Die EU-Kommission hält ungeachtet der harschen Kritik an der Türkei an den Beitrittsgesprächen mit der Regierung in Ankara und Präsident Recep Tayyip Erdoğan fest. Nichts sei besser geeignet als der Beitrittsprozess, um Reformen anzustoßen und Kooperationsprojekte im Interesse der EU voranzubringen, schreibt EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle in seinem EU-Fortschrittsbericht. Er spricht sich darin für eine Ausweitung der Verhandlungen aus, um die türkische Regierung zu einem EU-freundlichen Kurs zu ermuntern.
"Die Türkei braucht mehr europäisches Engagement und nicht weniger, um dem Land zu helfen, ein moderner europäischer Staat zu werden", hatte er zuvor der Zeitung Die Welt gesagt. Die EU-Kommission beabsichtige nicht, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei einzustellen.
Gerade vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise
und der Konflikte in Syrien und im Irak sei die Türkei als strategischer
Partner wichtig, schreibt Füle in dem Jahresbericht. Er spielte damit unter anderem auf die bedeutende
Rolle des Landes im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat"
(IS) an. Der Erweiterungskommissar warnte Deutschland und andere
Mitgliedstaaten vor einer Blockade der EU-Beitrittsverhandlungen mit dem Land.
Allerdings listet Brüssel eine ganze Reihe von Demokratiedefiziten in der Türkei auf. Genannt werden etwa die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz und der unzureichende Schutz der Meinungsfreiheit. Auch der Druck auf die Presse und Betreiber von Webseiten wird scharf kritisiert. "Es ist jetzt an der Türkei, konkrete Fortschritte zu zeigen", sagte Füle in Brüssel.
Juncker sieht bis 2019 keine Möglichkeit zur EU-Erweiterung
Der künftige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte kürzlich gesagt,
er sehe bis 2019 keine Möglichkeit für eine neuerliche EU-Erweiterung. Der zuständige Kommissar Füle hält dies für das
"falsche Signal" an die Beitrittsanwärter. Zu ihnen gehören neben der Türkei
auch Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien.
Über die Fortschritte der Balkanländer im europäischen Integrationsprozesses wird im Jahresbericht mehrheitlich ein sehr kritisches Urteil gefällt. Es fallen Begriffe wie Stillstand oder sogar Rückschritt, wenn es um Bereiche wie Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit geht. Lediglich Serbien, das Kernland des früheren Jugoslawiens, kann sich über eine überwiegend positive Bewertung freuen.
Einige Verhandlungskapitel mit der Türkei blockiert
Bislang verhandelt die EU mit der Türkei nicht über Beitrittsvoraussetzungen in Bereichen Grundrechte, Justiz und Rechtsstaatlichkeit. Eine ganze Reihe von bereits geöffneten Verhandlungskapiteln ist zudem aus politischen Gründen blockiert. Über acht Bereiche soll nach einem Beschluss der EU-Regierungen erst verhandelt werden, wenn die Türkei ein Assoziierungsabkommen mit der EU auch auf Zypern ausweitet. Im Norden des EU-Mitglieds Zypern hat sich eine nur von der Türkei anerkannte türkische Republik abgespalten. Von Zypern werden sechs Verhandlungskapitel blockiert.
Vor allem konservative Parteien in der EU stehen den Beitrittsverhandlungen mit der Regierung in Ankara kritisch gegenüber. In Deutschland stieß der Bericht zur Türkei auf geteilte Reaktionen. Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber erklärte, die Empfehlung der Kommission zur Ausweitung der Verhandlungen sei "das absolut falsche Signal zum komplett falschen Zeitpunkt". Die EU lasse sich von der Türkei "seit Jahren an der Nase herumführen", hob er mit Blick auf die Demokratieprobleme in dem Land hervor. Für die Grünen nannte Manuel Sarrazin die Empfehlungen hingegen "richtig". Nur wenn die EU ernsthafte Gespräche etwa über Rechtsstaatlichkeit führe, könne sie Veränderungen verlangen.
Kommentare
Beruf ohne Zukunft
Erweiterungskommissar .... theoretisch ist das doch ein klassischer "dead-end job", nicht wahr? Augen auf bei der Berufswahl! Zum Glück ist der gute Mann aber ja Politiker, da braucht er sich keine Sorgen machen und die EU ist bestimmt kreativ, was den Begriff der Europäischen (!) Union umfasst....
Besser: Konsolidierungskommissar!
Der Name ist Programm. Als die fürs Militär zuständigen Minister "Kriegsminister" hießen, wurden Kriege begonnen. Zum Glück haben wir heute Verteidigungsminister - das ist eindeutig besser für den Frieden in Europa und der Welt. Bevor sich die EU kaputterweitert sollte Füles Amt abgeschafft und durch einen Konsolidierungskommissar ersetzt werden.
