Frage: Die Klimaforscher predigen uns nun schon seit Jahren, dass es einer radikalen Umkehr bedarf. Energie zu sparen, wird ja auch von fast allen als sehr erstrebenswert angesehen. Und trotzdem sinkt der Verbrauch nicht so, wie er es wohl müsste, um die Risiken des Klimawandels aufzufangen. Was ist das eigentlich für ein seltsames menschliches Phänomen, wenn alle etwas wollen, aber kaum jemand etwas konkret dafür tut? Warum tun wir so oft nicht das, was wir eigentlich als notwendig erkannt haben?
Gerhard Roth: Die Beziehung zwischen Einsicht und Handeln ist sehr kompliziert, weil sich der Einsicht immer die Erwartung einer Belohnung ankoppelt. Wir fragen uns bewusst oder unbewusst: Was habe ich davon, dass ich der Einsicht folge? Das sind Dinge, die wir oft nicht genau beschreiben können. Und dann wundern wir uns und finden Ausreden, warum wir es doch nicht getan haben. Viele Gründe, die zur Handlungssteuerung beitragen, erleben wir nicht rational.
Frage: Die Vernunft ist also generell kein Grund für unsere Handlungen?
Roth: Die Vernunft alleine sowieso nicht. Die Vernunft führt erst dann zur Einsicht, wenn sie emotional angekoppelt ist. Aber auch die Einsicht alleine führt noch nicht zur Handlung. Sein Verhalten ändert man nur, wenn daraus Belohnungen folgen. Je materieller diese Belohnung ist, desto schneller wirkt sie, aber desto schneller verliert sie auch wieder ihre Wirkung. Und wenn sie ausbleibt, ist die Enttäuschung groß. Unter Verlusten leidet man doppelt so sehr, wie man Gewinne genießt. Am Anfang ist eine materielle Belohnung als Anreiz wichtig, aber darauf aufbauen müssen soziale Belohnungen, wie Lob oder Titel.
Deren positive Wirkung lässt langsamer nach. Nur die intrinsische Belohnung, die man sich selbst gibt, die macht nie satt im Gegenteil. Warum half Mutter Theresa? Weil Altruisten sich selbst belohnen durch Ausschüttung von körpereigenen Opioiden im Belohnungszentrum des Gehirns.
Gerhard De Haan: Diese Orientierung an der Belohnung darf man sich allerdings nicht so vorstellen, als hätten wir da ein rationales Kalkül. Ökonomen denken das oft fälschlicherweise. Aber wir kalkulieren das nicht durch. Ich fühle mich auch belohnt, wenn ich eine Freude daran habe, etwas Neues zu tun. Wir haben da eher so eine Art innerer Heuristik.
Frage: Gilt das wirklich für uns alle? Oder gibt es nicht auch den Typus des rationalen Entscheiders, des Managers, der alles genau durchrechnet?
De Haan: Dann würde der doch keinen 5er BMW fahren. Es ist doch eine völlig irrationale Entscheidung, so ein teures Auto anzuschaffen. Vielleicht entscheidet er sich an manchen Stellen rational fürs Unternehmen. Aber auch da meist nicht. Aus Psychologensicht kann ich sagen: Wir folgen unseren Gewohnheiten. Die Ökonomen kennen das als Pfadabhängigkeit der Entscheidung.
Roth: Es ist ja auch die Frage, was Rationalität bedeutet. Es gibt nicht die eine Rationalität. Extrem rational wäre irgendein kleines Gurkenauto, das kaum Sprit verbraucht. Aber da setzt sich der Manager nicht rein.
Kommentare
Second-Hit-Modell
"Roth: Sie sagen es. In der Neurobiologie gibt es das Second-Hit-Modell: Der zweite Einschlag hat oft die entscheidende Wirkung, weil der erste noch latent war."
Mir fällt dazu spontan die zweite Bombe auf Nagasaki ein (der Hintergrund ist zwar differenzierter, aber wie gesagt - spontan, und dazu eben "Einschlag").
Nach weiterem Nachdenken fallen mir auch Erziehungserfahrungen bei Kindern ein.
.....
mir faellt da spontan der zweite Weltkrieg ein, der erste hatte eben noch nicht gereicht
Menschliches Verhalten kann man vorhersagen
Die Betriebswirtschaftslehre hat früher den Leitsatz aufgestellt: Die Bedürfnisse des Menschen sind unbegrenzt.
Das stimmt heute noch und ist der wesentliche Antrieb der Menschen.
Natürlich gibt und gab es schon immer Menschen, die versuchten, anderen den Spaß zu verderben. Sie predigten ein Leben in Armut und Bescheidenheit um den Preis des ewigen Himmelreichs.
