Eine meiner westfälischen Tanten heiratete in den sechziger Jahren nach Niederösterreich ein. Die zahlreichen Kinder der Verwandtschaft – darunter auch ich – verbrachten unendlich lange, schöne Sommer auf ihrem großen Gutshof, inmitten von Schafen, Hunden, Hühnern und Fasanen, die sie züchtete. Eine unserer Lieblingsbeschäftigungen war es, beim Unkrautjäten oder Obstpflücken unsere glanzvolle Zukunft zu bereden: Würden wir einst reich sein? Berühmt? Wie viele Kinder würden wir haben? Wen würden wir heiraten, wie würden wir dann heißen? Die infrage kommenden entfernt verwandten Cousins sagten mir alle nicht besonders zu. Obwohl manche von ihnen sogar richtig glamouröse Namen hatten.
In meiner Kindheit war eine Namensänderung für Frauen in Deutschland üblich. In einem Fachkommentar zum BGB argumentierten Juristen noch 1976: "Der Frau ist ein Namenswechsel im Zweifel eher zumutbar, da sie als die zumeist Jüngere vor der Heirat weniger lang im Berufsleben stand, nachher zur Versorgung der Kleinkinder oft einige Jahre aus dem Beruf ausscheidet sowie überdies in ihm häufig weniger hohe Positionen einnimmt als im Durchschnitt der Mann." Erst 15 Jahre später konnte der Geburtsname der Frau auch der Familienname sein.
Einfach war diese Gesetzesänderung nicht durchzusetzen. Dem Verfassungsgerichtsurteil vom März 1991 gingen Klagen von Einzelpersonen, Anfragen der Fraktionen an den Bundestag und Anträge einzelner Bundesländer voraus. Der Deutsche Juristinnenbund kämpfte jahrelang für diese Novellierung des Namensrechts. Auch in anderen Ländern zählte die freie Namenswahl lange zu den Kernpunkten feministischer Forderungen. In Japan, wo seit 1896 ausnahmslos gilt, dass sich verheiratete Paare für einen Namen entscheiden müssen – und 96 Prozent der Frauen dann den Namen des Mannes übernehmen, was Bände über den sozialen Druck spricht –, wird seit vielen Jahren gegen die veraltete Regelung geklagt. Erfolglos.
Verflechtung von Persönlichkeit, Namen und Identität
In den USA bildete sich 1921 die Lucy Stone League, unter deren Mitgliedern viele einflussreiche Journalisten und Journalistinnen waren. Die Lucy Stoner setzten sich vehement dafür ein, dass Frauen ihren Namen behalten durften. In den USA ist das seit 1972 möglich. Dennoch entscheidet sich nur eine von fünf Frauen bei der Heirat dafür.
Dass Frauen in diesem Land dank des zähen Engagements von verschiedensten Initiativen und Feministen/innen die Wahl haben, ihren Geburtsnamen zu behalten, bedeutet auch, dass sie heute die Freiheit haben, ihren Namen zu ändern – den Namen, den sie wohlgemerkt immer von ihrer Familie väterlicherseits vererbt bekamen. Die innere Distanz zu meinem Namen war wohl schuld daran, dass er dauernd falsch geschrieben wurde. Ich glaube, ich habe ihn nie gut aussprechen können. Ich kam nie gut mit ihm zurecht.
Vor ein paar Wochen saß ich dann in einem prächtigen neogotischen Standesamtszimmer in Berlin-Neukölln, neben meinem langjährigen Lebenspartner, flankiert von meinen zwei Töchtern, im Rücken drei kichernde Freundinnen. Der Standesbeamte spulte sein Programm ab – Begrüßung, Belehrung, Gedicht –, und fast hätte ich es überhört: Hatte er gerade gefragt, ob noch eine/r von uns den Nachnamen des anderen annehmen wolle? Tatsächlich. Wenn, dann jetzt, dachte ich, und bejahte. Das war's. Ich wunderte mich, dass er es überhaupt gehört hatte. Er eilte aus dem Zimmer, um die Formulare zu ändern, Bob Marley sang "Is this love?" in Schleife, und als wir fünfzehn Minuten später verheiratet waren, hieß ich offiziell Fezer.
