Am
31. Oktober ist Schluss. Wenn an jenem Herbsttag an der Verladestation des
Bahnhofs Hamburg-Altona bei pünktlicher Ankunft ab 8.37 Uhr zum letzten Mal
Autos von den doppelstöckigen Transportwaggons abgeladen werden, ist der
Autoreisezug der Deutschen Bahn (DB) endgültig Geschichte. "Die letzte
Fahrt Richtung Hamburg startet am Abend des 30. Oktober um 21.15 Uhr in Lörrach
an der Schweizer Grenze", sagt eine Sprecherin der Deutschen Bahn in Berlin.
Neben dieser Strecke betreibt die Bahn in der Saison 2016 ohnehin nur noch eine weitere Nord-Süd-Verbindung, zwischen Hamburg-Altona und München-Ost. Alle internationalen Ziele – ob Narbonne oder Avignon in Frankreich, Alessandria, Verona oder Bozen in Italien, Siófok in Ungarn oder gar Thessaloniki in Griechenland – sind längst gestrichen. Seit 2014 überquert kein DB-Autozug, so die 1998 eingeführte verkürzte Bezeichnung, mehr die Grenze. Es war schlicht nicht rentabel.
Defizitär war das Geschäft mit den Autoreisezügen eigentlich eh und je. Dabei war es nie billig, mit dem eigenen Auto auf der Schiene unterwegs zu sein. Eine vierköpfige Familie mit zwei Kindern zahlte in den achtziger Jahren – der Blütezeit der Autoreisezüge – während der Hauptsaison locker über 1.000 D-Mark für eine Tour von Neu-Isenburg nach Avignon. Doch der Betrieb lief nur selten kostendeckend. Selbst dann noch, als 1973 im Jahr der ersten Ölkrise mit 185.500 transportierten Fahrzeugen ein Rekord erzielt wurde und 1987 sogar rund 397.000 Reisende das Angebot von insgesamt 95 Verbindungen (32 innerdeutsch, 63 international) nutzten.
Da mögen Ältere noch so verklärt an die guten alten Zeiten zurückdenken, an das erwachende Reisefieber in den Wirtschaftswunderjahren und die Bahnfahrt mit dem Huckepack genommenen Pkw, die für viele Urlauber als das Nonplusultra des Reisens galt. Unbestreitbare Vorzüge hatte der Autoreisezug allerdings. Der Pkw (oder auch das Motorrad) wurde am Abend noch eigenhändig und ganz vorsichtig auf dem Ober- oder Unterdeck des Transportwaggons verladen, dann wartete im Liege- oder Schlafwagen schon der Zugbegleiter, bereitete auf Wunsch die Betten vor und notierte die Vorlieben für das Frühstück am nächsten Morgen.
Die Sparte siechte dahin
Nach einem mehr oder wenigen üppigen Abendessen im Speisewagen oder der billigeren Variante mit den von zu Hause mitgebrachten Stullen und nach den ersten wohligen Seufzern "Endlich Urlaub" schlummerten zum monotonen Ratatamm, Ratatamm der Räder nicht nur die Kinder schnell und selig ein. Die Reisenden bekamen selten etwas von den oftmaligen langen Stopps mit, zu denen der Autozug nachts gezwungen war. Denn in der Zughierarchie war er so weit unten angesiedelt, dass er selbst ellenlange Güterzüge passieren lassen musste.
Dafür setzten die Urlauber sich am nächsten Morgen ausgeschlafen hinters Lenkrad zur kurzen Schlussetappe in Frankreich, Italien oder sonst wo – und gewannen auf diese Weise bei Hin- und Rückfahrt quasi zwei Urlaubstage hinzu. Finanziell wog der Fahrpreis die gesparten Übernachtungen zwar beileibe nicht auf. Die Zeitersparnis und die stressfreie Anreise ohne Staus und quengelnde Kinder auf den Rücksitzen beruhigten aber das Gewissen ob des teuren Bahntarifs.
