Zusammengefügt wirken die Ereignisse erst richtig. Da hatten also die CDU-Abgeordneten Schlarmann und Wanderwitz den Griechen geraten, doch Inseln zu verkaufen, um ihre Schulden bezahlen zu können. Herr Schlarmann musste es ja wissen, er ist Chef der CDU Mittelstandsvereinigung. Dieses Ereignis ist keine zwei Wochen her. Nun kommt frisch aus Stockholm der neueste Report des renommierten Friedensforschungsinstituts Sipri, das den Deutschen bescheinigt, im Rennen um die größten Rüstungsexporte auf Platz 3 vorgerückt zu sein. Die Ausfuhr deutschen Wehrguts hat sich verdoppelt. Hauptabnehmer sind die Türkei – und Griechenland . Wollte Herr Schlarmann sagen, die Griechen sollen einige Inseln verkaufen, damit sie sich deutsche Waffen kaufen können, um die restlichen Inseln zu verteidigen? Das wäre reichlich zynisch.
Wahrscheinlich haben die CDU-Politiker das so nicht gemeint. Wahrscheinlich waren ihnen weder die Exportrichtung unserer neuesten U-Boote noch die explosive Wirkung ihres unüberlegten Geredes bekannt. Denn die meisten Griechen haben die Ereignisse leider genau in diesem Zusammenhang gesehen. Sie wissen, wie viel ihr Staat jährlich für Rüstung ausgibt. Über vier Prozent des Bruttosozialprodukts nämlich – die Deutschen geben nur 1,3 Prozent aus. Wir fühlen uns zwischen Polen und Frankreich sicher, die Griechen nicht.
Über griechischen Inseln donnern täglich Jets der türkischen Luftarmada. Trotz der Annäherung zwischen der griechischen und der türkischen Regierung führen die Streitkräfte beider Länder den Kalten Krieg um die Ägäis fort. Wenn die Griechen deutsche U-Boote bestellen, ordert die türkische Marine noch mehr. Wenn die Griechen deutsche Panzer kaufen, verdoppeln die Türken den Einsatz für die Leopard-Modelle. Griechenland ist bei der Panzerschmiede Krauss-Maffei mit über 180 Millionen Euro verschuldet. Der Kaufvertrag für die Leos stammt von 2003, als in Berlin Rot-Grün an der Regierung war. Die Entrüstung von Grünen und SPD ist geheuchelt. Ist das nun alles allein das Problem der Griechen?
In der Ägäis ist Griechenland dem steten Druck der Türken ausgesetzt. Das Festland der Türkei ist hochgerüstet, die verstreuten Inseln aber schwer zu verteidigen. Die türkische Marine unterhält viele Landeschiffe, die nur einen denkbaren Zweck haben: griechische Inseln zu besetzen. Das türkische Militär – ohnehin im Dauerzwist mit Premier Erdoğan – verweigert sich dem Entspannungskurs ihrer Regierung gegenüber Athen . In diese harte strategische Realität haben Schlarmann und Wanderwitz mal eben so hineingeplaudert, haben deutsche Medien die Ignoranz munter verstärkt.
Warum aber verständigen sich die Griechen nicht mit den Türken? Seit 2004 gab es dafür eine echte Chance. Die Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei boten die Gelegenheit, nebenbei auch die griechisch-türkischen Probleme abzumoderieren; einen Ausgleich zu finden in der Ägäis, aber auch zwischen dem unabhängigen Zypern und der Türkei. Genau diese Beitrittsverhandlungen haben CDU und CSU seit 2004 nach allen Kräften torpediert. Erst riefen sie von der Oppositionsbank „Privilegierte Partnerschaft“, ein Synonym für „Nein zu den Türken!“. Ab 2005 traten sie gemeinsam mit anderen in Brüssel kräftig auf die Bremse, bis die Verhandlungen endlich zum Stillstand kamen. Parallel dazu nahmen die Spannungen in der Ägäis wieder zu, kamen die Zypern-Verhandlungen nicht vom Fleck. In den internationalen Beziehungen hängt verhext vieles miteinander zusammen. Das ist vielen CDU-Politikern offensichtlich nicht klar.
