Der Morgen danach, er sollte so aussehen: Orangensaft auf dem Frühstückstisch, die Kinder werden fröhlich in die Schule geschickt. Menschen gehen zur Arbeit, ihnen scheint die Sonne ins Gesicht. Das war das Bild, das Alexis Tsipras in seinem Werbespot den Wählern vom neuen Griechenland gezeichnet hatte, bevor er am Sonntag Ministerpräsident wurde. Alexis, der ruhige, der besonnene Politiker, der das Land keinesfalls ins Chaos stürzen würde.
Nur vier Tage nach der Wahl kann man sich nicht mehr sicher sein, ob er sein Versprechen einlösen will. Oder ob es überhaupt ein Versprechen war.
Wer ist dieser Tsipras? Nicht erst seit vergangenem Sonntag haben sich viele in Europa diese Frage gestellt. Vor mehr als zwei Jahren trat der Mann mit dem jungenhaften Gesicht und der schwarzen Haartolle erstmals international in Erscheinung. Euroschreck! So titelten damals Medien weltweit. Griechenland und Europa befanden sich auf dem Höhepunkt der Eurokrise, und dieser Linkspolitiker war nah dran, mit seiner radikalen Anti-Sparpolitik die Mehrheit zu erlangen.
Doch Tsipras unterlag, weil die Menschen Angst vor ihm und vor einer zu heftigen Wende nach links hatten. Sie fürchteten, ihre Euro gegen Drachmen eintauschen zu müssen und damit die letzten Ersparnisse zu verlieren. Aus dieser Stimmung des Jahres 2012 hat Tsipras seine Schlüsse gezogen. Er hat gelernt. In den Wochen vor dem 25. Januar 2015 präsentierte sich ein anderer Mensch.
Freundlich, niemals aufbrausend begegnete er den Leuten in den Fußgängerzonen des Landes. In seinen Wahlkampfreden in der griechischen Provinz vermied er es, auf Angela Merkel und Europa zu schimpfen. Sicher klagte er temperamentvoll über die schwere Bürde, die Griechenland zu tragen habe, aber er trat weniger radikal auf als früher. "Wir werden hart mit Europa verhandeln, damit es den Menschen endlich besser geht." Das war sein wichtigstes Wahlversprechen, von dem sich viele Griechen überzeugen ließen.
Im restlichen Europa begegneten ihm die Regierenden prompt freundlicher als zuvor. Tsipras habe sich gewandelt, sich gemäßigt, hieß es. Selbst aus dem Kanzleramt war zu hören, dieser linke Grieche sei schließlich nicht der Teufel, man könne mit ihm verhandeln.
Und dann das! Kaum hat man je einen Politiker ein solches Tempo hinlegen sehen. Er scheint der first mover sein zu wollen, der erste, der Tatsachen schafft und die Verhandlungen beherrscht. Übrigens eine Schock-Taktik, die auch Akteure in der Finanzbranche nutzen: Unberechenbarkeit. Keine drei Tage nach dem Wahlsieg hat Tsipras vor allem symbolisch wichtige Sparvorgaben der internationalen Kreditgeber nicht nur für beendet erklärt, sondern bisher Erreichtes rückgängig gemacht. Das war vielleicht noch zu erwarten.
Doch die Sache mit Russland hat viele in Berlin, London, Brüssel kalt erwischt. Tsipras drohte, weitere EU-Sanktionen gegen Wladimir Putin nicht mittragen zu wollen. Der erste Botschafter, den er als Ministerpräsident empfing, war der russische. Keinen Diplomaten aus der EU also, sondern einen aus jenem Land, das einen Krieg auf europäischem Boden angezettelt hat. Ein Affront.
Kommentare
Er ist nicht radikal,
"Wie radikal ist Tsipras?"
er ist erfrischend anders!
Und das braucht Europa ganz dringend!
Griechische Kioskbesitzer
> er ist erfrischend anders!
Europa braucht Putida? Le Pen? AfD? Linkspartei? NPD? Oder wer jetzt sonst noch so jubelt? Ist das erfrischend?
Ich hoffe ja immer noch, dass Tsipras mit Putin, dem Held von Putida, nur provozieren will und ansonsten eine realistisch-kapitalistische Politik macht und anerkennt, welch ein Segen der Euro ist, weil er sein Land mit den anderen Volkswirtschaften in der Eurozone vergleichbar gemacht und somit schonungslos offengelegt hat, wo Griechenlands Probleme liegen: Beim Arbeiten und beim Steuerzahlen. Nicht Geld ausgeben ist jetzt das Ziel, sondern Geld einnehmen und sparen. Jeder griechische Kioskbesitzer in Deutschland weiß, WIE alternativlos die Merkelpolitik ist.
Griechenland sollte endlich sich und uns einen Gefallen tun und aus der EU austreten. Selbst der eigentlich so geduldige Martin Schulz hat "keinen Bock" mehr!
Skandal! EU-Parlamentspräsident unlauter umgarnt!
Tja, werte "Jasmin Best-Volk", mittlerweile ist das Treffen zwischen Schulz und Tsipras gelaufen und Schulz hat keinen Bock mehr auf das Null-Bock-Gekeile, sondern ist in den Säusel-Modus übergewechselt. Da hat der Tsipras dem Schulz wohl was in den Kaffee getan.
Solche radikale Politiker wie Tsipras braucht auch Deutschland
Zur Politik in Griechenland sagt Tsipras:
Wir sind nicht gekommen um die bisherige Macht
der Reichen aufrechtzuerhalten. Sondern wir sind
gekommen das Regieren, dass in diesem Land
durchgeführt wird, radikal zu ändern.
Jawohl
damit endlich keine Frauen mehr in der Regierung sind.
Erst...
... dachte ich ja, och nö, nicht schon wieder so ein unreflektiertes Gequassel über den finsteren Überläufer und seine kommunistischen Träume.
Aber Sie haben mich positiv überrascht, besten Dank dafür.
Zum Ende stark
Sehe ich ähnlich wie. Der Artikel beschreibt die Verbundenheit zwischen beiden Völkern sehr gut und auch die Interpretation seines bisherigen Handels wird interessant interpretiert.
Wenn man dazu noch bedenkt, das Griechenland ein sehr großes Handelsvolumen mit Russland hat (prozentual sogar größer als Deutschland) dann ist seine Haltung zur Ukraine absolut nachvollziehbar. Man könnte sogar sagen moderat wenn man sich anguckt wie die Regierung in Kiew mit den Grundsätzen von Syriza vereinbar ist.
Habe einige Fakten mitgenommen die ich bisher noch nicht kannte und finde es ist einer der besseren Artikel zum Thema auch wenn ich mit eingen Punkte im ersten Teil nicht einverstanden bin.