Das ging schnell. Erst danach fing ich an, über die Bedeutung einer Namensänderung nachzudenken und über die enge, oft unlösbar erscheinende Verflechtung von Persönlichkeit, Namen und Identität. Ich wette, auch Hettie Jones hat viel darüber nachgedacht, als sie in den späten 1980er Jahren ihre Autobiografie How I became Hettie Jones verfasst hat. Hettie Jones war mit dem Jazzpoeten LeRoi Jones verheiratet. Mit Joyce Johnson, Helene Dorn, Lenore Kandel, Diane DiPrima und Ruth Weiss gehörte sie zur US-amerikanischen Boheme der 1950er und 1960er Jahre, zur Beat Generation, und einige dieser Frauen waren mit dem legendären Black Mountain College assoziiert. Eine schöne Ausstellung im Karlsruher ZKM stellt einige von ihnen zurzeit vor – sechs, genauer gesagt, sechs von insgesamt 80 Protagonisten/innen der Zeit.
Kommentare
Dass das überhaupt noch jemand macht.^^
Schließlich ist der neue Namen ja ein Symbol für den Wechsel der Frau in den Besitz des Mannes.
Ich korrigiere eben:
"Schließlich [war] der neue Namen ja ein Symbol für den Wechsel der Frau in den Besitz des Mannes."
Heute ist das nicht mehr so, da sich Paare bewusst dafür entscheiden (können) ob eine Namensänderung stattfindet und wenn ja, ob beide den Namen der Frau, des Mannes oder einen Doppelnamen annehmen.
Ein gemeinsamer Name kann z.B. praktisch sein, wenn man Kinder bekommen will und beide den gleichen Nachnamen haben wollen, wie ihr Kind.
Der Ehemann einer Freundin von mir hat ihren Namen angenommen und ist nicht "in den Besitz" der Frau gewechselt. Oder doch... ;)
Schön ist doch, wenn beide Partner eine Entscheidung treffen können und diese gegenseitig respektieren. Traditionell oder fortschrittlich, Hauptsache frei.
Na ja, mit der Greiheit ist es manchmal so eine Sache.
Auch wer eigentlich frei ist, entscheidet sich manchmal sehr unfrei.
Ganz ehrlich gesagt finde ich den Artikel schon in der Überschrift total altbacken "Alle Frauen auf der Welt sollten darüber selbst entscheiden. "
Denn das impliziert ja, dass die Frau den Namen ändert und nur im Ausnahmefall nicht. Warum nicht "Alle Menschen auf der Welt soollten darüber frei entscheiden?" Damit wäre klargestellt, dass selbstverständlich auch Männer den Namen der Ehefrau annehmen können.
Und das hier "den sie wohlgemerkt immer von ihrer Familie väterlicherseits vererbt bekamen" stimmt so auch nicht. Ich kenne bereits zwei Paare, da ist der Geburstname der Frau der Name der Kinder.
... à propos "alle .... auf der Welt":
Es gibt europäische Länder, in denen es völlig normal und seit Alters her üblich ist, dass bei einer Heirat jeder seinen eigenen Namen behält (Spanien, Griechenland, Teile des früheren Jugoslawien).
Dort kann man damit wunderbar leben, dass Mann und Frau unterschiedlich heißen, und die Kinder werden auch groß, obwohl die Eltern verschiedene Namen tragen (erwähne ich nur, weil diesbezüglich bereits einige andere Mitdiskutierende Bedenken geäußert hatten ...).
Wir kennen Dutzende Paare, in denen nach der Eheschließung jeder Partner seinen angestammten Namen behalten hat - ist ja auch eine Frage der Identität. Gerade in Akademikerkreisen, wo die Leute häufig erst mit weit über 30 Jahren heiraten, ist das inzwischen ziemlich verbreitet.
Auffällig ist nur, dass in fast allen dieser Fälle die gemeinsamen Kinder dann doch wieder den Namen des Vaters erhalten - auch wenn dieser Name (subjektiv) der deutlich "unattraktivere" der beiden Namen ist. (Beispiel: Die Kinder heißen nach dem Vater "Schmidt", die Mutter heißt "Sternbach" o. Ä.)
Das braucht wohl noch eine Generation, bis man auch hinsichtlich der Nachkommenschaft flexibler wird und nicht mehr starr uralten Denkgewohnheiten verhaftet bleibt.
In Akademikerkreisen ist das auch deshalb ziemlich verbreitet, da niemand Ihre alten/neuen wissenschaftlichen Artikel findet, wenn sich Ihr Name ändert.