Frage: Herr Nink, in Deutschland gibt es jetzt genauso viele total demotivierte wie hoch motivierte Mitarbeiter: Jeweils 15 Prozent. Die breite Mehrheit, 70 Prozent macht nur Dienst nach Vorschrift (2013: 67 Prozent). Was fehlt dieser großen Menge von Mitarbeitern?
Marco Nink: Mit dem Gallup Engagement Index messen wir die emotionale Bindung von Mitarbeitern an ihr Unternehmen auf der Basis von zwölf Faktoren wie konstruktive Kritik oder positive Rückmeldung vom Chef, Weiterentwicklungsmöglichkeiten, die Wahrnehmung als Mensch, das Gelten der eigenen Meinung oder der richtige Talenteinsatz. Wir erforschen, inwieweit die zentralen Erwartungen und Bedürfnisse von Beschäftigten am Arbeitsplatz erfüllt werden. Bei gering emotional gebundenen Personen sind nur einige wenige Bedürfnisse beständig und die meisten Bedürfnisse unbeständig erfüllt.
Frage: Und welche Verhaltensweisen legen die 70 Prozent an den Tag?
Nink: Diese Mitarbeiter machen das Notwendige, leisten Dienst nach Vorschrift und spulen ihr Pflichtprogramm ab. Im Vergleich zu dem, was möglich ist, sind diese Personen aber nicht voll und ganz bei der Sache.
Frage: Können
Unternehmen diese Menschen denn identifizieren, wenn sie eigentlich gar
nicht auffallen? Wenn sie klaglos unbezahlte Überstunden machen oder
krank zur Arbeit gehen, eben aus Sorge um den Job?
Nink: Nur, wenn die Führungskräfte den Dialog mit ihren Mitarbeitern suchen und ihnen auch zuhören. Einen solchen Zusammenhang können wir nicht bestätigen. Aber: Unsere Zahlen zeigen eher, dass die Mitarbeiter allgemein immer weniger in Sorge um ihren Job sind.
Frage: Was genau bewirkt konkret die besondere Motivation, die engagierte Mitarbeiter für Unternehmen so wertvoll macht?
Nink: Kunden, die nicht bedient, Fehler, die gemacht werden – nicht nur Ausschuss in der Produktion – , unbeantwortete Mail-Kundenanfragen, Zusatzgeschäft, das nicht an Land gezogen wird, Innovationen, die nicht erdacht werden. Das alles bedeutet Umsatz, der zum Greifen nah war, aber der entgeht. Der ist schwer in Zahlen auszudrücken und allzu verschieden, je nach Branche und Saumseligkeit.
Lassen Sie mich ein Beispiel geben: In einer Wiesbadener Buchhandlung suchte ich einen bestimmten Mauritius-Reiseführer. Der Mann am Infostand schickt mich weg zum Regal mit den Worten: "Wenn er da nicht ist, haben wir ihn auch nicht." Sein Kollege dagegen fragte: "Was kann ich tun für sie?" Er nahm mich mit und verkaufte mir einen anderen Mauritius-Reiseführer, plus zwei Büchern als Reiselektüre. Wo der Kollege vom Infostand mir nicht mal das gesuchte Buch bestellen wollte. Das Fazit: Ich hatte eine positive Einkaufserfahrung und habe mehr Geld ausgegeben, als ich wollte – und ich wurde zum Stammkunden.
Frage: Aber Sie haben aber eine Schadens-Zahl für den einzelnen Betrieb errechnet, zumindest für Krankheitszeiten…
Nink: Wir sind für Fehltage auf einen durchschnittlichen Schaden von 252 Euro pro Tag je Mitarbeiter gekommen. Aber das ist nur der Lohnausfall. Diese Zahl ist ein hochgerechneter Betrag. Grundlage sind die Arbeitskosten je Stunde des Statistischen Bundesamtes auf der Basis eines achtstündigen Arbeitstags. Zum Beispiel: Bei einem Unternehmen mit 2000 Mitarbeitern entsprechen die Fehltage einem Kostenblock von 1,3 Millionen Euro. Die Schäden darüber hinaus? Für die reicht die Fantasie kaum aus.
Kommentare
Zufriedenheit ist doch ganz einfach:
Love it, change it or leave it! Wer rummöppelt, "innerlich kündigt", weder an echten Veränderungen arbeitet noch den "Arsch in der Hose" hat, die Konsequenzen zu ziehen und zu gehen, hat kein Mitleid verdient.
starke Worte
" .... wer nicht den "Arsch in der Hose" hat, die Konsequenzen zu ziehen und zu gehen, hat kein Mitleid verdient."