Nun sind an der komplizierten Lage nicht allein die Deutschen schuld. Türken, Griechen, Zyprer, andere EU-Staaten – sie alle haben ihr Scherflein zur Dauerspannung im östlichen
Mittelmeer
beigetragen. Aber die Deutschen verdienen kräftig daran, wie der Sipri-Bericht nun überzeugend zeigt. Das macht die Überheblichkeit, mit der einige deutsche Politiker und Medien derzeit über Griechenland herziehen, so abscheulich.
Kommentare
Und die NATO?
Sind nicht Türkei und Griechenland seit fast 50 Jahren NATO-Mitglieder?
Niemand will das so laut sagen - aber das Hauptproblem eines EU-Beitritts der Türkei ist die zukünftige Freizügigkeit, von der eben manche Leute eine massenhafte Einwanderung befürchten.
Das hat mit dem Konflikt in der Ägäis überhaupt nichts zu tun. Die Spannungen zwischen Griechenland und der Türkei wiederum hängen eng mit dem Zypern-Problem zusammen. Die EU kann vielleicht helfen - lösen kann sie dieses Problem nicht.
Jedenfalls ist Deutschland bzw. die deutsche Regierung nicht an allen Problemen der Welt schuld.
Unabhängig davon sollte man in Deutschland Rüstungsexporte stark einschränken.
Gute Frage!
Da schliesse ich mich th an: Wenn der entscheidende Grund fuer einen EU-Beitritt der Tuerkei neue Verhandlungen zur Entschaerfung der Beziehungen zu Griechenland sein sollte - warum kann genau dieses Ziel nicht bereits heute aus der NATO heraus verfolgt werden, der sowohl Griechenland als auch die Tuerkei angehoeren?
Die hier vertretene Meinung scheint mir doch sehr weithergeholt.
"Die Ausfuhr deutschen Wehrguts hat sich verdoppelt"
"Der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau
er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau."
Aber ich will mich nicht beschweren, davon ist ja auch unser Wohlstand bezahlt. Das menschliche Leben ist mir zwar grundsetzlich wertvoll aber wenn ich es gegen westlichen Wohlstand aufwiegen müsste würde ich wohl zu letzterem tendieren.
Nunja eher zum Thema:
Ich hoffe aufrichtig, dass die Türkei niemals in die EU aufgenommen wird, [...] (bspw. in Glaubensfragen, Frauenrechte, etc.), dazu kommt natürlich, dass die Türkei den von ihr ausgeübten Genozid an den Armeniern leugnet und jeden der dieses Massaker als Genozid bezeichnet unter Arrest stellt. Außerdem passt ihre [...] Politik einfach nicht in die demokratische EU (Ich sag nur Artikel 301 - Beleidigung des Türkentums).
Bitte achten Sie auf eine sachliche Wortwahl. Die Redaktion/sh
Fehlerhafter Kommentar
Ich hoffe, dass über meine u.a Rechtschreibfehler hinweg gesehen wird, verdammte schlaflosen Nächte.
LG
Herr Thumann
begeht den gleichen Fehler wie Theo Sommer in einem Artikel vor Weihnachten, wo dieser die Lösung des nach wie vor schwelenden Balkankonflikts auch nur in einem schleunigen Beitritt der beteiligten Parteien zur EU gesehen hat.
Fragen staatlicher Souverenität lassen sich in dem Gebilde EU, das selbst erst auf der Suche nach einer wirklichen Identität ist, nicht lösen. Deren Klarheit und Definiertheit ist vielmehr conditio sine qua non zumindest für ein vertraglich geregeltes Zusammensein auf gleicher Augenhöhe. Schon aus diesem Grunde mußte die übereilte sog. Osterweiterung mit einigen Bauchschmerzen begleitet sein. Dies nun zu überfrachten mit weiteren Konfliktpotentialen beudetet, einen Riß der EU sehenden Auges in Kauf zu nehmen.
Was das dann im übrigen mit Waffenverkäufen zu tun haben soll, ist mir schlicht schleierhaft: Deutschland, Griechenland und Türkei sind alle drei (!) Mitglied der NATO. Zynisch wäre man eher geneigt zu schreiben, dass eine gewisse Uniformität in der Bewaffnung der Partner die Schlagkraft des Bündnisses erhöht und die us.-Lieferanten zurückdrängt.
Schade um das Thema, das so verhunzt wird.