28 Staaten sind schon jetzt am Rande der Arbeitsfähigkeit. Um zu Entscheidungen zu kommen, wird die EU weitgehend von echter demokratischer Meinungsbildung und von der Diskussion um das Postengeschachere der neuen Kommissare ferngehalten.
Mit einem Land über einen Beitritt zu verhandeln, dass zu 97% in Asien liegt, Menschenrechte sehr unzureichend einhält, in 50 Jahren mehr Einwohner haben dürfte als Deutschland und Frankreich zusammen, dessen Präsident von europäischen Werten nichts hält - das ist Hochverrat an der nächsten Generation!
Der europäischen Idee verdanken wir sehr viel: Frieden, Wohlstand, ein hohes Maß an Freiheit, kulturelle Impulse... - das drohen wir zu verlieren, wenn noch mehr Menschen ohne echte Lebenserfahrung in die Ämter gelassen werden, die dort taktische Entscheidungen fällen und faule Kompromisse schließen, ohne auf ihre Völker zu hören.
Die Türkei in die EU aufnehmen - sehr gut.
Dann bin ich aber dafür, auch konsequent genug zu sein und als nächstes Beitrittsverhandlungen mit Indien aufzunehmen.
Ja ....
...erweitern wir die EU bis hin zu Sri Lanka, warum nicht, unsere gemeinsames kulturelles Erbe wie der indo-germanischen Sprachfamilie , für Texte in Sanskrit benutzt man am besten die hier gebräuchlichen Umlaute, dann klappt das schon, ist da. Ebenso die vielfältige religiöse Kosmologie vor der Missionierung durch die Christen und ihr albernes Weltbild mit dem Planeten Erde als Zentrum eines recht schlichten Universums.
Die islamischen Staaten aber mit ihren schlichten , wie man z.Zt. erlebt, Gewalttätigkeiten einer abrahamitischen Religion sind mit Vorsicht zu betrachten. Diese Türkei ist nicht die Gesellschaft der säkularen 1980ziger Jahre mit der Hinwendung zu europäischen Werten. Niemand will die Furcht und diese Gewalttätigkeiten in Europa zurück wie sie in den Zeiten vor der Aufklärung durch die katholische Kirche ( https://de.wikipedia.org/... ) und stattfand, nur durch eine Durchdringung des vom System her totalitär angelegten Islam. Oder ? Wir müssen nur einmal realisieren wie es hier wäre wenn Herr Erdogan hier Bundeskanzler und dessen aktuelles Team die Regierung stellt und die hier ihre Politik machen würden. Außerdem strebt die Türkei gerade durch die Schwächung der Kurden, Syriens und des Irak zur Hegemonialmacht im Nahen Osten , Erweiterungen erwünscht. Ich halte die Ansichten des Herrn Füle für zu Positivistisch, wenn nicht von einer persönlichen Arroganz geprägt, die uns alle nichts Gutes bringt. Eine klare Fehlbesetzung der Herr.
Witzfigur
"bedeutende Rolle des Landes im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat"
Dieser Erweiterungskommissar macht sehr schlechte Scherze, denn die Türkei unterstützt, wie allgemein bekannt die Mörderbande.
Selbst Biden hat sich vor ein paar Tagen verplappert.
Wirtschaftliche Erwägungen ...
... stehen hierbei im Vordergrund, da spielen - ähnlich wie im Fall China - Fragen von Demokratie und Menschenrecht, wenn überhaupt, eine untergeordnete Rolle. Die Wirtschaft in der Türkei erlebte in den vergangenen Jahren einen ansehnlichen Boom, und diesen Markt will man nutzen, ebenso wie die geo-strategische Lage.
Sie irren, es geht allein um Politik als solche,
und das TR-Wirtschaftswunder ist eh vorbei.
Demgegenüber erinnere ich mich an zwei Äusserungen von Bundespolitikern, die mittlerweile ca. 10-15 Jahre her sind.
Äusserung 1: Die TR gehört in die EU. (BMÄusseres)
Äusserung 2: Der Deutsche solle sich bitte daran gewöhnen, innerhalb der EU auch ans Ausland ausgeliefert zu werden. (Präsidentin des BVerfG)
Punkt 2 ist bereits realisiert, Punkt 1 ist in Arbeit, und jedermann hier sollte also aufpassen, was er hinsichtlich TR und begleitenden Phänomenen öffentlich sagt, sonst könnte es ihm mittelfristig passieren, dass plötzlich in der TR, wo er doch z.B. als Tourist niemals hatte hinwollen, seine Menschenrechte ganz massiv verletzt werden.