Kaiserin Augusta soll besonnen und friedfertig gewesen sein. Friedfertiger jedenfalls als ihr Mann, Kaiser Wilhelm I. Der erlaubte seinem Kanzler Bismarck, die rückständige Katholische Kirche durch Gesetze in die Enge zu treiben, den Jesuitenorden zu verbieten und die Predigten katholischer Priester zu reglementieren. Augusta fand ihren Mann borniert. Sie kämpfte für Glaubensfreiheit.
Die nach der Kaiserin benannte evangelische Augusta-Klinik in Bochum hat nun einen Sieg gegen die Glaubensfreiheit errungen. Es darf einer muslimischen Krankenschwester das Kopftuch verbieten, hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt entschieden. Das Gericht gab der Argumentation des Krankenhauses recht. Dessen Anwälte meinten, das Kopftuch könne als Meinungskundgebung gegen die evangelische Kirche verstanden werden, als Verstoß gegen die Loyalität, die die evangelische Kirche von Mitarbeitern ihrer Einrichtungen verlangen darf. Doch wer in so schnarrendem Ton argumentieren muss, kann gar nicht gewinnen, auch wenn er Recht bekommt.
Die Krankenschwester wollte nach Schwangerschaft und Krankheit 2010 wieder wie zuvor im Krankenhaus arbeiten. Nun aber mit Kopftuch. Das verstößt gegen den Dresscode, hielten ihr die Verantwortlichen entgegen. Kopftücher seien bei der Arbeit nicht erlaubt, wegen der Hygiene. Dann führten sie die Loyalität ins Feld. Die fordere neutrale Kleidung. Das wollte die Krankenschwester auf keinen Fall akzeptieren und bot an, im katholischen Nonnenhabit zu arbeiten. Das Krankenhaus lehnte ab. Vor Gericht behauptete die Frau, sie habe ja schon vor der Kinderpause ein Kopftuch getragen, ein ganz kleines nur; das habe ihr die Pflegedienstleitung erlaubt. Wer heute die Gerichtsakten liest, gewinnt den Eindruck, dass ein Fall von Anfang an auf Konflikt gebürstet wurde.
Liegen die Gründe des Kopftuchverbots vielleicht ganz woanders? Zum Beispiel in der Angst, dass die Patienten wegbleiben, wenn sie von einer Kopftuchträgerin versorgt werden? Arbeitsämter können Lieder davon singen: Sehen Arbeitgeber eine Bewerberin mit Tuch oder gar Nikab, der bloß einen Augenschlitz frei lässt, von der Burka gar nicht zu reden, sind alle Jobs schon vergeben, bei allergrößtem Bedauern. Die Augusta-Klinik entledigte sich dieses Risikos – ihrer Mitarbeiterin – mit der Loyalitätsforderung, einem der wenigen Schlupflöcher, die kirchlichen Arbeitsgebern noch bleiben, während ringsum Gleichbehandlung und Diskriminierungsverbote gelten.
Christliche Arbeitgeber sind auf Personal anderen Glaubens angewiesen
Muss das Krankenhaus stellvertretend eine nicht geführte gesellschaftliche Debatte ausfechten, in der es nur verlieren kann? Geht es deshalb ums Prinzip? Hat der Arbeitgeber deshalb seine christliche Identität entdeckt?
Denn ob die Krankenschwester mit ihrem Kopftuch ihre Loyalität zum evangelischen Krankenhaus aufkündigt, ließe sich in wenigen Gesprächen herausfinden. Wenn beide Seiten dazu bereit sind. Hat mal ein Geschäftsführer mit der Frau gesprochen? Hat er ihr den Respekt vor ihrem Glauben gezeigt, der aus Grußworten evangelischer und katholischer Bischöfe zum Ramadan und zum Zuckerfest spricht?
Vor allem die evangelische Kirche spricht gern über die Freiheit, und das steht im krassen Gegensatz zu den Regeln, mit denen christliche Arbeitgeber ihr Terrain abschotten. Dabei sind sie über kurz oder lang auf Personal angewiesen, gleich ob es ihre Religion oder Konfession teilt oder nicht. Kaiserin Augusta, soviel ist sicher, hätte wohl für Offenheit und Entgegenkommen plädiert.
Kommentare
Eine traurige
Entscheidung des Gerichts.
