Der Euro ist soeben zehn Jahre alt geworden, Glückwunsch. Doch was hat das mit dem Gasstreit zwischen Russland, der Ukraine und der Europäischen Union zu tun? Eine ganze Menge. Denn die gemeinsame Währung ist der beste Beweis dafür, was Solidarität unter Mitgliedsstaaten bewirken kann (selbst wenn die Briten, Schweden, Dänen da noch zögerlich abseitsstehen).
Ganz anders bei der Energiepolitik: Was hilft auf dem Papier jede Vereinbarung zwischen EU, Ukraine und Russland über Beobachtung und Bedingungen des Gasflusses durch die Ukraine, wenn auf europäischer Seite Bulgaren und die Slowaken in frostigen Zimmern hocken, Griechen, Österreicher oder Polen sich über die Raumtemperatur morgen früh den Kopf zerbrechen müssen – und andere das alles ohne klamme Finger in der Zeitung nachlesen können?
Die EU ist wider besseres Wissen bei der Energiesicherheit noch meilenweit von jener Reife entfernt, die sie zum Beispiel in der Währungspolitik, ja selbst bei den nationalen Konjunkturprogrammen in der Weltwirtschaftskrise derzeit an den Tag legt.
Grundsätzlich betrachtet und gesprochen: Die Europäer haben noch immer nicht verstanden, dass Vernunft und Weltläufe sie zur Solidarität zwingen, wenn ihrer Gemeinschaft die Selbstbehauptung in dieser globalen Welt gelingen soll.
Oder freundlicher formuliert: Sie tun sich schwer damit, ihre eigenen Erfolgsrezepte auf alle Felder anzuwenden und auf Einsicht in Notwendigkeiten die richtige Politik folgen zu lassen.
Ohne Solidarität keine Solidität. Bleiben wir beim Gasstreit: Die Erkenntnis ist längst da, dass Europa seine Energiequellen breiter streuen muss. Die Einsicht ist auch nicht neu, dass es zwischen den Mitgliedsstaaten von der Infrastruktur her keinen Notfallplan gibt, mit dem die Europäer im warmen Wohnzimmer über Nacht den armen Mitbürgern in der Kältekammer helfen könnten.
Das hat zunächst mit russischem Kalkül oder ukrainischen Zwangslagen wenig zu tun. Hier muss sich die Gemeinschaft der 27 Mitglieder erst einmal in den eigenen Grenzen (und in der eigenen Begrenztheit ihrer Energiezufuhr aus eigenen Quellen) besser organisieren. Spanien etwa verfügt an seiner Küste zwar über Flüssiggasterminals – aber nicht über jene Pipeline, die den östlichen Partnern das Leben in diesem Winter erleichtern könnte.
Das bedeutet Milliarden an Investitionen, klagen die Energiekonzerne, und die müssen sich erst einmal rechnen. Stimmt: Aber werden derzeit nicht Milliardeninvestitionen für neue Konjunkturprogramme geplant?
Es gibt heute in der Europäischen Union tatsächlich allenthalben jede Menge "Technischer Einschränkungen der EU-Solidarität", wie die Frankfurter Allgemeine jetzt in der Gaskrise lakonisch titelte:
Kommentare
Man muss sich an den Realitäten orientieren
Bevor mit allgemein gehaltenen Vorschlägen zur bisher nicht ausreichenden Energiepolitik der EU die Öffentlichkeit und mit ihnen die Politiker wachgerüttelt werden soll, ist eine Überprüfung dessen notwendig, was die europäische Klimapolitik zum Beispiel derzeit für Konsequenzen im Hinblick auf die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen haben wird.
Allein in Deutschland werden für die kommenden 10 Jahre ca. 5000 neue Windkraftanlagen meist offshore geplant und gebaut. Dies als Konsequenz des 20 % Reduktionsziel der EU.
Die DENA gibt an, dass sich bis 2015 der Bedarf an Regelgaskraftwerken, Kraftwerke, die bereitstehen müssen, wenn wie bei der jetzigen großen Kälte kein Strom von Windrädern oder Voltaik-Anlagen geliefert wird, die Versorgung übernehmen , sich auf 3000 Megawatt beläuft. Dies entspricht der Kapazität von 10 Atomkraftwerken.
Woher soll das Gas kommen, wenn nicht überwiegend aus Russland ?
Offenbar scheinen die EU-Politiker, wie so mancher Journalist auch, den Überblick verloren zu haben über das, was die EU-Klimapolitik für Konsequenzen haben wird. Insbesondere auch dafür, was die Quasi-Ächtung der Kohle als Energieträger bedeutet..
Dem Autor sei der Rat mitgegeben, dass er sich etwas mehr über die Grundlagen der Klimaprobleme kümmert und nicht davon ausgeht, dass die Klimarechenmodelle, die zum Beispiel in ihren Berechnungen keinen Einfluss der Sonne kennen und deswegen auch nicht berücksichtigen, der Weisheit letzter Schluss darstellt.
Ganz im Gegenteil
Russisches Kalkül versus ukrainische Zwangslagen? oder vieleicht doch besser "Ukrainisches Kalkül versus russische Zwangslagen"?
