Wer es nicht weiß, wird es im Trubel auf dem Schulterblatt im Hamburger Schanzenviertel kaum bemerken: Das schmucke Haus an der Kreuzung zur Juliusstraße, in direkter Nachbarschaft zur seit 1989 besetzten Roten Flora, ist nahezu ein Geisterhaus.
Im Erdgeschoss empfangen eine Steh-Pizzeria und eine Bar ihre Gäste. Drei der vier Wohnungen sind unbewohnt – seit etwa acht Jahren, schätzt der Verein Mieter helfen Mietern. Nur eine Mieterin hält tapfer die Stellung. Sie lebt schon seit 30 Jahren im Haus, hat sich gegen etliche Kündigungen und Räumungsklagen zur Wehr gesetzt. Zweimal wurde das Haus in den vergangenen Jahren "symbolisch" besetzt und von der Polizei wieder geräumt. Es gab Prozesse und Verurteilungen wegen Hausfriedensbruch – kurz, jede Menge Aufregung um das Leerstandsmahnmal in prominenter Lage auf dem so genannten Latte-macchiato-Strich.
Aufwändig und nach Originalplänen hat Hausbesitzer Ernst-August Landschulze eine Haushälfte, auf die im 2. Weltkrieg Bomben gefallen waren, bis 2008 sanieren lassen. "Allein die Wiederherstellung des Stucks an der Außenfassade hat etwa 120.000 Euro gekostet", sagt der Hamburger Anwalt Marc Meyer, der sich beim um die Ecke ansässigen Verein "Mieter helfen Mietern" (MhM) um das Thema Leerstand kümmert. Warum Landschulze, dem etliche Häuser und Wohnungen in der Schanze gehören, diese und weitere Wohnungen in der begehrten Lage so lange leer stehen lässt, ist schleierhaft. Klarheit über Landschulzes tatsächliche Motivation ist nur schwer einzuholen, seine Verwaltung gibt einem per Telefon nur die Auskunft, dass sie per Telefon keine Auskünfte erteilt und man außerdem "nicht mit E-Mail arbeitet".
Auch Alster-Villen stehen leer
"Es gibt durchaus Vermieter, die aus anderen Vermietungen so hohe Renditen haben, dass sie das Geld nicht brauchen und sich einfach nicht kümmern. Aus diesem Grund steht auch die eine oder andere Alster-Villa leer," sagt Meyer. Die Regel ist das nicht. Zu den harmloseren Gründen für längeren Leerstand zählt, dass Vermietern Geld für notwendige Sanierungsarbeiten fehlt. Häufig aber geht es einzig darum, die höchstmögliche Rendite herauszuholen. So bringen leere Wohnungen, die als Eigentumswohnung verkauft werden, erheblich mehr Geld ein als Wohnungen, in denen – vielleicht langjährige oder auch noch widerborstige – Mieter leben, denn die loszuwerden ist nicht einfach. Soll ein Grundstück neu bebaut werden, etwa mit einer Anlage mit teuren Eigentumswohnungen, muss das alte Haus natürlich erst einmal leer stehen, damit es abgerissen werden kann und darf.
2.327 Wohneinheiten stehen derzeit in Hamburg leer, in privater und städtischer Hand. Das stellte sich im Februar bei einer Kleinen Anfrage der Bürgerschaftsfraktion der Grünen heraus. Die Zahl müsse man im Verhältnis sehen zu den bestehenden 900.000 Wohnungen in der Stadt, sagt ein Sprecher der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. Die Leerstands-Quote sei "ausgesprochen niedrig". Und die allermeisten Wohnungen stünden "aus guten Gründen" leer: Umbau, Modernisierung und Abriss beziehungsweise Neubau.
Nach einer Studie des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) fehlen aber bis zum Jahr 2030 90.000 Wohnungen in der Hansestadt. Die langen Schlangen bei Hamburger Wohnungsbesichtigungen, die Mieten in Innenstadtlage, die auch für Menschen mit gut bezahlten Jobs oft nicht mehr bezahlbar sind, sind bundesweit bekannt.
Der Leerstand in der Stadt macht viele wütend. Zum Beispiel Michael Ziehl. "Leerstand ist ein Unding, es ist eine Ungerechtigkeit wenn gleichzeitig Menschen nach Wohnungen suchen", sagt er. Ziehl hat Architektur studiert und ist Aufsichtsratsvorsitzender der Gängeviertel-Genossenschaft, einem international beachteten Paradebeispiel dafür, wie alternative Stadtentwicklung gelingen kann und Groß-Investoren das Nachsehen haben. Ziehl hat den Hamburger Leerstandsmelder mitgegründet, eine Datenbank im Netz, in der Bürger Leerstände eintragen können. Über 800 Leerstände sind für Hamburg verzeichnet – darunter auch Ladengeschäfte, Industrie oder ungewöhnliche Gebäude wie eine Friedhofskapelle. Das liest sich dann etwa so: "Das Eckhaus Martinistraße/Erikastraße sieht für mich seit mindestens einem Jahr ziemlich leer aus. Habe mal gehört, dass es ein Hotel war. Ab und zu tut sich was und es werden Bretter vor die Türen und Fenster genagelt."
