Der russische Oppositionspolitiker
Alexej Nawalny ist in einem umstrittenen Prozess wegen Veruntreuung schuldig
gesprochen und zu fünf Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Noch im Gerichtssaal wurden ihm Handschellen angelegt.
Nawalny soll 2009 als Berater eine staatliche Holzfirma um
umgerechnet rund 400.000 Euro betrogen haben, urteilte Richter Sergej Blinow in
der Stadt Kirow. Er begründete sein Urteil mit der "Schwere des Verbrechens", dessen sich Nawalny schuldig gemacht habe, und der "Gefahr, die er für die Gesellschaft darstellt".
Das Gericht folgte in seinem Urteil fast in Gänze der Forderung der Staatsanwaltschaft, die sechs Jahre Arbeitslager für den 37-Jährigen gefordert hatte. Der prominente Aktivist und Kritiker von Russlands Präsident Wladimir Putin bestritt die Vorwürfe und sprach von einer Inszenierung des Kreml.
Das Urteil gilt als Gradmesser für den Umgang mit Oppositionellen in Russland. Mehr als 100 Journalisten hatten sich am frühen Morgen vor dem Gerichtsgebäude versammelt, um einen der 60 Plätze zu bekommen. Nawalny twitterte während der Urteilsverkündigung aus dem Gerichtssaal.
"Ok, jetzt müsst ihr ohne mich auskommen", schrieb Nawalny aus dem Gerichtssaal. "Aber vor allem: Bleibt nicht untätig, die Kröte kommt nicht von allein vom öligen Rohr herunter." Dann umarmte er noch seine Frau und seine Mutter, bevor er abgeführt wurde.
Sein Mitangeklagter Pjotr Ofizerow wurde ebenfalls wegen Unterschlagung für schuldig befunden. Er soll mit Nawalny zusammengearbeitet haben. Ofizerow war Leiter der Holzfirma, Nawalny arbeitete als unbezahlter Berater für den Gouverneur in Kirow.
Anwälte kontrollieren staatliche Aufträge
Nawalnys unermüdlicher Kampf gegen Korruption und sein Charisma haben ihn von einem einfachen Blogger zu einer der prominentesten Führungsfiguren der Opposition aufsteigen lassen. Nawalny selbst hat mit einer Verurteilung gerechnet, gegen die seine Anwälte allerdings noch in Berufung gehen können. Der Aktivist wertet den Prozess als Retourkutsche, weil er als Blogger Bestechlichkeit in höchsten politischen Kreisen aufgedeckt hat.
Die Aktien an der russischen Börse verloren nach der Urteilsverkündung deutlich an Wert, weil Nawalny als bedeutender Korruptionskritiker gilt, meldete die Agentur Interfax.
Nawalnys bekanntestes Projekt, die Rospil-Website, überwacht staatliche Aufträge und bringt verdächtige Verträge vor Gericht. Die sechs Anwälte des Projekts haben seit 2010 fast 130 Verträge für ungültig erklären lassen – im Gesamtwert von 59 Milliarden Rubel (1,4 Milliarden Euro).
In Moskau warnten die Behörden die Opposition vor Protesten nach dem Urteil. Es gebe keine
Genehmigung dafür. Sicherheitskräfte sperrten den Manegenplatz nahe dem Kreml bereits
ab. Dort wollten Nawalnys Anhänger im Fall eines Schuldspruchs demonstrieren.
Nawalny wollte eigentlich als Bürgermeisterkandidat in Moskau kandidieren. Seine Mitarbeiter kündigten an, die Kandidatur zurückzuziehen. Die Wahl findet am 8. September statt.
Kommentare
Na, immerhin wird hier nicht schon in der Überschrift behauptet,
"Russland" habe den Putin-Gegner verurteilt, wie das, bis vor wenigen Minuten, bei SPON zu lesen war.
Ich gehe davon aus, dass er zu Recht verurteilt wurde
und nicht etwa weil er ein Gegner Putins ist. Oder gibt es etwa Gründe vom Gegenteil auszugehen, die der Artikel uns vorenthält?
ja, es ist ja auch überhaupt nicht festzustellen,
dass alle putin gegner wegen unterschlagung in den knast gesteckt werden.
Billige Propaganda oder nur ungeschickt formuliert?
Ich stimme meinem Vorredner insofern zu, als dass keinerlei nachprüfbare Information zum Tatvorwurf oder etwaigen Entlastungsmomenten geliefert worden ist. Guter Journalismus geht anders...
...bis dahin: wach bleiben!
Gute Leser verstehen das
"Ich stimme meinem Vorredner insofern zu, als dass keinerlei nachprüfbare Information zum Tatvorwurf oder etwaigen Entlastungsmomenten geliefert worden ist. Guter Journalismus geht anders..."
Der Beitrag, den Sie kommentieren ist ein aus Agenturmeldungen zusammengesetzter Bericht ausschließlich zur heutigen Urteilsverkündung.
Ein "guter Leser" versteht das und ignoriert nicht die vielen Links zu weitergehenden Texten, die sich im Artikel befinden.
Urteile als Gradmesser der Demokratie...
Und ich dachte immer die Klärung der Schuldfrage wäre Ausdruck einer Rechtskultur, aber nicht unbedingt für ein politisches System.... wie man sich doch irren kann.
Mir persönlich ist die russische Variante, unabhängig von der Person und ihren bisherigen Verdiensten - sprich politischen Aktivitäten, irgendwie sympathisch.
Ich kann mir da nicht helfen.
Ein Urteil kann ich da allerdings noch nicht entdecken, da ist mir die Zeit in Ihrer Zeitrechnung voraus...