ZEIT ONLINE: Herr Weidner, Sie sagen, es lohnt sich, unbequem zu sein und seinen Widersachern auch mal die Zähne zu zeigen. Wie kann ich mein Aggressionspotenzial erhöhen oder konstruktiv für mich nutzen?
Jens Weidner: Sie können zu 80 Prozent ein guter Mensch sein. Die anderen 20 Prozent sollten Sie jedoch bissig und durchsetzungsstark agieren. Treffen Sie im Berufsleben zum Beispiel auf Zeitgenossen, die es nicht gut mit Ihnen meinen, sollten Sie denen signalisieren, dass Sie auch anders können. Denn wenn Ihr berufliches Umfeld weiß, dass man nicht alles mit Ihnen machen kann, werden Sie paradoxerweise besser behandelt. Und je höher Sie aufsteigen, desto härter wird der Wettbewerb um den richtigen Weg.
Um aber Missverständnissen vorzubeugen, ich meine hier nicht Führungskräfte, die sich an Statusschwächeren vergehen, ausschließlich an ihrem persönlichen Profit interessiert sind und weder das Firmen- noch das Gemeinwohl im Auge haben. Solche Egomanen verabscheue ich, denn sie werden ihrer Verantwortung als Führungskräfte nicht gerecht.
ZEIT ONLINE: Welchen Vorteil hat es für Führungskräfte, wenn sie aggressiv reagieren?
Weidner: Zunächst einmal bedeutet aggressiv hier nicht, dass Sie mit der Faust auf den Tisch hauen. Es geht um Durchsetzungsstärke und darum, dass Führungskräfte auf Menschen, die sie bei wichtigen und sinnvollen Entscheidungen blockieren, entsprechend abwehrend reagieren.
Leiten Sie beispielsweise ein Team von 50 Personen und "nur" einer meckert ständig, stellt Ihre Entscheidungen öffentlich infrage und verweigert sich, kann das beeindruckend negative Konsequenzen für Sie haben.
ZEIT ONLINE: Wie das?
Weidner: Spielen Sie einmal folgendes Szenario durch: Das blockierende Teammitglied hat fünf Kollegen im Team, die ihn ganz in Ordnung finden. Diese fünf Kollegen haben ihrerseits je drei Kollegen im Team, die sich ebenfalls gut verstehen. Setzt diese eine Person nun alles daran, Sie und Ihre Entscheidungen infrage zu stellen, haben Sie ruckzuck 21 Personen im Team – also fast die Hälfte Ihrer Mitarbeiter – die Ihnen gegenüber plötzlich kritisch und nicht unterstützend eingestellt sind.
Ein großer Fehler wäre jetzt, nicht zu reagieren und so zu tun, als wenn Ihnen diese eine Auslöser-Person egal wäre.
ZEIT ONLINE: Sondern?
Weidner:
Besser ist, Sie knöpfen sich diesen Mitarbeiter vor (oder delegieren das an einen Vertrauten) und geben ihm in
einem Vier-Augen-Gespräch unmissverständlich zu verstehen, dass
dieses Verhalten für Sie inakzeptabel ist und für ihn gravierende
Konsequenzen hat. Das heißt jetzt aber nicht, dass Sie anfangen
sollen, ihn zu mobben oder unfaire Methoden einzusetzen. Es geht
vielmehr darum, ihn in seinem Status zu reduzieren, damit sein Wort zukünftig kein entscheidendes Gewicht mehr hat.
ZEIT ONLINE: Wirkt ein solches Verhalten nicht unsouverän? Wird man damit nicht zum Außenseiter?
Weidner: Wenn Sie schreiend mit hochrotem Kopf agieren, ja. Ansonsten macht Sie Ihr konsequentes Verhalten nicht zum Aussätzigen. Es signalisiert ganz im Gegenteil: Das ist mir wichtig. Hierfür brenne ich. Das setze ich durch! Und die Sorge, dass Sie als unangenehmer Mensch gelten, ist ebenfalls unbegründet. Vorausgesetzt, Sie gehen höflich mit Ihren Mitarbeitern und Kollegen um und machen klare Ansagen. Streichen Sie daher auch den Konjunktiv aus Ihrem Wortschatz.
ZEIT ONLINE: Gibt es einen Unterschied zwischen Frauen und Männern?