Kommentare
Selbst verschuldeter Wohnungsmangel
Da sich die Stadt jahrelang mit dem Neubau von Wohnraum vornehm zurück gehalten hat, kann der Mangel keine Überraschung sein. Die Politik reagiert wie meistens viel zu spät. Blinder Aktionismus wie die Mietpreisbremse halte ich für kontraproduktiv, da private Investoren abgeschreckt werden oder sich nur noch auf absolut hochpreisige Wohnungen beschränken könnten. Daneben spielen sicher die gesunkenen Reallöhne im Zusammenspiel mit hohen Energiekosten bei der Gesamtbelastung für das Wohnen eine Rolle. In Hamburg kommt noch eine Zunahme der Einwohnerzahl hinzu. Alles zusammen kein gutes Umfeld für stabile Mieten. Daneben gibt es aber keinen Anspruch auf preiswertes Wohnen in begehrten Citylagen. Wer dort wohnen möchte, muss höhere Mieten in Kauf nehmen. Im Gegenzug sind die Fahrzeiten zur Arbeit in der Regel kürzer und auf das Auto kann eventuell verzichtet werden. Der Lebensstandard der 80er Jahre lässt sich bei gesunkenen Reallöhnen nicht immer halten
was mich hier in hh wirklich ankotzt
man kann leerstand abschreiben und das wird auch getan
deswegen ist es oft profitabler büros zu bauen, welche dann leer stehen, wobei wenn man mal durch hammerbrook geht, sieht wie sinnvoll das ist noch mehr Büros zu haben(welche dann auch nicht einfach umgebaut werden dürfen zu wohnfläche)
ich find das krank und dass der Hamburger Senat sich dann nocht vor Firmen stellt die mit Wohnraum spekulieren und damit das steigen von mieten fördern(siehe Bayrische Hausbau und der Andy Grote von der SPD, der schon fast als Pressesprecher von der BH funktioniert(aber ist nur das proinenteste Beispiel), ist unerträglich
Vermieter scheinen eben keine Rechte zu haben
und ersparen sich den Ärger mit unbezahlten Mieten, vorgeschobenen Mängeln, Schimmelprobleme.
Und wer will denn im Schanzenviertel wohnen? Hier im schönen Hamburg-Billstedt stehen jedenfalls mehrere günstige Wohnungen sowohl zum MIeten als zum Verkauf frei. Seit 8 Monaten hängt vor der Tür das "Zu-Vermieten-Schild" und es kommen noch nicht einmal Besichtigungen zustande.
Dabei ist es von Billstedt nur 10 Minuten zum Rathaus, Hafen etc.
Vorposter schunder13 hat UNrecht. Büros dürfen zu Wohnraum umgebaut werden, dann aber NIE WIEDER zurück zu Gewerbefläche, weil dies gegen das Hamburgische Wohnraumschutzgesetz verstiesse.
Daher werden Büroflächenvermieter quasi gezwungen, leerstehn zu lassen.Einmal Wohnraum - immer Wohnraum.
Um das Airbus-Gelände hat die Stadt übrigens ganze Strassenzüge aufgekauft und lässt die häuser leerstehen, damit Airbus ggfalls vergrössern kann. (Die Stadt lässt nachts Licht brennen, damit keiner was merkt)
es gibt das hamburger wohnraumschutzgesetz tatsächlich
wird aber schlicht und ergreifend nicht angewendet!
und nope sie dürfen wohnraum in büros umwandeln, bzw. es wird oft getan
bekannter von mir hat gerade wieder eine ehemalige Wohnung zu einem Büro gemacht(anwaltskanzlei) und das mit allen offiziellen kroams
und wie wohnungen und wohnraum verkommen... genau dafür ist der leerstandsmelder gut
ein schönes beispiel ist halt alles um hammerbrook herum, es steht so viel leer und sie können es noch nicht mal als proberaum oder atelierfläche mieten(außer für sorry unerhört viel geld), da der leerstand anscheinende besser ist
es gibt dieses schöne sprichwort eigentum verpflichtet
und eigentum der in einer stadt wie hamburg als wohnraum nutzbar ist und eben nicht genutzt wird, aus welchen gründen auch immer, finde ich einfach bedenklich
und zu den fehlern auf Leerstandsmelder: das ist eine große Platform und natürlich kommt es zu fehlern, da jeder was reinschreiben kann
aber wann kommt es denn mal zu einer hausbesetzung deswegen(leider viel zu sellten)
und ich finds schade das man diesen leerstand dann nicht nutzen darf(meine Erfahrung mit verschiedenen hausbesetzern ist) das die schon versuchen das Gebäude/die fläche "aufzuwerten"(was im enddefekt lebenswerter heißt)
und hier bei zum großteil friedlichen leuten die auf leerstand hinweisen wollen von gewalbereiten chaoten zu sprechen find ich traurig und schade, weil ich so viele schöne friedliche projekte kennenlernen durfte und das in ganz europa
Die Zeit sollte den Leerstandsmelder nicht lobpreisen
denn die Angaben dort sind falsch und werden oft zur Denunziation genutzt. So ist z.B. eine Eisdiele in Billstedt als leerstehender Wohnraum markiert.
Und wieso haben Vermieter kein Recht auf Datenschutz? Ich möchte nicht, dass irgendwelche Chaoten meinen, meine Wohnungen besetzen zu dürfen. Man muss sich ja heute schon verstecken vor gewaltbereiten Chaoten.