Nur weil die Ukraine ihr Staatliches Gebilde nicht im Griff hat muss gleich die ganze EU ihr Wärme bzw. Energiekonzept komplett neu überdenken? Seltsam das nach so viele gemischel in der Ukrainischen Politik niemand in der Lage ist diesen Kindergarten zur Räson zu bringen. Immerhin war es ja ein leichtes massenhaft Zelte und Orangefarbige Symbole für die Antirussischen Opposition in das Land zubringen... alles so schön unter dem "freiheitlich demokratischen Mäntelchen".
Warum also nicht auch die Ukraniskys dazu bringen das Transitgas einfach durch die Leitungen zu lassen? Warum die Ukrainskys nicht auch davon zu Ueberzeugen das unter Marktwirtschaftlicehn Aspekten gewisse Usanzen bestehen welche u.a vorsehen das irgendwann für gelieferte Waren der vereinbarte Preis zu bezahlen ist.
...oder kannes eventuell doch so sein das eben gerade die die in der Ukraine auch noch mitspielen ihre strategisch angehauchten Spiele nicht zu Ende gedacht haben...?
Für mich ist die Ukraine in einen ehemals strategischen aber aktuell bereits operativen Proxykrieg verwickelt... schade um die Menschen die dort wohnen und zwischen den ausländsischen und auch den inländsichen Möchten zerrieben werden.
;-)
“When I give food to the poor, they call me a saint. When I ask why the poor have no food, they call me a communist." — Dom Hélder Câmara
Die Macht der Pipeline
Was im vordergründigen Streit zwischen der Ukraine und Russland am Horizont aufzieht, lässt mich mehr als nachdenklich werden. Europa hat es mit einem machtpolitisch handfesten Würgegriff im schwelenden Konflikt um Einflusssphären zwischen Russland und seinen unmittelbaren Nachbarn zu tun. Russland ist mit der orangenen Revolution in der Ukraine ein strategisches Vorderland abhanden gekommen.
Eine einfache Frage:
Warum eigentlich verkauft die EU der Ukraine kein Gas aus Russland? Die Menge bliebe für die EU UND die Ukraine rechnerisch dieselbe.
Ich wage nicht zu unterstellen, dass Russland versucht den Streit zu geschickt zu eskalieren. Was wäre das Ziel eines solchen Kalküls? Die südöstlichen Mitgliedsstaaten der EU sind stärker von russischen Gaslieferungen abhängig, als die Kernländer der Gemeinschaft. Die EU könnte in einen inneren energiepolitischen Dissens geraten, der Folgen für die Stabilität der Gemeinschaft hätte, falls Länder wie Bulgarien, Rumänien, die Slowakai und Polen ihre vormals stillgelegten Atommeiler wieder anzuwerfen geneigt sind.
Andererseits wäre zu fragen, ob nicht ebenso die Ukraine geneigt ist, den Druck im Kessel zu erhöhen, falls ihr die Beitrittsaussichten zur EU bisher zu vage sind.
Gerhard Wvwontra
Potsdam
Würgegriffe u.Co.
"Russland ist mit der orangenen Revolution in der Ukraine ein strategisches Vorderland abhanden gekommen."
Wenn ich mich nicht täusche, so haben die Hauptprotagonisten dieser "Revolution" ihr Land in endlosem Machtkampf untereinander in eine äußerst schwierige Lage gebracht, ganz ohne die bösen Russen. Ukraine ist trotz aller finanziellen Hilfe längst bankrott und konnte das Gas nicht einmal bei bisherigen Vorzugspreisen bezahlen.
"Eine einfache Frage:
Warum eigentlich verkauft die EU der Ukraine kein Gas aus Russland? Die Menge bliebe für die EU UND die Ukraine rechnerisch dieselbe."
Das war in der Tat eine sehr einfache Frage. Die Antwort ist simpel:
Weil EU dann das Gas zum. zum Selbstkostenpreis an Ukraine weiterleiten
und -verkaufen müsste. Und DER liegt weit oberhalb von dem, den Ukraine bisher bezahlen musste...
Es bleibt festzustellen: Russland hätte Ihren Vermutungen nach den Druck z.Bsp. auf Bulgarien u. Co. m.E. schon längst viel effektiver ausüben können, hätte es dies tun wollen, lange bevor die erw. Staaten in der EU gelandet sind. Sicher hat Gazprom wie jedes Großunternehmen sein eigenes Interesse an einem möglichst großen Marktanteil (Beispiele gibt es viele: Dt.Telekom, Microsoft, dt. Stromkartell,...) Aber DAS jetzt kann weder
im Interesse des Unternehmens, noch im Interesse Russlands sein.
Denn: warum sonst würde Gazprom in die Pipeline durch Ostsee Milliarden investieren (direkte Lieferung nach BRD/EU) und sogar z.Zt. zus. Gas in Turkmenistan ankaufen (zu Weltpreisen, daran verdienen sie nicht einen Cent), um die Haupt-Abnehmer in der EU so wie in den vergangenen 40 Jahren vertragsgemäß zu versorgen ?
MfG
Zack34
Kommentar 1 - 3000 MW
sich auf 3000 Megawatt beläuft. Dies entspricht der Kapazität von 10 Atomkraftwerken.
Das entspriche wohl eher der Kapazität von 1 bis 2 Kernkraftwerken (z.B. Neckarwestheim hat eine Nettoleistung von 2000 MW).