Sprechen wir uns wieder, wenn Sie über 50 sind?
Nett geschildert, aber nicht ganz korrekt...
... wenn Herr Nink sagt: "Bei einem Unternehmen mit 2000 Mitarbeitern entsprechen die Fehltage einem Kostenblock von 1,3 Millionen Euro. Die Schäden darüber hinaus? Für die reicht die Fantasie kaum aus."
Da stellt er sich wohl vor allem vor (und sagt es auch weiter oben), dass Kunden verloren wurden.
Nur vergisst er, dass die Firmen hier das betreiben, was in der Spieltheorie als Nullsummenspiel bezeichnet wird: Kunden die der Firma A verloren gehen landen bei der Firma B - aber auch umgekehrt. Insgesamt entsteht der Volkswirtschaft (und der einzelnen Firma unter Annahme von Symmetrie) durch Kundenabwanderung also nicht der unbedingt drastische Schaden.
Symmetrie?
Die "Symmetrievermutung" unterstellt eine geschlossene Volkswirtschaft. Wo es aber möglich ist, Produkte oder Dienstleistungen auch aus dem Ausland zu beziehen oder Produktionsstandorte ins Ausland zu verlagern, können sich zu viele mangelhaft motivierte/engagierte Mitarbeiter dauerhaft negativ auf Umsatz und Arbeitsplätze auswirken.
Aber auch betriebswirtschaftlich gesehen sollte ein Unternehmen nicht auf den "Symmetrieeffekt" vertrauen. Gelingt es der Konkurrenz, die besser motivierten, engagierten Mitarbeiter für sich zu gewinnen und an sich zu binden, wird sich der Umsatz nur in deren Richtung verschieben und auch nicht "zurückschwappen", sofern es nicht gelingt, auch die Motivation der eigenen Belegschaft auf konkurrenzfähiges Niveau zu heben.
Oder die Entwicklung im Einzelhandel (wie der Buchhandel als Beispiel aus dem Artikel): gelingt es dem standortgebundenen (Laden-) Einzelhandel vor Ort mit seinem oft desinteressiertem, demotivierten Personal nicht, das volle Potenzial der spezifischen Vertriebsvorteile (wie kompetente, persönliche Beratung, begleitende Dienstleistungen etc.) auszuschöpfen, dann gewinnt der Online-Handel, der mit anderen Vorteilen punktet, welche vielfach eher auf standardisierten, automatisierten Prozessen als auf dem persönlichen Engagement der breiten Masse der ausführenden Mitarbeiter beruhen.
Also schauen ganze Innenstädte in die Röhre beim Warten auf den "symmetriebedingten Rückfluss" vom Nachbarn, "der ja auch nicht besser ist".
'n Appel und 'n Ei
Habe ich das nur überlesen, oder wird die miese Bezahlung der Menschen hier gar nicht erwähnt?
Für 'n Appel und 'n Ei bekommt man halt keine hochmotivierten Arbeitnehmer.
Geht mir auch so,
ich finde meinen Chef und meine Arbeit insgesamt schon o.k., auch wenn es nicht unbedingt das ist, was ich machen wollte. Aber für das Gehalt, reiße ich mir keine Beine (mehr) aus. Was ist eigentlich so schlimm an "Dienst nach Vorschrift"? Es ist ja nicht so, dass der Arbeitgeber von mir keine Leistung erhält.
zu #1: Ich finde Ihren Kommenter schlicht unsäglich.
Beförderung, pfft.
Bei uns wurden vorletztes Jahr im Tarifvertrag neue Gehaltsgruppen nach Aufgabengebieten definiert, da ein großes Problem stark unterschiedliche Gehälter bei identischer Arbeit ist.
Diese neuen Gehaltsgruppen wurden bis heute nicht umgesetzt, es gibt jetzt eine neue Deadline, 1. Januar 2016.
Die Aufgabengebiete wurden in meiner Abteilung im Februar sehr interessant definiert. Es wurde praktisch die Hälfte unserer Arbeit aus unserem Profil gestrichen, weil das ja nur unwesentliche Teile unserer Aufgabe sein sollen, damit die gesamte Abteilung zwei Stufen niedriger eingestuft werden kann. Bei unserem Abteilungsleiter wurde sogar die Leitungsverantwortung aus dem Profil gestrichen.
Mich alles juckt das nicht. 4 Jahre Zeitarbeiter ohne Übernahme. Jetzt sind meine Kollegen aber wenigstens genauso frustriert wie ich :)