Weidner: Frauen sind ebenso durchsetzungsstark und spielen Machtspiele genauso raffiniert und mit langem Atem wie Männer. Allerdings zeigt meine Erfahrung, dass Frauen in einer Machtposition kommunikativer sind und auf den ersten trügerischen Blick netter erscheinen. Das heißt aber nicht, dass Frauen weniger kämpfen müssen. Ganz im Gegenteil, sie müssen härter kämpfen denn je. Denn das alte Tabu, dass man als Mann keine Frau absägt, gilt nicht mehr.
ZEIT ONLINE: Warum hat sich dieses Verhalten verändert?
Weidner:
Aktuell haben wir etwa 80 Prozent männliche und rund 20 Prozent
weibliche Führungskräfte in oberen Führungsetagen. Weil Frauen
mittlerweile aber die 50 Prozent einfordern, wissen rund 30 Prozent
der Männer, dass sie langfristig ihren Stuhl werden räumen müssen. Das tun sie sicher nicht kampflos.
Kommentare
Eine Frau muss doppelt so gut sein wie ein Mann.
Gott sei Dank ist DAS nicht schwer.
Haben Sie Belege für eine Ihrer Behauptungen?
"Weil Frauen mittlerweile aber die 50 Prozent einfordern, wissen rund 30 Prozent der Männer, dass sie langfristig ihren Stuhl werden räumen müssen. Das tun sie sicher nicht kampflos."
Man muss dazu sagen, dass Männern, solange sie praktisch unter sich waren, auch die komplette Konkurrenz von Frauen vom Hals gehalten wurde. Anders gesagt: Unter normalen Umständen (ohne Ausschluss der Frauen) hätte es auch bisher immer schon die doppelte Anzahl von Konkurrent/inn/en gegeben.
Diese Interessenlage, wie sie im Artikel festgehalten wird, sollte man sich auch klar machen, wenn hier gleich wieder die Maskulinistenfraktion loslegt und alles tut, um diese Interessenlage zu vernebeln...
Genau, Männer unter sich: Da wird nur gekungelt und gescherzt, da gibt es überhaupt keinen Konkurrenzkampf, da hat mansich als verschworene Gemeinschaft aufgestellt um gegen den gemeinsamen Feind, die Frau, zu kämpfen.
Herr, schmeiß ...
"Aktuell haben wir etwa 80 Prozent männliche und rund 20 Prozent weibliche Führungskräfte in oberen Führungsetagen. Weil Frauen mittlerweile aber die 50 Prozent einfordern, wissen rund 30 Prozent der Männer, dass sie langfristig ihren Stuhl werden räumen müssen."
Ich verstehe nicht, wie Sie auf 30 % kommen. Ist das eine Zahl aus einer Studie oder haben Sie einfach 80-50 gerechnet? Letztere Variante ist falsch; ausgehend allein von den von Ihnen genannten Zahlen müssten es rund 38 % der Männer (0,3 geteilt durch 0,8) wissen. Das ist allerdings auch nur eine Fantasiezahl, denn von den Männern, die durch bessere Frauen verdrängt gehörten, wissen oder glauben einige sicher nicht, dass sie nicht gut genug sind, und von den Männern, die gut genug sind, wissen sicher viele, dass ihre Arbeitsplätze tendenziell durch Frauen gefährdet sind.
Feminismus geht untrennbar einher mit Dyskalkulie und fehlender Logik.
Langfristig müssen sogar 100% der Männer, und sogar der Frauen, den Stuhl räumen.
Unter aktuellen Bedingungen, insbesondere in der Wirtschaft, würde ich Herrn Weidner Recht geben. Denoch halte ich so ein Model für kurzsichtig und nicht zukunftsorientiert. Das aggressive Handeln schafft einen Teufelskreis in dem es nur um Machterhalt, Bekämpfen und Sichdurchsetzen geht, anstatt lösungsorientiert an Konflikten zu arbeiten. Ausgerechnet dort, wo viele Frauen – vielleicht auch geschlechterrollenbedingt – gegen die Aggressivität vorgehen, wird ihnen empfohlen das Gegenteil zu tun und sich an den kommunikationsunfähigen Männern zu orientieren, irgendwie nachvollziehbar, da es nicht anders geht. Der Teufelskreis muss durchbrochen werden und die Aggressivität ist dafür keine gute Lösung. Meiner Meinung nach hilft an dieser Stelle das Aneignen von Fähigkeiten aus den Bereichen der sog. „gewaltfreien“ Kommunikation, Konfliktlösung und Teamarbeit viel mehr. Solange dieser Teufelskreis nicht durchbrochen wird, sind wir zum Kämpfen verdammt.