Sie predigen den gegenwärtigen Verzicht, damit es Menschen auch in 1000 Jahren noch gibt.
Letzteres wäre in gewisser Weise einleuchtend, wenn ich mit einem kleineren Auto, einer noch effektiveren Glühbirne, den Verzicht auf dieses und jenes Vergnügen das Gefühl hätte, etwas bewirken zu können.
Solange aber Expeditionen wie diejenige von und nach Afghanistan nie hinsichtlich der Energieverschwendung diskutiert werden, sehe ich das nicht so recht ein. In welchem Umfang beeinträchtigte der Transport von Panzern und anderer Ausrüstung nach Afghanistan und jetzt deren Rücktransport das Klima?
Auch verhältnismäßig kleinere Sachen können uns dazu bewegen, das Leben noch zu genießen, so lange es das noch gibt. Ich denke z. B. daran, dass auf der seit Monaten ruhenden Baustelle des neuen Flughafens in Berlin Tag und Nacht die Lichter brennen, weil niemand den Ausschaltknopf findet. Niemand kommt auf die Idee, einen Elektrikerlehrling zu fragen, wie man einen Kurzschluss herstellt.
Diese Beispiele können fast unendlich vervielfältigt werden und ich glaube, es ist intelligent, darüber nachzudenken.
Da muss ich wiedersprechen
1. Die Bedürfnisse des Menschen sind nicht unbegrenzt.
Das ist wohl die Gier einiger. aber das hatte BWL noch nie unterscheiden können.
2. Die Predigt von Armut und Bescheidenheit mag mancher wohl als das auffassen, aber eigentlich geht es dabei um eine etwas nachhaltigere Lebensweise. Man muss nicht in Armut und Bescheidenheit leben um kein Verschwender zu sein.
3. Weil an anderer Stelle verschwendet wird, müssen sie das auch so machen?? So etwas nennt sich Egoismus und ist eines der Grundübel.
Eine Veränderung fängt immer mit dem ersten Schritt einer Person an und lebt davon, das man andere auf diesem Weg mitnimmt.
Der Mensch ist zu dumm für seine Intelligenz
Das ist eine These, die ich seit langem vertrete.
Das fing bereits bei der Bändigung des Feuers an: Niemand sah voraus, was daraus werden würde. Doch natürlich war die Bändigung des Feuers technologisch eine Großleistung.
Ebenso hat niemand die Folgen der Industriellen Revolution vorausgesehen, die natürlich ebenfalls eine technologische und intellektuelle Großleistung war.
Menschliche Intelligenz schafft pausenlos - bis hin zur Kernspaltung - bewundernswerte, staunenswerte Ergebnisse, die von der Bändigung des Feuers bis hin zur Atomenergie, vom Semaphoren bis hin zum Handy, von Notizblock und Abakus bis hin zum Rechner reichen - deren Folgen jedoch für die menschliche Intelligenz schon längst nicht mehr absehbar sind.
Und da sich die Inkompatibilitäten zwischen menschlicher Intelligenz und menschlichem Begriffsvermögen immer enger an einander schmiegen, wird dies alles eher bald zum Zusammenbruch der Menschheit führen.
Gleiche Meinung
- deren Folgen jedoch für die menschliche Intelligenz schon längst nicht mehr absehbar sind.
@gceschmidt
Ihren Beitrag finde ich sehr interessant, weil ich nämlich zu der gleichen Erkenntnis gekommen bin. So wie im Interview gesagt wurde, ist die Intelligenz ein Werkzeug und ich bin der Meinung, dass wir dieses Werkzeug nicht richtig verwenden können. Dazu gibt es einen ganz tollen Dokumentarfilm, in dem das von Anthropologen erklärt wird. Wir haben alte Hardware (Gehirn), die seit 50000 Jahren unverändert ist und eine Software (neuste Entwicklungen/HiTech), die komplett neu ist. Dh. wir haben Software, die nicht kompatible zu unserer vorhanden Hardware ist. Auch haben die Anthropologen erläutert, warum wir nicht fähig sind, vorauszuschauen, also die Folgen in 30 Jahren zu erkennen. Falls Sie der Dokumentarfilm interessiert, hier der Link:
http://www.youtube.com/wa...
Resistenz ...
"Es wird einen harten Kern der Resistenten geben. Nach unseren Simulationen sind das so etwa 25 Prozent der Gesellschaft." ....
Na das deckt sich doch prima mit dem momentanen Zuspruch für die neue Partei AfD mit ca. 24% .... ;-) ... Theorie bestätigt ....