Ohne Aussagekraft für den 27. September sei, was am Sonntag in Thüringen, in Sachsen, im Saarland und in Nordrhein-Westfalen geschah? Das ist nun wirklich der berühmte Treppenwitz und war vor der Wahl nichts als Zweckpropaganda derer, denen das Wahlergebnis nicht passen würde. Wenn 20,6 Millionen Bundesbürger aufgerufen sind, ihre politischen Präferenzen zu offenbaren, dann sind alle Wahlen vier Wochen vor dem nationalen Urnengang sehr wohl relevant, und so reden jetzt auch alle.
Tatsächlich hat dieser große Wahlkampf nun sein Thema. Es lautet: Ist eine rot-rot-grüne Regierungsbildung in Thüringen und an der Saar, also auch das absehbare Aushebeln christdemokratischer Macht im Bundesrat, ein Signal, das die sozialdemokratischen Wahlkämpfer aus dem Schlaf reißt? Oder rüttelt Angela Merkel nun ihre Anhänger durch und ruft: Kämpft, wenn ihr im Bund Rot-Rot, mit oder ohne Anhängsel, vermeiden wollt?
Beides ist möglich. Dass die Sozialdemokraten mit dem Schlachtruf "Jetzt geht’s los" zur Aufholjagd starten genauso wie eine die Leidenschaften entfesselnde neue Rote-Socken-Kampagne. Sicher ist: Die Bürger haben verstanden, dass es um viel geht. Die negative Tendenz bei der Wahlbeteiligung ist gebrochen.
In Sachsen triumphierte einer, der sich nie in den Vordergrund spielte. Im Saarland und in Thüringen brachen zwei Ministerpräsidenten ein, die in der Eigenwerbung ziemlich stark aufgetragen hatten. An der Saar scheint auch eine schwarz- gelb-grüne Koalitionen rechnerisch möglich.
In Thüringen geht es für die SPD darum, ob sie einen linken Regierungschef trägt oder mit dem Verlierer Althaus zusammen geht. Klappt im Saarland Rot- Rot-Grün, wird die Linke erstmals im Westen mitregieren. Ihr Frontmann im Wahlkampf, Oskar Lafontaine, war Ministerpräsident, Bundesfinanzminister, SPD-Vorsitzender und Kritiker der Einheit. Den macht keine Unionspropaganda zum zur Tarnung anders angestrichenen Edelkommunisten. Lafontaine und Gysi taugen nicht als Bürgerschreck.
Während die Linke seit 2004 also einen großen Sprung nach vorne machte, profitiert die SPD von der Schwäche der Union kaum. Ein Triumph sieht anders aus. Die Sinnfrage stellt sich für die Sozialdemokraten nach dieser Wahl genauso scharf wie vorher.
So wie der Sturm des Zorns 2004 der SPD ins Gesicht blies, leidet die Union jetzt, wenn ihr Landespersonal schwächelt. Darüber käme sie hinweg, wenn die Verbreiterung der rot-roten Regierungsmacht über das Stadtparlament von Berlin hinaus nicht eine fatale Langzeitwirkung hätte. Ist Rot-Rot enttabuisiert, verliert die CDU bald auch die Scharnierfunktion bei der nationalen Regierungsbildung.
Kommentare
Authenzität und Emotionen verloren gegangen
Den beiden großen Volksparteien CDU und SPD ist in den letzten Jahren die Authenzität verloren gegangen. Die SPD wird von einem Duo aus "altem Parteisoldaten" und "schüchternem Karrierebeamten" geführt. Die CDU hingegen von einer Parteivorsitzenden, die vor allem durch Emotions- und Richtungslosigkeit auffällt. Die Kanzlerin erscheint aufgrund Ihrer fehlenden Ecken und Kanten als sehr blass und leblos. Ihre kühle, selbstbeherrschte Art und Weise weist auf einen Vernunftmenschen - Aber mit Vernunft allein läßt sich leider nicht regieren, weil wir alle keine Roboter sind. Es fehlt einfach an Emotionen in diesem Wahlkampf - Und die Einzigen, die im Moment in der Lage sind, Emotionen zu wecken, sind die kleinen Parteien.
Irgendwie fehlt allen wichtigen Persönlichkeiten in der aktuellen Parteienlandschaft Charisma und Authenzität. Authenzität, die Partei zu vertreten, der Sie angehören. Botschaften der Partei glaubwürdig an die Menschen in diesem Lande zu übermitteln. Irgendwie agieren die meisten Wahlkämpfer in einer medialen Blase, aus der Sie heraus keinen wirklichen Bezug zur Bevölkerung herstellen können...
Irgendwie skuril, die aktuelle Situation in diesem Lande...
Schmidt/Merkel
Helmut Schmidt war auch kein besonders emotionaler Mensch und dennoch um Länger sympathischer als Merkel. Lag vielleicht an seiner Intelligenz.
Es ist doch so,...
...daß eine "bürgerliche Mitte" die fast alle Parteien versuchen herbeizureden gar nicht als Mehrheit der Bevölkerung existiert.
Parteien, die Abermilliarden verschleudern um betrügerische Machenschaften von Banken zu decken,
Parteien die weitere Abermilliarden verschwenden um Kriege zu unterstützen, die weder zu gewinnen sind, noch auch die geringste Legitimation aufweisen,
Parteien die nicht in der Lage sind, mehr als 60 Jahre nach Kriegsende den Besatzungsstatus abzuschütteln, und
Parteien die, last but not least, weite Teile der eigenen Bevölkerung der Ausbeutung und der Langzeitarmut anheimfallen lassen,
die merken jetzt, daß die Mehrheit der Bevölkerung langsam aus den Konsumträumen erwacht.
