Weit über 20 Millionen Menschen, also etwa 36 Prozent der Bevölkerung engagieren sich in Deutschland ehrenamtlich – und das im Durchschnitt seit mehr als zehn Jahren. So viel Engagement wie heute gab es schon lange nicht mehr. Das liegt nicht nur an den vielen Flüchtlingshelfern, die Tendenz gibt es schon seit den nuller Jahren. Stuttgart 21, der G8-Gipfel in Heiligendamm, die Waldschlößchenbrücke in Dresden sind nur einige Beispiele, an denen sich heftige Proteste entzündeten. Aber: Es sind eher gut ausgebildete Menschen, die sich engagieren. Und der durchschnittliche Demonstrant in Deutschland ist heute laut einer Sinus-Studie über 50 Jahre alt.
85 Prozent des
zivilgesellschaftlichen Engagements findet im Rahmen von Vereinsarbeit statt. Die
Zahl der in Deutschland eingetragenen Vereine ist in den letzten 50 Jahren beträchtlich gestiegen: Sie hat sich seit 1960 laut Bundeszentrale für politische Bildung bis 2011 mehr als versechsfacht. Und so viel Wachstum ist nur in wenigen
anderen gesellschaftlichen Bereichen zu beobachten. Mit diesen Werten liegen die Vereinsmeier-Deutschen
über dem EU-Durchschnitt, aber nicht an der Spitze. In so unterschiedlichen
Ländern wie Österreich, Schweden und Großbritannien sind prozentual noch mehr
Menschen ehrenamtlich aktiv. Es gibt
also noch Luft nach oben. Ein genauer Blick auf die
Studien zum zivilgesellschaftlichen Engagement offenbart jedoch auch, dass
sich hinter der hohen Stabilität der Zahlen ganz unterschiedliche Gruppen und auch gegenläufige
Tendenzen zeigen.
Besonders gerne
engagieren sich Menschen in West und Ost mit höherem Bildungsabschuss
sowie gutem Einkommen. Zukunftsängste und Ressentiments hindern die Menschen eher daran, selbst aktiv zu werden.
Aktives Älterwerden und Engagement für die eigenen Kinder
Unter den gebildeten sind es besonders die älteren Menschen, die ihr Engagement deutlich und kontinuierlich steigern. Dies kann man als Ausdruck eines aktiven Älterwerdens verstehen. Aber, wie auch schon Studien zur Erfassung der Stuttgart-21-Protestler ergeben hatten: Es tummeln sich hier viele Vertreter der 68er-Generation, zu deren Lebensstil Engagement und Protest dazugehören.
Zunächst erstaunlich, aber auch in der mittleren Altersgruppe (30-59-Jährige) ist das Engagement gestiegen. Dabei müsste diese Gruppe doch am wenigsten Zeit haben. Eine Erklärung liegt jedoch darin, dass sich Mütter und Väter laut Sinus-Studie oft vor allem für ihre eigenen Kinder engagieren, weil sie immer unzufriedener mit den Strukturen sind, die sie vorfinden. Während die Schule früher eher schulterzuckend akzeptiert wurde, haben Eltern heute ein stärkeres Bedürfnis, sie mitzugestalten. Zum Teil wird das elterliche Engagement aber auch aus Kostengründen von Kindergärten und Schulen geradezu eingefordert.
Kommentare
Es ist in der Mitte der Lebenszeit schlichtweg deutlich enger beim Zeitmanagement. In jungen Jahren ist bestimmt auch noch viel mehr Idealismus dabei, dass die Dinge sich schon ganz schnell ändern werden, wenn es nur richtig angepackt wird. Ab 30+ ist das als Vorstellung angeknackst, im Job hat man nicht mehr die gleiche Freiheit in der Zeitgestaltung wie im Studium, dann noch Familie... schnell wird aus einem die Eltern in jung - und das Verständnis, warum die damals so unverständliche Dinge gemacht haben wächst.
