Hinweis der Redaktion: Dieser Text nimmt Bezug auf alle bisher veröffentlichten Folgen von "Game of Thrones". (Hier sammeln wir alle Beiträge zur Serie.)
Max Wallenhorst: Was ist eigentlich passiert in dieser letzten Staffel von Game of Thrones? Und was genau ist nicht passiert? Und warum war das alles so frustrierend?
Tilman Richter: Wahrscheinlich, weil man die ganze Staffel lang den Eindruck hatte, dass jetzt wirklich alles ganz schnell gehen muss. Der Winter ist da und die Ressourcen sind knapp. Es gibt nur noch eine begrenzte Anzahl ausstehender Episoden und das Special-Effects-Budget hat auch Obergrenzen. Das Ende des Ganzen steht fest, also scheint sich niemand mehr sonderlich viel Mühe mit den Reisedetails und der Entwicklung von Charakteren zu geben. Wer keinen Platz im Plot mehr hatte, wurde ohne viel Aufhebens aus dem Rahmen gekickt – wie die Sand Snakes oder Olenna Tyrell. Das wirkte wie eine Partie Dungeons & Dragons, die übereilt zu Ende gespielt wird, weil alle nach Hause wollen. (Und bei mehr als einem der Charaktere bleibt der Eindruck, dass er oder sie den Tod mittlerweile beinahe sucht.)
Jetzt, nach
dem Ende der siebten Staffel, bin ich damit aber wieder ein wenig versöhnt. Denn
tatsächlich ist sich Game of Thrones insofern treu geblieben, als dass
niemand wirklich vorangekommen ist: Daenerys sitzt immer noch nicht auf dem
Iron Throne; die White Walker haben zwar ihren unendlichen Marsch über die
Mauer beendet, aber von einer Schlusskonfrontation scheint mir das alles sehr weit
entfernt zu sein. Es stehen immer noch die Charaktere im Mittelpunkt, denen wir
seit der ersten Episode der ersten Staffel folgen, und Jon Snow weiß immer
noch nichts. Worum es nun eigentlich geht, ist mal wieder ziemlich offen.
Wallenhorst:
Hm. Für mich hat sich diese Offenheit zum ersten Mal beliebig
angefühlt. Weitergucken werden wir natürlich trotzdem. Wir können gar
nicht mehr aus dem Metaphernwettstreit aussteigen. Die Serie wird ja
inzwischen als Oberfläche globaler Deutungsproduktion rezipiert. Da steht die
Mauer im Norden plötzlich für die Festung Europa und die White Walker symbolisieren
den verdrängten Rassismus westlicher Gesellschaften. Game of Thrones ist
längst auch ein Spiel darum geworden, wer aus einer Folge die knalligsten Theorien
ableiten kann. Wenn jetzt schon Trumps Rede von fire and fury mit dem
Napalm-, äh, Drachenfeuereinsatz dieser Staffel gleichgesetzt wird, verändert sich allerdings auch der Anspruch an diese Serie.
Gerade in progressiven US-Medien erwartet man nicht nur eine eindeutigere politische Positionierung von GoT innerhalb ihres eigenen Plots, sondern auch Hinweise darauf, wie Fantasy sich überhaupt zu unserer als so viel gefährlicher empfundenen Realität verhalten sollte. Vielleicht rührt also die Frustration mit der neuen Staffel auch daher, dass ihren Machern David Benioff und D. B. Weiss nichts eingefallen ist außer ein, zwei langweilig liberalen Warnungen vor Fake News. Zum Beispiel bei Jon Snows strunzdummer Performance als anachronistischer Ehrenmann beim Gipfeltreffen von Daenerys und Cersei. Bleibt noch die immer wieder gern diskutierte Klimawandel-Metapher? Was hältst Du von ihr?
Witze aus den Fanforen einfach übernommen
Richter:
Der Klimawandel in Game of Thrones hat eine Metapher gar nicht nötig.
Eines der letzten (und schönsten) Bilder der aktuellen Staffel sind die ersten
Schneeflocken in King's Landing. Gegen diesen wörtlichen Klimawandel lässt sich
nicht heroisch kämpfen, er stellt Fragen an Organisation und Planung, die ich
in dieser Staffel gerne viel mehr verhandelt gesehen hätte. Stattdessen kriegen
wir White Walker, die als Bebilderung dieser Gefahr deutlich greifbarer sind.
Die Serie ist mir zu sehr zu einer Wunscherfüllungsmaschine geworden. Dass man den
Klimawandel mit unbestreitbaren Beweisen vorführt, um ihn dann mit Wunderwaffen
ein für alle Mal abzuschaffen: Diese Tendenz zieht sich durch die siebte
Staffel. Die Komplexität des world building ist den Wünschen des
Publikums geopfert worden. Ich will auch riesige, feuerspeiende Drachen sehen,
aber wenn die Autoren Witze aus den Onlinediskussionen eins zu eins ins Script
schreiben, dann ist mir das ein bisschen zu viel fan service.
Wallenhorst: Ich finde nichts Falsches daran, dass Fans wenigstens am Ende bekommen, was sie wollen – aber von welchen Fans sprechen wir eigentlich? Anstatt sich von der queeren Fan-Fortschreibung auf Tumblr inspirieren zu lassen, haben Benioff und Weiss die billigen Schenkelklopfer von der Bro-Culture auf Reddit übernommen und sie in die teils haarsträubenden Dialoge übernommen. Uff: Wir müssen natürlich auch über Daenerys und Jon Snow sprechen und die tiefe, tiefe Liebe zwischen ihnen. Sie ist sehr tief.
