Sie kommen immer noch, die Flüchtlinge. Am heutigen Donnerstag verhandeln die Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel zur Flüchtlingskrise. Auch in arabischen Medien ist das ein Thema. Liest man in diesen Tagen Zeitungen aus Ägypten, Libanon oder Jordanien, wird klar: So schnell wird der Flüchtlingsandrang nicht nachlassen.
Auf dem EU-Gipfel werden die unterschiedlichen politischen Ansätze der europäischen Mitgliedsstaaten im Umgang mit der Flüchtlingskrise aufeinanderprallen. Arabische Medien analysieren bereits vorab sehr genau Stimmungen und Forderungen. Al-Masyroun (Ägypten) schreibt dazu: "Deutschland warnt vor einer Schließung der Grenzen für Flüchtlinge." Die Zeitung führt aus: "Angela Merkel strebt eine Immigrationseinigung mit der Türkei an und ist der Auffassung, dass das Schließen der Grenzen verheerende Auswirkungen für die EU haben werde." Dem EU-Gipfel komme daher eine entscheidende Bedeutung zu.
Die jüngste Ankündigung Österreichs, die Zahl der einreisenden Flüchtlinge
drastisch zu begrenzen, wird ebenfalls im Lichte des bevorstehenden Gipfels
gesehen. Sky News Arabia (Abu Dhabi)
berichtet hierzu: "Österreich verschärft die Begrenzung der Zuwanderung", wobei
90 Prozent der Flüchtlinge weiter nach Deutschland oder in "nordische" Länder
wollten – und die Entscheidung daher auch wie eine Schützenhilfe für
benachbarte Regierungen wirke.
Deutschland und Merkel sind weiter beliebt
Al-Jazeera (Doha) geht näher auf die neue Zweckehe zwischen Berlin und Ankara ein, und meldet "Merkel zeigt Verständnis für die Position der türkischen Regierung für die Kritik an Europa, das einerseits keine zusätzlichen Flüchtlinge mehr aufnehmen will, andererseits aber von der Türkei fordert, seine Grenzen offen zu halten."
Nach
wie vor stehen Deutschland und Bundeskanzlerin Angela Merkel in der arabischen
Welt als Symbol einer flüchtlingsfreundlichen Politik – trotz der jüngsten
Diskussionen um die Begrenzung von Flüchtlingszahlen. Merkels Politik der
"offenen Tore" hat dieses Bild nachhaltig geformt und es wird durch neue Akzente
nur sehr langsam verändert.
Wann immer in den sozialen Netzwerken das Bild von Angela Merkel in einem Artikel erscheint, veröffentlichen Leser begeisterte Kommentare. Eine Leserin schreibt unter einem Onlineartikel von Al-Jazeera zu den jüngsten Syrien-Verhandlungen, der mit einem Bild der Bundeskanzlerin versehen war: "Oh Gott, gesegnet sei die barmherzige Frau und Führerin Angela Merkel. Allah segne deine Taten!". Und ein Leser, der sich Ali Tarawneh nennt, schreibt: "Sie ist der einzig wahre Politiker auf der Welt. Sie errichtet ein Europa auf den Werten der Wahrheit." Dass sich die Willkommenskultur und Aufnahmebegeisterung in Deutschland bereits dramatisch geändert hat – dieses Bild erreicht die Menschen in der arabischen Welt nur langsam.
Natürlich werden auch die Entwicklungen in Syrien in den arabischen Medien genau beobachtet. An den Waffenstillstand glaubt niemand, genauso wenig wie an ein Ende der Fluchtbewegungen.
Nachdem das Onlinemedium Sada (Ägypten) zunächst noch titelte "Die Zeit wird den Erfolg der Syrien-Einigung unter Beweis stellen", meldete Al-Arabiya (Dubai): "Deutschland fordert Russland auf, die Angriffe auf Aleppo zu verringern" – in der Hoffnung, dass dies politische Wirkung zeigen würde. Ein Zuschauer, der sich Islam nennt, schrieb dazu sarkastisch: "Was ich nicht verstehe ist, was heißt "verringern."? Nur 500 Mal schießen anstatt 1.000 Mal? Gott wird Rache nehmen an den Heuchlern!" Schon kurz nach Ende der Münchner Sicherheitskonferenz vermeldete Al-Ahram (Ägypten): "Deutschland beschuldigt Russland der Verletzung der Münchner Übereinkunft."
In den Kommentarfunktionen von Al-Arabiya
überwog da bereits die Skepsis. Ein Leser, der sich Wasseem Shadad nennt,
schreibt dazu: "Der Krieg wird noch so lang dauern, bis die
Aggressionen der Kreuzzügler aus Russland und Amerika beendet sind, und diese
Hunde ihrem unausweichlichen Ende entgegen sehen." Ein Zuschauer, der sich Badi
Hammad nennt, meint "Schande auf die Araber, die, nachdem sie ihre eigenen
Länder geplündert haben, gemeinsame Sache machen mit den Feinden. Sie sind
Monster für ihre Völker und die Hunde der Juden und Feinde der Muslime."
Malika Suriya schreibt zu dem diplomatischen Tauziehen um Syrien: "Wenn das Volk seine Freiheit will, kann keine Macht der Welt dem entgegenstehen. Das afghanische Volk hat einst den Panzern Russlands mit Äxten und Macheten widerstanden und die Syrer sind sogar stärker. Allah gibt ihnen Kraft!"
Kommentare
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"Dass sich die Willkommenskultur und Aufnahmebegeisterung in Deutschland bereits dramatisch geändert hat – dieses Bild erreicht die Menschen in der arabischen Welt nur langsam."
Wird ja von unserer Regierung nicht allzu viel getan, dass sich dieses Bild schneller verbreitet.
Und genau da dürfte der Hauptgrund für unsere derzeitigen Probleme bei der Registrierung der einreisenden Menschen liegen...
Solange sich USA und Russland nicht einig werden, aber Russland weiterhin Rebellen und Zivilisten bombt, werden weitere Opfer und Flüchtlinge entstehen.
Unter den Flüchtlingen werden natürlich auch Schein-Flüchtlinge sein, die es evtl. wieder nach Paris oder auch Berlin schaffen.
Die Lösung hiervon kann nicht die Schließung von Grenzen sein.
Man muss die Ursache bekämpfen. Darum muss es bei diesem Gipfel gehen.
Warum ist das so schwer?
Assad muss weg!
Es müssen Wahlen stattfinden, ansonsten wird die Region nie stabil, Menschen sterben und wir kriegen die Rechnung in Form von Flüchtlingen und Terror.
Allein damit wären schon Kämpfe, Opfer und Flüchtlinge in Westsyrien gestoppt.
Danach kann man sich gemeinsam Richtung Osten gegen Daesh/ISIS vorkämpfen, wodurch die ganze Geschichte erledigt wäre.
Aber NEIN !
Assad will ja an der Macht bleiben, auch wenn's nur in Westsyrien am Mittelmeer ist.
Und Russland will ja seine Macht am Mittelmeer behalten/ausbauen.
Und Iran will ja einen weiteren Schritt Richtung Groß-Persien gehen.
Nur was bringt Russland ein halbtoter Partner?
Was bringt Iran die Verfeindung mit sunnitischen Staaten?
Die Welt ist entweder dumm oder unmenschlich.
Bitte nicht zu komplex. Die meisten hier interessiert nicht was dort los ist. Für die sind nur die Flüchtlinge ganz ganz böse weil die diesem Machtkampf/Krieg entkommen wollen.