Jens Stoltenberg war der Schreck das ganze Wochenende über anzusehen. Sein erstes Statement gab der norwegische Ministerpräsident an einem geheimen Aufenthaltsort ab; kurz nachdem eine Bombe vor seinem Regierungshochhaus explodiert war. In den folgenden 48 Stunden, als sich das grausige Ausmaß des Attentats allmählich abzeichnete, trat er mehrfach vor die Presse, traf sich mit Angehörigen der Opfer, besichtigte die Ruinen im Regierungsviertel, sprach auf dem Gedenkgottesdienst.
Man sah einen Regierungschef mit geweiteten Augen, mit belegter Stimme; einen, der mit den Tränen kämpft. Man sah einen Spitzenpolitiker, der Schwäche zeigt. Aber trotzdem hat Stoltenberg an diesem Wochenende alles andere als einen schwachen Eindruck hinterlassen. Im Gegenteil, es war beeindruckend zu beobachten, welche Worte er an seine geschockten Landsleute aussandte, wie er versuchte, sie zu trösten und aufzurichten. Und vor allem: welches Ideal er der unfassbaren Grausamkeit des Attentäters entgegensetzte.
"Unsere Antwort wird mehr Offenheit und mehr Demokratie sein" – das war die zentrale Botschaft Stoltenbergs an diesem Wochenende. Er verteidigte genau jene offene und freie Gesellschaft Norwegens, die der Attentäter mit seinen Waffen und Bomben bekämpfen wollte. Dessen Hass und Destruktivität setzte Stoltenberg eine fast trotzige Zuversicht entgegen.
Nicht von ungefähr lobte Harald V. den Premierminister schon an diesem Wochenende ausdrücklich in seiner Fernsehansprache: Er glaube fest daran, dass Freiheit stärker sei als Angst, sagte der König. Er sei dankbar, dass Stoltenberg fest zu den freiheitlichen Grundwerten des Landes stehe.
Tatsächlich ist das gar nicht hoch genug einzuschätzen. Auf einen solchen Ausnahmezustand wie den von Oslo ist niemand vorbereitet – auch kein Regierungschef. Am Freitag wurde fast Hundert Jugendliche getötet und das Regierungsviertel verwüstet. Schwerer kann man ein nationales Selbstbewusstsein binnen weniger Stunden kaum zerstören.
"Noch sind wir geschockt, aber wir werden unsere Werte nicht aufgeben. Unsere Antwort lautet: mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit."
Andere Reaktionen auf eine solche Tat wären durchaus denkbar, ja sogar nachvollziehbar und menschlich gewesen. Aber Stoltenberg sprach nicht von Rache, nicht von Vergeltung, nicht von einer Jagd auf irgendwelche Hintermänner.Er demonstrierte keine militärische Entschlossenheit, wies niemandem die Schuld zu, er forderte auch keine Gesetzesänderungen, wie das jetzt reflexhaft in Deutschland bereits begonnen hat. Stoltenberg war nicht aktionistisch, nicht affektgesteuert, sondern in seiner Fassungslosigkeit wohltuend klug und besonnen. Sein Verhalten war ein Zeugnis von guter politischer
Führung.
Dem 52-Jährigen, der aus einer Politiker-Dynastie stammt, haftete in der norwegischen Presse lange Zeit der Ruf des Sunnyboys an. Mit 26 Jahren war er bereits Chef der Jungsozialisten, die an diesem Wochenende zum Ziel des Attentäters wurden. Stoltenberg galt als Dandy, alsverhätschelterPolitiker-Sohn – bis zu diesem Wochenende. Nun aber hat er bewiesen, dass er ein Staatsmann von Format ist.
Kommentare
Krisenmanagement
Was wir in den letzten Tagen hier in Norwegen erlebt haben, ist erstaunlich. Rettungsdienste, Polizei und Behörden haben unglaublich professionell reagiert, insbesondere wenn man in Betracht zieht, daß Sommer ist und das Land gerade Urlaub macht. Der Zusammenhalt der Menschen im ganzen Land ist enorm.
Königshaus und Politiker aller Couleur haben sich vorbildlich verhalten und sowohl Trost gespendet, als auch klar markiert, daß das Leben weitergehen soll wie bisher.
Am wichtigsten war aber, daß man nicht in eine allgemeine Sicherheitshysterie verfallen ist, sondern halbwegs sachlich das Erlebte und Geschehene aufgearbeitet wird.
Ich bin froh, daß ich in diesem Land lebe.
Stoltenbergs am 22. 7.
"Dere skal ikke få ødelegge oss, dere skal ikke få ødelegge vårt demokrati og engasjement. Vi er en liten, men stolt nasjon. Ingen skal skremme eller skyte oss til taushet. Ingen skal skremme oss fra å være Norge. Vi skal vise verden at demokratiet blir sterkere når det gjelder."
"Ihr werdet uns nicht zerstören, Ihr werdet unsere Demokratie und unser Engagement nicht zerstören. Wir sind eine kleine, aber stolze Nation. Niemand wird uns durch Erschrecken oder Schiessen zum Verstummen bringen. Niemand wird uns durch Schrecken davon abbringen, Norwegen zu sein. Wir werden der Welt zeigen, dass die Demokratie stärker wird, wenn es darauf ankommt."
Glauben Sie in Deutschland hätte man sagen können:
"Ihr werdet uns nicht zerstören, Ihr werdet unsere Demokratie und unser Engagement nicht zerstören. Wir sind eine große und stolze Nation. Niemand wird uns durch Erschrecken oder Schiessen zum Verstummen bringen. Niemand wird uns durch Schrecken davon abbringen, Deutschland zu sein. Wir werden der Welt zeigen, dass die Demokratie stärker wird, wenn es darauf ankommt."
Verdienst
Jedes Land hat die Politiker, die es verdient. Ich wünschte mir auch solche Politiker in Deutschland aber würde sie wirklich jemand wählen?
Ich muss mich korrigieren: Hannelore Krafts Reaktion auf das Unglück bei der Loveparade war auch sehr angemessen und würdevoll.
Nichts desto Trotz liegt uns Deutschen eine gelassene Reaktion auf solche Ereignisse leider eher nicht - ich nehme mich da nicht aus und versuche, mir ein Beispiel an einem anderen Umgang mit diesen Ereignissen zu nehmen.
Stop !
[...]
Entfernt. Bitte konzentrieren Sie sich auf das Thema und leiten Sie keine Paralleldiskusion ein. Danke. Die Redaktion/er
Habe ich das richtig verstanden?
[...]
Entfernt. Der Kommentar, auf den Sie sich beziehen, wurde moderiert. Die Redaktion/er