Für die Bahn blieb der Autoreisezug aber immer ein Nischenangebot und ein saisonales Geschäft. Die Sparte siechte dahin, für eine dringend erforderliche Modernisierung der Waggons war kein Geld da. Eine Sanierung hätte viele Millionen Euro verschlungen. "Dieses Geld können wir nicht dauerhaft in ein defizitäres Nischengeschäft stecken", sagte Bahnchef Rüdiger Grube im vergangenen Jahr in einem Interview, als der Abschied vom Autoreisezug schon längst besiegelt war. Es war ein finaler Schlussstrich, wie ihn umliegende Nachbarländer schon vier, fünf Jahre früher vollzogen hatten. Denn die Billigflieger hatten die prekäre Lage in rasantem Tempo drastisch verschärft.
So gibt es zwar in der Saison 2016 noch einen privaten Anbieter aus den Niederlanden, der von Düsseldorf nach Wien und Verona zwei internationale Autozugverbindungen im Programm hat. Für die Deutsche Bahn ist das Thema am 31. Oktober aber ein für allemal erledigt.
Kommentare
Kurios: Ein Großteil unserer wirtschaftlichen Prosperität besteht darin, Kunden sinnfreie Produkte anzuschönen, die niemand braucht, dann aber jeder unbedingt haben will. Hier ist nun endlich mal eine sinnville Dienstleistung - und die Berufspromoter zucken bloß mit den Schultern: "Kein Bedarf." Dabei ist doch Bedarfsweckung eine ökonomische Kardinalstugend ... schade!
Was soll das heißen "Berufspromoter"? Wie viele Leute nutzen den Zug denn wirklich?
Letztlich ist das auf dem Papier eine gute Idee, aber im ernst: Heutzutage nutzen die meisten Leute doch das Flugzeug und mieten sich bei Bedarf vor Ort einen Wagen. Das ist in den meisten Fällen duetlich billiger und zeitsparender. Das kann man doof finden, ändert aber nichts daran, dass es sich schlicht nicht lohnt den Zug zu nutzen.
Und wenn der trotz des hohen Preises defizitär gearbeitet hat, kann man den auch nicht attraktiver machen, denn "attraktiver" heißt in der Praxis für viele nun einmal "billiger".
Nicht zu vergessen, die Verbindung Hamburg-Wien durch die ÖBB. Die Fahrt mit dem Nachtzug ist meines Wissens deutlich günstiger als die der DB und auch jetzt im April/Mai sehr gut genutzt.
Wenn man den Gesamt-Schadstoffausstoß verringern will, muß man sich m.E. etwas einfallen lassen. Die Streichung solch einer Alternative, aus Kostengründen, gehört wohl jedenfalls nicht dazu.
Mit freundlichen Grüßen
A.Jäger
"Defizitär waren sie immer".
Gibt es für diese Behauptung der Bahn überhaupt valide Fakten?! Oder glaubt man da kurzerhand, was die so den ganzen Tag erzählen?
Weshalb sollte die Bahn einen profitablen Geschäftsbereich aufgeben?
Ich habe mehrfach erlebt, daß die Autoreisezüge halb leer gefahren sind. Wegen mangelnder Nachfrage? Oder vielmehr wegen mangelnder Nachfrage zu DEM Preis?
Daß die Bahn die Autoreisezüge, so marode sie zum Schluß waren, einstellt, ist ein echter Verlust insb. für Motorradreisende. Ich hatte mir im Gegenteil gewünscht, daß die Strecken verlängert werden: Nicht nur nach Südfrankreich und Österreich, sondern gleich bis nach Andalusien und Griechenland.
Ob die Zugauslastung selbst wirklich der Grund war für die Einstellung? Ich wage es zu bezweifeln. Ist es nicht eher die aufwändige Handhabung aufgrund der niedrigen Priorisierung? Die ICs und ICEs sind nicht zuletzt deswegen profitabel, weil sie hochpriorisiert, weitgehend automatisiert und zuverlässig verkehren.
Wir sind jeden Sommer mit viel Gepäck und drei Kindern nach Nantes gefahren, von dort aus eine knappe Stunde bis ans Meer. Hätten wir mit dem Flugzeug, eben wegen des Gepäcks (Bettwäsche für gemietetes Haus, Kleidung für warm und kalt, usw.) gar nicht machen können. War immer toll! Um 19:00h einsteigen und um 8:00h ankommen. Nachdem die Verbindung gestrichen worden war, sind wir mit dem Auto in zwei Etappen gefahren. Hat uns Übernachtung plus 4 Tage gekostet. Wir haben den ARZ echt vermisst.