Alexander Lehmann hat mal wieder Post von einem Anwalt bekommen. Das klingt erst einmal langweilig, hinter dem Satz aber verbirgt sich eine Geschichte, die viel darüber erzählt, was die ständigen Terrorwarnungen, Terrordrohungen und Terrorjagdberichte so mit Menschen machen.
Alexander Lehmann hat unter dem Titel "Du bist Terrorist" die einstige Werbekampagne "Du bist Deutschland" parodiert und als satirisches Video ins Netz gestellt. In einer Minute und 59 Sekunden beschreibt es polemisch und pointiert die Neuerungen der Inneren Sicherheit in den vergangenen Jahren in Deutschland und zeichnet das Bild eines Staates, in dem jeder überwacht wird. Das allein war kein Problem. Die enorme Aufmerksamkeit, die Lehmanns Video zuteil wurde, allerdings schon.
Wenige Tage nach der Veröffentlichung meldete sich bei dem Studenten aus Hamm die erste Anwaltskanzlei und forderte, den Film aus dem Netz zu nehmen. Der Vorwurf der Werbeagentur, die die Kanzlei vertrat: Er verletzte Markenrechte. Nachdem diese Klagedrohung im Internet noch viel mehr Aufmerksamkeit erregte und zu diversen Medienberichten unter anderem hier bei ZEIT ONLINE geführt hatte, rückte die Agentur von ihrer Drohung ab. Man einigte sich – plötzlich waren Anwälte dabei nicht mehr nötig – in einem Telefonat.
Nun hat Lehmann wieder ein Einschreiben bekommen. Zitat: Das Video stelle einen Zusammenhang her "zwischen dem Namen unseres Mandaten und dem Terrorismus". Es werde der Eindruck erweckt, der Mandant sei Terrorist, "könne aber zumindest mit Terrorismus oder terroristischen Aktivitäten in Verbindung stehen". Da der Mandant vorhabe, in die USA zu ziehen, fürchte er deswegen Nachteile. Lehmann solle das Video aus YouTube entfernen, zumindest aber den Namen ändern.
Eine interessante Befürchtung. Wer sich den Film anschaut, wird Mühe haben, darin Namen zu entdecken, abgesehen von Typbezeichnungen wie "Tante Elfriede", "Max Mustermann" oder "Maus83". Alle Menschen und Zusammenhänge sind symbolhaft verfremdet, um so allgemeingültig wie möglich zu sein. Offensichtlich aber nicht allgemeingültig genug.
Mindestens einen der im Video gezeigten Namen gibt es tatsächlich, kein Wunder allerdings. Google findet 16.900 Seiten aus Deutschland mit ihm darin, das Telefonbuch kennt ihn 233 Mal – eine ganze Menge also. Trotzdem fühlte sich ein ganz bestimmter Mensch angesprochen. Er soll hier nicht explizit genannt werden, um nicht noch einen Zusammenhang zwischen ihm, dem Video und dem Terrorismus herzustellen. Er ist offenbar schon besorgt genug.
Sein Anwalt, Michael Potthast, sagt: "Mein Mandant ist viel in den USA und er sagt, sie seien dort nahezu hysterisch, wenn es um Terrorismus geht. Er hat Angst, dass er Nachteile erfährt." Man habe daher um Änderung gebeten. Potthast sagt, es sei bewusst keine "strafbewehrte Unterlassung", und es würden auch keine Anwaltskosten in Rechnung gestellt. Man wolle nur, dass der Name geändert werde oder der Film verschwinde. Doch wie stark muss Tante Elfriede von der Terrorhysterie angesteckt sein, um so etwas zu befürchten?
Kommentare
sehr gut
muss ja mal wirklich applaudieren....das verlinkte video fängt den zeitgeist sehr gut ein...in zeiten wo jeder deutsche ein potentieller raubmordkopierkinderschänderterrorist sein kann und somit schäubles paranoia und v.d.L`s agressive "kinderschutzstrategie" (aka zensur) mit jeder Meinungsäusserung Munition liefern kann ;-) wundert es mich ja schon dass keine staatliche institution beschwerde gegen dieses video geäussert hat (wie bei der sache mit der satirischen internetsperrseite).....
stattdessen kommt diesmal ne privatperson und befürchtet aufgrund zufälliger namensübereinstimmungen repressalien bei einreisen in nicht-freiheitlich-demokratische länder ( usa o.ä. )....*ironie*
ist es nicht schön in einer gesellschaft zu leben die sich mehr und mehr ihrer grundrechte berauben lässt durch paranoia seitens des staates und dies auch noch glücklich akzeptiert für ein kleines bisschen mehr an gefühlter sicherheit
p.s.: wer in die usa einreisen/umziehen will der muss halt auch mit derartigen möglichen unannehmlichkeiten leben...(sieht man mal davon ab dass die usa so oder so noch WESENTLICH persönlichere daten über den einreise-/umzugswilligen erheben (teils auch mit dessen wissen)...dafür gibts da dann die gefühlten 100% sicherheit *ironie off*
Brazil - Terry Gilliam
Terry Gilliam hat schon 1985 gezeigt, was bald bizarre Realität ist.
Damals ein faszinierender Science-Fiction-Film, von dem niemand annahm, das so etwas je geschehen könnte.
Heute schon fast Alltag.
Wer hätte 1999 prophezeit, dass der Aufenthaltsort aller Handybenutzer permanent ermittelt wird - und dass diese Daten auf Verdacht mal eben 6 Monate gespeichert bleiben ?
1999 wären wir ausgelacht worden dafür - heute, 10 Jahre später ist es Realität.
Wozu
braucht man denn unbedingt ein (privates) Handy? Schmeiss es weg!
Nun, von all der problematik abgesehen:
hervorragendes Filmchen - sehr gut gemacht und sehr gut die problematik von Kontrollkanatikern an der Macht wie schäuble und von der Leyen und Konsorten auf den Punkt gebracht.
Die Unschuldsvermutung gilt nicht mehr, weil es wahlkampf ist und man darum am besten alle irgendwie mit absolut sicheren speichermöglichkeitren rund um die uhr überwachen möchte - ist doch nur fürs gute dieser erde.
Dumm
Jetzt wo seine klage in allem Medien breitgetreten wird, ist der lieber Herr Doktor sicher in der Liste - besonders weil er will das sein Name nicht auftaucht. Wir kennen ja das Motto: Wer nichts zu verbergen hat...