Die Sonderrechte, die die Kirchen im Arbeitsrecht genießen, sind mit der hier geltenden Religionsfreiheit nicht vereinbar. Es geht hier ja auch nicht um den Dienst von der Kanzel oder am Altar, sondern um Einrichtungen, die sowieso nicht mit Religion "infiziert" sein sollten: Krankenhäuser, Kindergärten, Pflegeheime.
[...]
Gekürzt. Bitte provozieren Sie nicht mit Voraussagen über das Kommentarverhalten anderer User. Danke, die Redaktion/dd
Gesetz ist Gesetz.
"Eine traurige Entscheidung des Gerichts."
Beschweren Sie sich nicht beim Gericht, sondern beim Gesetzgeber.
Entfernt. Wir wünschen uns eine möglichst artikelnahe Diskussion. Es geht hier nicht um das Kopftuch im Allgemeinen sondern den speziellen Fall "Kopftuch und christliche Arbeitgeber". Vielen Dank für Ihr Verständnis, die Redaktion/dd
Entfernt. Wir moderieren nach der Netiquette, die Sie bei Ihrer Anmeldung bestätigt haben. Die Redaktion/dd
Wieso immer nur in eine Richtung Toleranz ?
Es gibt viele Arbeitgeber, die eine Arbeitskleidung vorschreiben, nicht nur Christliche Krankenhäuser. Quasi alle die viel Kundenkontakt haben, dort kann meist niemand rumlaufen wie es ihm gefällt.
Ist also im Prinzip eine alltägliche Sache. Nur treffen hier zwei Parteien die sich auf ihre Religion berufen können [...] Wo bleibt denn Loyalität zum Arbeitgeber?
Gekürzt. Anmerkung an alle: Bitte beachten Sie, dass wir hier nicht über das Kopftuch im Allgemeinen diskutieren möchten. Beiträge, die nicht auf den speziellen Fall "Kopftücher und christliche Arbeitgeber" eingehen, werden ausnahmslos entfernt. Danke, die Redaktion/dd
Die readktionellen Anmerkungen
werden irgendwie auch immer lächerlicher. Also wenn wir hier jetzt nicht über genau dieses Kopftuch mit genau diesem Muster bei diesem speziellen Arbeitgeben diskutieren, dann werden hier alle Beiträge sofort G-E-L-Ö-S-C-H-T. HURZ! Der große Redaktionsgott hat gehustet.
Anmerkung: Dieser Artikel beleuchtet einen etwas anderen Aspekt einer oft geführten Debatte. Gerade da hilft eine genaue Moderation, die Diskussion nicht wieder verflachen zu lassen. Vielen Dank für ihr Verständnis. Die Redaktion/dd
typische Fremdenfeindlichkeit..
Kopftuch? TERRORISTIN!
oder anders: Wenn jemand sein Gesicht verdeckt, gilt im Westen: Der/Die verheimlicht doch was..da is was faul, unseriös, gefährlich..
Früher galt das besonders beim Bart.. Männer mit Bart, ob 3 Tage, aber hpts. Vollbart, galten nie als seriös. Noch heute gilt doch in vielen Bereichen eine "Glattrasur-Pflicht", insbes. in der Finanzbranche, Politik oder im Verkauf, Anzugträger mit Bart? Früher kaum zu sehen.
- Kam das nicht daher, dass die christlichen Kreuzzügler auf Muslime und Araber stießen, wo Bärte alltäglich und Kulturgut waren .. ? Nur leider waren das die Feinde, die Bösen.. Also galt dann in der christlichen Welt: Wer einen Bart hat, steht sofort unter Generalverdacht ein Feind zu sein..
(geht man noch früher zurück, waren das die bösen bärtigen Wikinger)
Ähnliches mit Kopftüchern heute...
Fremdenfeindlichkeit halt, die sich ins kulturelle Gedächtnis Mitteleuropas eingebrannt hat..
Mal ne andere Theorie über das Ganze
Netter Versuch
Da die christliche Welt lange vor den sogenannten Kreuzzügen von der arabischen Welt (im Zuge der jahrhundertelangen, islamischen Ausbreitungskriege) überfallen wurde, waren die typischen Bärte schon vorher bekannt. Aber ein netter Versuch.