Richter: Diese Beziehung wirkt so forciert, weil GoT an dieser Stelle sehr deutlich ihre Verbundenheit zu Genre und Mainstream vorführt. Ausgezeichnet hatte sich die Serie ja vor allem durch ihre postheroische Realpolitik und dadurch, dass sie geliebte Charaktere unerwartet sterben ließ. Aber Prinz und Prinzessin nicht zusammenkommen zu lassen (oder auch Prophezeiungen nicht zu erfüllen), ist ihr dann doch unmöglich. Die aufgeladensten Charaktere, der auferstandene Jon und die feuergeküsste Drachenkönigin, müssen natürlich auch die gigantischste, alles transzendierende Liebe vorführen. Das ist für die grau-schattierte Welt von GoT eigentlich eine zu große Hypothek.
Kommentare
Der Grund für den rapiden Qualitätsverlust der Handlung liegt doch vor allem daran, D&D keine Vorlage von GRRM mehr hatten. Angeblich wissen sie, wie die Geschichte ausgeht, den Weg dahin kennt wohl nicht mal Martin selbst so genau.
Ich persönlich hoffe einfach nur, dass er es in diesem Jahrhundert noch schafft, die Bücherreihe zu beenden.
Die Bücher waren gut, die Serie habe ich nie gesehen...
Um das Jahr 2000 rum waren George RR Martins Bücher DER Geheimtipp! Danach fast schon Standardempfehlungen...
Nach dem ganzen Hype um die TV-Serie keine Lust mehr drauf. Vor allem, eine der wichtigsten Figuren, Tyrion Lannister, sieht ganz anders aus als im Buch beschrieben...
Kann mir mal jemand erklären, woher überhaupt die Hetze in den letzten beiden Staffeln kommt? Wieso muss man in einer derart erfolgreichen Serie die immer über 10 Folgen pro Staffel ging jetzt plötzlich die beiden letzten Staffeln mit 7 und wohl 6 Folgen im Schnelldurchgang beenden? Welche wirklich guten Gründe gibt es dafür?
Die Schauspieler wollen in andere Projekte.
>Anstatt sich von der queeren Fan-Fortschreibung auf Tumblr inspirieren zu lassen, haben Benioff und Weiss die billigen Schenkelklopfer von der Bro-Culture auf Reddit übernommen und sie in die teils haarsträubenden Dialoge übernommen.
Naja warum man Tumblr nicht nimmt ist klar, die Community ist für schamlose Mary-Sue Inszenierungen bekannt und hängt sich selbst an Identitätspolitik auf. Auf Reddit ist keine Bro-Culture unterwegs, zumindest auf den subreddits zur Serie, das ist - wie Tumblr - einfach eine Community von hauptsächlich Teenagern. Sprüche wie "Crows before hoes" sind nicht bro-culture, sie sind einfach nicht gut.
>Ich finde große Hypotheken schon okay, zum Beispiel, dass Daenarys das Matriarchat in Westeros reinbrennen will: Breaking the wheel.
Wot? Wo hat Daenerys oder ein anderer Charakter auf ein Matriarchat hingedeutet? Ganz im Gegenteil, in S07E06 unterhalten sich Dany und Tyrion über das Konzept des broken wheel, und dort werden die Night's Watch und die Iron Islands als positives Beispiel für den Wheelersatz erwähnt. Dort herrscht Demokratie.
Erlauben Sie mir auch mal den persönlichen Einwand, seit Staffel 5 wird bei der ZON-Besprechung der Folgen bei jeder Folge (meist sogar im Titel) auf irgendwelche Geschlechterkriege Bezug genommen. Das ist mir ehrlich gesagt nicht verständlich, und hindert wie man hier sieht auch an der korrekten Einsicht ins Medium.
Sie nehmen mir die Worte aus dem Mund. Ich wollte mehr oder weniger das gleiche schreiben. Mir ist unverständlich wie solche objektiv falschen Beurteilungen in solchen Artikeln unterkommen können.
Zusätzlich seien noch folgende Zitate erwähnt. "Die großartige Sansa" und "Die großartige Cersei". Warum diese Charaktere großartig sein sollen erschließt sich mir nicht im Geringsten. Na gut, Massenmörder hatten schon immer Fans. Das wars dann aber auch schon.
Die siebte Staffel war ein visuelles Meisterwerk. Die Autoren sollten aber dringendst ausgewechselt werden. Game of Thrones hieß es auch immer es ist nicht Hollywood. Charaktere sterben, wenn sie dumme Entscheidungen treffen. Verletzungen beeinträchtigen Charaktere, es gibt keine "Plot Armor". Diese Staffel und vor allem die vorletzte Folge war einfach voll von Handlungen , die nur erklärbar waren, weil es auf dem Bildschirm gut aussieht.
Wenn beliebte Charaktere aufeinander treffen werden ein paar Witze gerissen, Anspielungen gemacht, Reddit zitiert usw. Einzelne wenige Dialoge (z.b. Tyrion-Cersei in der letzten) sind noch wirklich gut, ansonsten wirklich einfallslos. Schade, da es ansonsten fantastisch ist, aber für die gute Geschichte wird man wohl noch warten müssen.
"Die siebte Staffel war ein visuelles Meisterwerk.
Ich finde die Auftritte der Drachen jedes mal wieder großartig. Die Szene, in der Daenarys zum großen Treffen in der Arena einschwebt und dann absteigt ist einfach großartig programmiert. Oder sagt man heute noch annimiert? Jedenfalls super gemacht. Wer hätte gedacht, dass Deutsche Schmieden sowas können...