliche Bemwerkungen. Danke. Die Redaktion/er
Eine interessante Perspektive
bietet dieser Artikel. Ich hätte aber gern gelesen, dass die Männer ihre Ohnmacht nicht nur mit Glücksspielen kompensieren sondern auch mit häuslicher Gewalt. Ich denke, dass gehört auch zur Wahrheit.
Und dass Haustyrannen ohnmächtige Würstchen sind, sobald sie das Haus verlassen, wird wohl auch bei Türken so sein.
Bitte verzichten Sie auf pauschalisierende Aussagen. Danke. Die Redaktion/er
was man will und was da steht
@ #3 marone
"Ich hätte aber gern gelesen, dass die Männer ihre Ohnmacht nicht nur mit Glücksspielen kompensieren sondern auch mit häuslicher Gewalt."
ist ganz interessant, daß sie genau das sagen, was ie meinen. so so, sie hätten also dies gerne gelesen.
gegenfrage: HABEN sie den arzikel gelesen? oder nur nach stellen gesucht, die ihre schon vorgefertigte meinung bestätigt? denn nichts anderes haben sie mit diesem satz gesagt, den ich hier zitierte.
in dem arzikel steht aber eine menge mehr drin, was sehr erhellend ist und was mglw. gerade das ausschließt, nämlich häusliche gewalt.
Interessanter Artikel
Ich habe mich über diesen Artikel gefreut. Ich bin in keiner Weise betroffen, finde aber, dass der Artikel ein interessantes Thema aufgreift, glaubwürdig ist und - ganz wichtig - in die Tiefe geht. Ich hatte noch nie vorher von diesen Zusammenhängen gehört.
Die hier vertretene Thesen dürften jedem klar sein der unter
die Oberfläche schaut.Es liegt ja nicht nur an den Frauen ,dass in Deutschland so wenig Kinder geboren werden, ,sondern auch an Männern die immer weniger bereit sind ,ihre Selbstständigkeit aufzugeben.Ohnehin scheitert jeder populistische Aufruf auf tradionelle familiäre Werte nicht nur am weiblichen Feminismus, sondern auch an der männlichen Weigerung die ihm zufallenden Rolle als "Ernährer" einzunehmen.Wer will sich schon so einem Druck ausliefern? Zum Beispiel neulich in Frankreich,dass sonst so gelobt wird wegen seiner Nachwuchspolitik ,ist ein interessantes neues Phänomen zu beobachten.Normal ist es, dass sich Frauen schon sehr kurz nach der Geburt wieder in den Berufsalltag eingliedern.Es gibt aber zum Schrecken der französischen Feministen immer mehr Mütter ,die lieber die Zeit mit ihren Kindern statt im Büro verbringen wollen,also tatsächlich auf Karriere verzichten was ringsum nur zu ratlosem Kopfschütteln geführt hat.Auf eigenen Wunsch und das ist das Wichtige: vor allem gegen den Wunsch der eigenen Ehemänner, die allesamt davon überhaupt nicht begeistert waren.Neulich gab es darüber sogar eine Reportage im Weltspiegel,wer es sich angucken will.