Vielleicht wird es ja doch noch was mit der Demokratie in Deutschland.
Gut gebrüllt Löwe ...
... aber > Vielleicht wird es ja doch noch was mit der Demokratie in Deutschland. <
Wer bitte soll dafür sorgen? Die "alten" Parteien doch wohl sicher nicht und neue Parteien sind offensichtlich nicht gewollt. Die Linke wie man sieht ist
wohl eher die "neue" SPD (siehe %-Punkte Saarland, Sachsen und Thüringen), aber richtig "neu" geht es nicht zu.
Aber man soll die Hoffnung nicht aufgeben.
Gruß, Bernd
*** Money helps the body to survive, but friends are needed to make the soul survive ***
Nach der Wahl ist vor der Wahl
Kaum ist die eine Wahl vorbei reden sämtliche Parteien die Resultate schön oder schlecht, je nach dem wie es taktisch gut erscheint. Ernst nehmen sollte man es nicht. Es bleibt das Resultat als das was es ist, ein nüchternes Resultat.
Die Linken haben dazu gewonnen und werden es weiterhin tun, wenn die Schere zwischen Arm und Reich weiterhin auseinander driftet, die Arbeitslosenzahlen steigen und die Löhne sinken.
Die FDP hat gewonnen, nicht durch Inhalte, sondern durch Proteststimmen der eigentlichen Wähler der beiden "großen" Parteien.
Die SPD hat ihren Tiefpunkt wohl anscheinend überstanden, wird jedoch dank der Präsenz der Linken und der Grünen, niemals mehr Werte weit über 30-35 % erreichen. Hier hat man in den vergangenen ca. 25 Jahren zu viele ehemalige Wähler abgeben müssen. Wird sie nicht mehr die Partei der Arbeiter und der Anwalt der Armen, bzw. sozial Benachteiligten, wird sie aller höchstens bei ihrem Stammwählerpotential bleiben und das werden maximal um die 25 % sein.
Die CDU kann sich wahrlich nicht freuen. Es fehlt an klarem Profil und deutlichen Positionen. Das Resultat sind Stammwähler die nicht zur Wahl gehen oder Abwanderer zur FDP. Hätte auch sie ähnliche Konkurrenz wie die SPD an Grünen und Linken, wäre auch sie keine "Volkspartei" mehr. Die Gefahr liegt für sie in der Zukunft. Sie wird vielleicht noch das erleben, was die SPD zur Zeit durchmacht.
Die Grünen treten auch ein bißchen auf der Stelle, obwohl gerade sie im Zeichen der Klimakrise und den dringenden Anforderungen an umweltfreundlichen und energiesparenden Techniken und Energien, an Stärke gewinnen müßten. Hier fehlt es eindeutig noch an dem Bewußtsein dafür in der Bevölkerung und u.a. auch daran, dass mittlerweile auch andere Parteien so manche der "grünen" Themen aufgenommen haben.
Was können wir bis zur Bundestagswahl erwarten ?
Es wird wohl mehr zum Lagerwahlkampf kommen, was nicht das Schlechteste ist, sowohl für die Einen als auch für die Anderen. Hier hat dann auch eine Partei wie die SPD wieder die Chance sich eindeutiger zu positionieren und ehemalige Wähler zurückzugewinnen.
Die Rote-Socken-Kampagne zieht aber nicht mehr. Wer wie ein Herr Niebel z.B. die Linke verteufeln will, der hat wenig Respekt vor dem Wähler. Es sind einfach zu viele Menschen, die sich heutzutage aus gutem Grund für die Linke entscheiden. Von einer bürgerlichen Partei oder sich selber Anwalt der bürgerlichen Mitte zu sprechen ist in gewisser Weise auch arrogant. Wer ist denn kein Bürger ? Wer wird hier ausgegrenzt ?
Im Zeichen eines Lagerwahlkampfs sind solche Aussagen dennoch gut. Sie schaffen klare Sicht für die Ausrichtung einer Partei und der beabsichtigten Politik. Hier kann der Wähler endlich klar erkennen wer für was und wen besonders eintreten wird.
Und noch eines sollte deutlich sein. Alles was Parteien jetzt "versprechen". Im Zuge von Koalitätsverhandlungen bleibt das ein oder andere Ziel einer Partei mit größter Sicherheit in der Schublade oder "auf der Strecke". Wichtig für den Wähler ist jetzt zu erkennen wer für wen der beste Anwalt sein könnte. Lagerwahlkämpfe können auch etwas Gutes sein. Für uns als Wähler mit Sicherheit.
Proletariat/Bourgeoisie
Letztens in einer Talkshow sagte Rüttgers auf die Nachfrage hin, ob denn die anderen Parteien (Grüne, Linke, SPD) keine "bürgerlichen Parteien" wären, nein, denn sie kämen eher aus diesem "klassenkämpferischen Ansatz". Wie kann man solch einen Schwachsinn von sich geben? Na dann habe wir zumindest im Saarland eine proletarische Merheit und eine bourgeoise Minderheit!
Ampel-Zeit, Schwampel-Zeit, Rot-Rot-Grün-Zeit?
Eins wird ja deutlich, wir rücken von den Volksparteien zunehmend ab, was unsere Regierungen bunter machen wird. Und das ist gut so.
Schwarz-Gelb kann man ja jetzt ja wohl abhaken.
Hoffentlich kommt in Berlin keine erneute große Koalition zu Stande.
Etwas Buntes würde mich doch auch sehr freuen.
Vorfreude...
... auf die parlamentarischen Zustände wie in der Weimarer Zeit :-)
Zersplitterung der parlementarischen Kräfte in viele kleine Gruppierungen...
Ob das wirklich so gut ist ?