Was als "Ablasshandel" steigt, ist die Spendenbereitschaft, weil es ab 30+ auch da besser geht, und - so meine Feststellung - gerade eigene Kinder bringen einen in das Engagement vor Ort bzw. lassen einen die Gedanken von damals wieder neu erleben. Was dadurch dann auch wieder erkennbar wird, ist einfach das gute Gefühl, sich für etwas engagiert zu haben, was einem wichtig ist... selbst wenn das mit Zeit erkauft werden muss, die im Berufsleben deutlich knapper ist als vorher oder später in der Rente.
Haben Sie den Artikeln gelesen? Dort steht doch eindeutig, dass sich erstaunlicherweise gerade die 30+-Generation engagiert, trotz wenig Zeit...
Sehr interessanter Artikel, Danke.
Ich kann dem Zustimmen, da auch in der Uni immer weniger Leute sehe, die sich außerhalb des Studiums für andere Dinge wie Hochschulgruppen, freiwillige Tätigkeiten etc. interessieren. Und meistens gehen die Menschen wirklich nur auf die Straße, wenn sie persönlich in einer Weise betroffen sind.
Sehr wenige gehen auf die Straße, um allgemein gegen Krieg, Abkommen wie EPA etc. zu demonstrieren. Wie viele wissen überhaupt von EPA? TTIP sagt einigen was, aber auch hier, weil dieses Abkommen negative Folgen für Europa hat. Bei EPA mit Europa als Profiteur siehts wieder anders aus.
Wenn die Ursachen der Globalisierung, des Neoliberalismus etc. vor der Tür stehen, dann stehen Leute auf. Dann aber meistens auch die falschen und dann ist es auch leider zu spät. Schade :(
Aber die Frage wäre doch - warum ist es Ihrer Meinung nach so. Also ich glaube nicht das die jetztige Generation generell in sich gekehrt ist. Muss doch einen Grund geben warum man evtl. sogar resigniert - so quasi was solls ?
Was mir dabei Sorge bereitet ist vor allem die Tatsache, dass dadurch gut ausgebildete Sozialarbeiter und andere Helfer den Kürzeren ziehen. Wer würde ehrenamtlichen Hilfskräften denn nicht den Vorzug geben, allein aus wirtschaftlicher Sicht, wenn er vor der Wahl stünde? Dass dadurch allerdings Existenzen zerstört werden, ist den meisten einerlei, bzw. aufgrund ihres Helferkomplexes erst gar nicht bewusst.
Flüchtlinge wären und sind doch anders überhaupt nicht zu versorgen gewesen, als mit ehrenamtlichen Kräften. Ohne die freiwilligen Helfer, die nach wie vor Großes leisten, wären die Folgen wirklich katastrophal. Für mich ist das vor allem ein Armutszeugnis der Regierung, denn die Zunahme von nicht bezahlter Arbeitskraft ist mitunter ein Ergebnis jahrzehntelanger Privatisierung.
Welche Sozialarbeiter? Wir haben hier gerade drei Familien aus Syrien aufs Dorf gesetzt bekommen, ohne jede Infrastruktur, ohne Mobilität, und die Aussage des " Heimleiters" war, wir bräuchten uns als Anwohner nicht kümmern, das würde die zuständige sozialbetreuung machen. Das ist zweieinhalb Wochen her. Seither hat sich exakt niemand blicken lassen. Die Frau vom Amt ist krank, eine Vertretung gibt es nicht, Personalmangel. Wir könnten die Leute jetzt durch den Wald zum nächsten Edeka laufen lassen. Stattdessen machen wir Fahrdienst zum Aldi, melden die Kinder in Kindergarten und Schule an, kümmern uns um Kleidung (die Kinder kamen mit dem, was sie am Leibe tragen), durchwühlen unsere Keller nach praktischen Dingen wie Einen Topf, der für eine achtköpfige Familie angemessen ist. Natürlich würde es ohne freiwillige nicht funktionieren. Aber nur mit Hauptsmtlichen halt auch nicht. Denn die fallen ja auch nicht vom Himmel.
Ein wirklich gelungenes Outfit, um jungen Arabern deutsch und deutsche Werte beizubringen. Süss.
Schade, nun ist es weg, das Bild der leichtbekleideten jungen Deutschlehrerin:)