Knapp vier Jahre war die letzte Regierung Netanjahu im Amt. In dieser Zeit hatte sie es geschafft, Israel durch ihre Haltung zu Nahost-Verhandlungen international zunehmend zu isolieren. Nun steht eine weitere Amtszeit Netanjahus an und eine Lösung der Palästinenser-Frage scheint in weite Ferne gerückt. Sie ist aber bis heute eines der Grundprobleme des Staates Israel und hängt stark mit der Staatsräson der zionistischen Parteien zusammen, links wie rechts.
Es wird immer offensichtlicher, dass Israel das Konzept der Zweistaatenlösung grundsätzlich – sprich aus ideologischen und sicherheitspolitischen Gründen – ablehnt. Die Regierung Netanjahu machte sich nicht einmal mehr die Mühe, dies zu verbergen. Und vor allem wird auch deutlich, dass die Ablehnung der Zweistaatenlösung längerfristig das zionistische Konzept gefährdet – da es als jüdischer Staat zu den vorherrschenden bi-nationalen Verhältnissen in Palästina nicht aufrechtzuerhalten wäre.
Zionistisch sind jene Parteien, welche die zionistische Staatsräson "Ein jüdischer Staat für das jüdische Volk in Erez Israel" ihrer politischen Arbeit zugrunde legen. Die Linken unter ihnen haben trotz dieses Verständnisses eine sogenannte Friedensideologie. Das heißt, der Linkszionismus will angesichts der bi-nationalen Demografie Palästinas die Option einer Verständigung mit dem Nachbarvolk nicht ganz ausschließen, er ist bereit einen beschränkten territorialen Kompromiss in den palästinensischen Gebieten zu machen, sollte ein Gesprächspartner auf der anderen Seite zu finden sein. Doch ist er keineswegs bereit, auf die zionistische Staatsräson zu verzichten. Dies macht die Friedensideologie aus.
Rechtszionisten lehnen die Friedensideologie von vornherein ab
Zu den linkszionistischen Gruppierungen gehören im heutigen Politspektrum Israels traditionell die Arbeiterpartei unter der Führung Shelly Yachimovich sowie die bei dieser Wahl triumphierende Jesh Atid ("Es gibt eine Zukunft") des Journalisten Yair Lapid. Dazu kommen noch Meretz, die die Trennung von Staat und Religion anstrebt, sowie die zwei neu gegründeten Parteien "Die Bewegung" unter Tzipi Livni und Kadima unter Ex-General Shaul Mofaz.
Die rechtzionistischen Parteien dagegen – am bekanntesten sind die Listenverbindung "Likud Israel Beitenu" von Netanjahu und seinem ehemaligen Außenminister Avigdor Liebermann, sowie die religiösen Zionisten "Das jüdische Haus" des Aufsteigers Naftali Benett – teilen mit den Linkszionisten das Staatsverständnis, lehnen aber die Friedensideologie von vornherein ab. Sie halten sie für eine Illusion: Eine Normalisierung der Verhältnisse zwischen Juden und Arabern sei nicht umsetzbar, daher nicht anstrebenswert. Zumal diese mit einem territorialen Preis eingehen muss, was für sie ohnehin ein Verrat an ihrem Staatsverständnis ist. Kurzum: Während die Rechtszionisten sich nicht leisten können, an den Frieden zu glauben, wollen die Linkszionisten auf die ursprüngliche Idee des Zionismus vom Ende des 19. Jahrhunderts nicht verzichten – die Normalisierung der Verhältnisse zu den Nichtjuden.
Kommentare
Auf Wunsch entfernt. Die Redaktion/jz
Entfernt. Die Redaktion/jz
Die Schlussfolgerung fehlt
Frau Amar-Dahl schreibt, es werde keine Kompromisse geben, die den Zionismus - ein jüdischen Staat in einem jüdischen Land - gefährden.
Ebensowenig werde der Rechts-zionismus auf besetzte Gebiete verzichten.
Derweil werden unter dem Schutz der Armee weiter Siedlungen gebaut.
Warum wird nicht offen ausgesprochen, was das bedeutet?
Ich lese aus diesem Text, dass Israel durch die Siedlungen schlicht eine neue Realität schafft: Wenn es überall im Land jüdische Siedlungen gibt und die Palästinenser überall zu einer Randerscheinung geworden sind, wird es gar keinen Nahostkonflikt mehr geben.
Deshalb: keine Politik, keine Angebote, keine Gespräche. Die Zwei-Staatenlösung ist tot, aber in Europa scheint's noch niemand gemerkt zu haben...
Einzige gangbare Alternative
"Und vor allem wird auch deutlich, dass die Ablehnung der Zweistaatenlösung längerfristig das zionistische Konzept gefährdet – da es als jüdischer Staat zu den vorherrschenden bi-nationalen Verhältnissen in Palästina nicht aufrechtzuerhalten wäre."
Wie, wo, wann und weshalb? Das steht jetzt einfach so im Raum, nur sollte es doch verwundern, weshalb dann "immer offensichtlicher wird, dass Israel das Konzept der Zweistaatenlösung grundsätzlich ablehnt." Die Israelis wissen am besten, was ihrem Volke zuträglich ist. "Friedensverhandlungen" mir der anderen Bi-nationalität bestimmt nicht, sofern jeder kleine Fortschritt mit Raketenhagel beantwortet wird.
Die Zweistaatenlösung ist klinisch tot, das sagen auch die Palästinenser, die sich darüber hinaus noch selbst aufgespalten haben. Mitlerweile bräuchte man also mindestens eine Drei-Staatenlösung, wofür man geschätzte weitere 100 Jahre Verhandlungen bräuchte. Ist also reine Utopie, da kommt man niemals hin. Insofern ist "ein jüdischer Staat für das jüdische Volk in Erez Israel" als Einstaaten-Lösung die einzige gangbare Alternative.
Ein Volk ohne Land
Nein, ich meine nicht die Juden, sondern die Palästinenser.
Geschichte kann sehr zynisch sein.
Ein Artikel über den Zionismus...unglaublich.
Liebe ZEIT...meine Hochachtung!
Es ist wirklich erschreckend, wie wenig diese Ideologie im Bezug auf den Nahost-Konflikt thematisiert wird.
Auffallend und ich glaube auch tonangebend ist der revesionistische Zionismus nach Wladimir Jabotinsky.
Das rechte Spektrum um Netanjahu gehört dieser Ideologie an. Netanjahus Vater war Anhänger und enger Mitarbeiter von Jabotinsky, der mit seiner Schrift "The Iron Wall" diese Ideologie ins Leben gerufen hat.
Der Kern:
Wir glauben dieses Land gehört uns, weil das in religiösen Mythen so gelesen werden kann. Und zwar auf beiden Seiten des Jordan. Da die dort lebenden Menschen sich nie damit abfinden werden dass wir uns dieses Land nehmen, müssen wir uns mit extremer militärischer Überlegenheit durchsetzen. Um Racheakten entgegen zu wirken, müssen wir die Eiserne Mauer errichten (Iron Wall/Iron Dome). Widerstand muss zu schmerzhaft sein.
http://en.wikipedia.org/w...